Finanzdienstleistungen

Bei Flatexdegiro mehren sich die Fragezeichen

In der Krise handeln Anleger weniger
In der Krise handeln Anleger weniger © Pixabay

An Flatexdegiro hat uns immer gut gefallen, dass sich die Frankfurter über eine eigene Plattform die volle Kostenkontrolle im Brokerage-Geschäft gesichert haben und daher unabhängig von „Payment-for-Order-Flows“ (also Rückvergütungen von Partnern, über deren Plattform Kundenorder abgewickelt werden) über eigene Gebühren profitabel arbeiten. Auch den 2019 erfolgten Kauf des niederländischen Wettbewerbers Degiro fanden wir sinnvoll, weil die Hessen damit das Tor zu Europa aufstießen und sich zum größten unabhängigen Broker des Kontinents entwickeln. Doch das laufende Jahr zeigt zunehmend, mit welchen Tücken in diesem Geschäft zu rechnen ist.

Denn verunsicherte Anleger handeln einfach weniger. Wie die am 18.10. veröffentlichten Ergebnisse zeigen, ist die Zahl der Transaktionen in den ersten neun Monaten um ein Viertel auf 53,4 Mio. Order zurückgegangen. Mut macht dabei immerhin die Tendenz: Im Q3 betrug der Rückgang nur noch 16%, nach 16,5% im Q2 und satten 35% im durch starke Vj.-Zahlen belasteten Q1. Immerhin kann auch die Zahl der Kunden v. a. wegen der Zugewinne von Degiro im Ausland gesteigert werden: Im Q3 kamen 94 000 neue Depotkunden hinzu, seit Jahresbeginn beträgt der Zugewinn stolze 376 000 Neukunden, bei einer Kundenbindungsrate von 98,4%.

Verkalkuliert haben sich CEO Frank Niehage und CFO Muhamad Chahrour allerdings bei der Entwicklung der Zahl der Transaktionen je Kunde: Ging ihre Guidance zu Jahresbeginn noch davon aus, dass jeder Kunde etwa 43 Aufträge pro Jahr einstellt, so errechnet sich nach neun Monaten lediglich ein Aufkommen von 24 Transaktionen/Kunde. Uns missfällt in diesem Zusammenhang auch, dass einst zentrale Kennziffern der Guidance im Jahresverlauf geändert oder sogar stillschweigend fallen gelassen werden. Wurde zu Jahresbeginn noch von einem Ziel von 2,7 Mio. bis 2,9 Mio. Kundenkonten geredet, so reduzierte Niehage dieses Ziel zum Hj. auf 2,66 bis 2,76 Mio. Kunden, unabhängig von der Zahl der geführten Konten. Nach neun Monaten findet sich im Zwischenbericht sogar gar kein Kundenziel mehr. Auf unsere Nachfrage in der Telefonkonferenz erklärte Niehage lediglich, dass das Unternehmen „wegen des schwierigen Umfelds keine Aussagen mehr zu erwarteten Kundenzahlen“ machen werde.

Auch operativ gibt es aus unserer Sicht ein paar Eintrübungen. Zwar steigt der Umsatz je Transaktion um 6,5% auf jetzt 5,15 Euro. Viel ist zudem die Rede von einer „stärkeren Monetarisierung“ des Geschäfts durch steigende Zinsen (Flatexdegiro verfügt über Einlagengelder von Kunden in Höhe von 2,5 Mrd. Euro), einen Anstieg der Degiro-Bearbeitungsgebühr von 0,50 Euro je Trade und das neu eingerichtete Geschäft mit Wertpapierkrediten. Doch nach neun Monaten ist der Umsatz um 4% geschrumpft auf 301,6 Mio. Euro. Beim EBITDA ergibt sich auf den ersten Blick ein schöner Zuwachs um 50% auf 126,7 Mio. Euro (Marge: 58%). Aufgehübscht ist das operative Ergebnis aber durch die Auflösung von Rückstellungen für Aktienvergütungen von Beschäftigten, die im Q3 für einen Zufluss von 13,4 Mio. und nach neun Monaten von 20,7 Mio. Euro führte. Bereinigt ergibt sich beim EBITDA ein Rückgang um 27,5% auf 106,0 Mio. Euro mit einer allerdings immer noch guten Marge von 35,1% (Vj.: 46,5%).

Die zunehmenden Fragezeichen sind nicht ohne Spuren an der Aktie (8,82 Euro; DE000FTG1111) vorübergegangen: YTD steht ein Kursrutsch von 56% zu Buche, seit unserem Einstieg sind es knapp 5%. Für die SDAX-Aktie sprechen die guten Wachstumsaussichten: Analysten kalkulieren mit einem Erlös-zuwachs von 9% p. a., einer von historisch 34,5% auf künftig 44,1% ausgeweiteten EBITDA-Marge und einem EPS-Wachstum von 40% p. a. bis 2024. Hinzu kommt eine historisch sehr günstige Bewertung mit einem 2023er-KGV von 8 (8 Jahre: 18).

Wir werden dennoch bei Flatexdegiro vorsichtiger und stufen den Titel auf Halten ab, zumal der Stopp bei 8,15 Euro nur noch rd. 8% entfernt ist.

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