„Bausparen erlebt eine Renaissance“ – Verbraucher denken mit
In der Niedrigzinsphase war das noch so eine Sache. Bausparen schien als Rohrkrepierer zu verkommen. Das Blatt hat sich jetzt gewendet. Mit dem gesellschaftlichen Fokus auf ESG-Themen wird der Bausparvertrag zunehmend zum Energiesparvertrag. Im Gespräch mit Stephan Buschek und Dr. Holger Lindner zeigen die Experten der Alte Leipziger Bauspar, was die Sparer erwartet.
Das wirtschaftliche und politische Umfeld hat sich in den vergangenen sieben Monaten erheblich verändert. Welche Auswirkungen hatte diese Entwicklung auf Ihre Arbeit im Vorstand?
Buschek: Wir arbeiten in einem ganz anderen Marktumfeld als noch Ende 2021. Auf steigende Zinsen haben wir lange gewartet. Im Juli hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte und damit stärker als erwartet angehoben. Für die Arbeit im Vorstand sind die Veränderungen zunächst nicht so stark, wie sie zu Beginn der Corona-Pandemie waren, als wir nicht wussten, wie wir in der nächsten
Woche arbeiten, wenn alle zuhause bleiben müssen.
Auch die Immobilienbranche hat sich im Zuge der wirtschaftlichen Verwerfungen verändert. Baufinanzierungen standen aufgrund der niedrigen Zinsen viele Jahre im Vordergrund. Hat die Krise das Comeback des Bausparens erst ermöglicht?
Dr. Lindner: Die Bauzinsen haben sich in kurzer Zeit verdreifacht. Zinssicherung war schon immer das Kernargument für einen Bausparvertrag, spielt aber in der aktuellen Zinssituation wieder eine deutlich größere Rolle in der Beratung. Bausparen erlebt eine erfreuliche Renaissance, was wir sowohl an unserem Neugeschäft als auch an überdurchschnittlich vielen Anfragen unserer Geschäftspartner erkennen.
Buschek: Nur mit einem Bausparvertrag sichert man sich günstige Zinsen für spätere Finanzierungs- oder Modernisierungsvorhaben. Insofern ist der Abschluss eines Bausparvertrags eine höchst rationale Entscheidung unserer Kunden.
Welche Entwicklung sehen Sie aktuell im Bauspar- und Baufinanzierungsvertrieb? Wie reagieren Ihre Kunden?
Buschek: Wir erleben eine stark steigende Nachfrage beim Bausparen und bei Modernisierungsdarlehen. Die politische Unterstützung für Modernisierungen und nachhaltiges Bauen ist da, weil die Immobilienwirtschaft in der Klimawende eine große Rolle spielt. Zugleich bewirkt die Energiekrise, dass viele Menschen in Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen und damit in energieeffiziente Heizungen investieren. Wir unterstützen diese ökologische Ausrichtung durch unsere Baumpflanzaktionen im Taunus.
Dr. Lindner: Der Weg ins eigene Heim ist deutlich steiniger geworden; das spüren auch unsere Kunden. Die Bau- und Kaufpreise haben sich bereits in den letzten Jahren erheblich verteuert und nun erschwert der deutliche Zinsanstieg zusätzlich das Vorhaben. Der rechtzeitige Aufbau von Eigenkapital ist der Schlüssel für die eigenen vier Wände und hier kann der Bausparvertrag einen wichtigen Beitrag leisten. Der Wunsch nach einem Eigenheim ist unverändert groß und die eigenen vier Wände bleiben ein zentraler Baustein für die Altersvorsorge.
Werden wir aufgrund der gestiegenen Nachfrage neue Produkte/Innovationen auf dem Markt sehen?
Dr. Lindner: Die Bausparkassen werden auf die geänderte Zinssituation mit Tarifänderungen reagieren. Bausparkunden können höhere Guthabenzinsen erwarten, müssen aber im Gegenzug auch mit höheren Zinsen für das Bauspardarlehen rechnen. Es ist daher anzuraten, die Entscheidung nicht auf die lange Bank zu schieben, wenn man den Bausparvertrag zur Zinssicherung einsetzen möchte. Die Tarife der Bausparkassen haben sich bereits in den letzten Jahren verändert. Höhere Flexibilität bei der Besparung und den Zuteilungsvoraussetzungen erleichtern die Einbindung des Bausparvertrages in ein Finanzierungskonzept. So bietet zum Beispiel unser Tarif AL_Neo eine Zuteilung bereits ab einem Anspargrad von 20% der Bausparsumme an.
Auch die Abschlussgebühren wurden im Zuge dessen zum Teil erhöht. War das wirklich nötig?
Dr. Lindner: Wir als Alte Leipziger Bauspar AG bieten unsere Tarife unverändert wahlweise mit 1,0% oder 1,6% Abschlussgebühr an. Eine Veränderung ist nicht vorgesehen.
Wie schwer lastet die ESG-Thematik auf den Bausparkassen?
Buschek: Ich würde nicht sagen, dass es eine Last ist. Im April 2022 haben wir über den Verband der Privaten Bausparkassen die Absichtserklärung des UN-Umweltprogramms unterzeichnet. Nachhaltigkeit gehört zum Markenkern des Bausparens. Für viele Menschen ist der Bausparvertrag schon heute ein Energiesparvertrag. Bausparkassen finanzieren die Energiewende im privaten Wohnungsbau. Soviel zum „E“.
Dr. Lindner: Was das „S“ und „G“ betrifft, haben wir den Vorteil, Teil der ALH Gruppe zu sein. Wir sind eingebettet in die Nachhaltigkeitsstrategie der Alte Leipziger Lebensversicherung und der Hallesche Krankenversicherung. Wir profitieren von den Synergieeffekten bei der Umsetzung von Maßnahmen in der ALH Gruppe.
Viele Bausparkassen haben in der Niedrigzinsphase ihre Reserven aus dem Notfallfonds aufgelöst. Seit 2014 sinkt das Finanzpolster der 13 größten Bausparkassen. Sorgt die kleine Zinswende für Entlastung?
Buschek: Wenn man sich das Zinsniveau der letzten Jahre vor Augen hält, ist die Zinswende doch erheblich. Mittelfristig wird die Anhebung der Zinsen zu einer weiteren Stabilisierung der Ertragssituation der Bausparkassen beitragen. Insbesondere der für die Bausparkassen wichtige Spargeldeingang wird sich durch den nachhaltigen Neugeschäftsanstieg weiter erhöhen.
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