Flatexdegiro – Ehrgeizige Guidance kommt in den Test
Für Flatexdegiro ging es ab 2019 steil bergauf. Zunächst verfünffachte sich die Aktie bis August 2021, ehe das Papier knapp 70% an Wert verlor. Für CEO Frank Niehage, der den Online-Broker in dieser Woche im Internationalen Club der Frankfurter Wirtschaftsjournalisten vorstellte, wird „der unbekannteste Marktführer Europas“ derzeit in Sippenhaft genommen mit den globalen Tech-Firmen. „Aktien- und operative Performance laufen in gegensätzliche Richtungen. Das wird sich korrigieren, wenn wir weiter performen. Und wir werden weiter performen“, so Niehage selbstbewusst. Ob er recht hat, werden die am Dienstag (12.7.) fälligen Hj.-Zahlen zeigen. Wir rechnen dabei mit keiner Enttäuschung.
Zur kompletten Wahrheit gehört aber, dass Flatexdegiro zuletzt etwas enttäuschte. Die Zahl der Kundenkonten soll 2022 von 2,06 Mio. auf 2,6 Mio. bis 2,7 Mio. (zuvor: 2,7 Mio. bis 2,9 Mio.) ansteigen, wobei Niehage nur noch mit 75 Mio. bis 85 Mio. (zuvor: 95 Mio. bis 116 Mio.) Transaktionen rechnet. In der Kombination der beiden Faktoren zeigt sich die Volatilität, mit denen der Broker kämpfen muss: Setzte die ursprüngliche Guidance nach unseren Berechnungen auf 43 Transaktionen je Kunde auf, so sind es nun nur noch 34. Die neue Kalkulation entspricht dem unteren, die alte Projektion dem oberen Ende der Spanne der Jahre vor der Corona-Pandemie.
Unbestreitbar ist aber auch, dass Flatexdegiro es geschafft hat, dank einer Gebühr von 5,90 Euro je Trade hochprofitabel zu operieren. Weil die Frankfurter die komplette Infrastruktur besitzen, konnten sie die Kosten je Trade von 1,44 Euro auf nur noch 0,50 Euro je Trade senken. „Auch damit bin ich noch lange nicht zufrieden“, erklärte Niehage. Das einträgliche Gebührenmodell erklärt natürlich, warum die EBITDA-Marge zuletzt bei satten 43,8% lag (Q1) und in den kommenden Jahren bis auf 45% steigen könnte. In diesem Jahr sollen „mehr als 5,00 Euro“ an jedem Kundentrade in der Kasse hängen bleiben, nachdem es im vergangenen Jahr noch 4,59 Euro waren.
Die jüngst veröffentlichte 2022er-Umsatzprognose von 400 Mio. bis 440 Mio. Euro geht nach unserer Berechnung am unteren Ende von einem Erlös von etwa 5,30 Euro je Trade aus. Die Loyalität der Flatexdegiro-Kunden ist im Übrigen sehr hoch: 2021 kündigten nur 50 000 Nutzer ihr Konto bei den Frankfurtern, bezogen auf den von ihnen gebrachten Umsatz waren das lediglich 1,1%. 70% der Kunden, die 2014 ein Konto eröffneten, sind heute noch dabei. Die 80,00 bis 100,00 Euro Kundengewinnungskosten sind dabei nach etwa 20 Transaktionen verdient, also etwa nach einem halben Jahr der Zugehörigkeit.
Die Kennziffern der SDAX-Aktie (9,24 Euro; DE000FTG1111) sehen vielversprechend aus. Dank des internationalen Wachstums sollen Erlöse und Gewinne künftig um 15% bzw. 20% p. a. klettern. Die Kapitalkosten werden mit einem ROCE von 17% mehr als nur verdient, die übertriebene Bewertung aus 2021 (teilweise 40x KGV) ist mit einem 2022er-KGV von 11 mittlerweile abgebaut. Dank einer nettoschuldenfreien Bilanz mit 220 Mio. Euro an Cash denkt Niehage darüber nach, erstmals eine Dividende zu zahlen und Aktienrückkäufe zu initiieren.
Risikobewusste PB-Leser steigen bei Flatexdegiro vor den Hj.-Zahlen ein. Stopp: 6,75 Euro.
Die PLATOW Börse 4 Wochen lang gratis lesen!
Flatexdegiro
Aktienkurs in Euro
ARTIKEL DIESER AUSGABE
Schlechte Nachrichten sind schlecht
Vom Grundsatz her sind wir ja Optimisten. Aber dass einige Beobachter derzeit schlechte Nachrichten für gut halten, weil sie die Gefahr mildern, dass die Fed mit einer zu aggressiven... mehr
Munich Re beweist relative Stärke
Im Katastrophenmonat Juni hat die Munich Re-Aktie (225,50 Euro; DE0008430026) gerade einmal 1,6% an Wert eingebüßt und damit relative Stärke ggü. dem DAX (-11,2%) gezeigt. mehr
Verbund – Mächtige Gewinne
Die Energiewende bleibt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Als führendes Stromversorgungsunternehmen Österreichs haben wir Verbund als möglichen Profiteur des Wandels... mehr
Deutsche Nebenwerte nach Ihrem Geschmack
In dieser Rubrik stellen wir deutsche Nebenwerte vor, die unsere Leser interessieren. mehr
Straumann – Wachstumsaktie in der Dentalindustrie wieder attraktiv?
Aus einem Spezialisten in der Implantologie ist binnen weniger Jahre ein zwar immer noch kleiner, dafür aber überdurchschnittlich wachsender Anbieter von Produkten für die breite Dentalindustrie... mehr
Knorr-Bremse – Boom flaut ab
Mit den Q1-Zahlen vom 12.5. konnte Knorr-Bremse zumindest leicht positiv überraschen. So sank der Umsatz ggü. Vj. zwar um 1,3% auf 1,67 Mrd. Euro, lag damit aber 2% über den Erwartungen.... mehr
Zeal lebt von den grossen Träumen
Der zunehmende Zwang zum Sparen wird die Nachfrage in vielen Bereichen unseres Lebens bremsen. An den wöchentlichen Lottoschein denken dabei aber wohl die wenigsten. Zu groß ist die... mehr
Suse lässt Transparenz vermissen
Die noch junge Börsenhistorie von Suse ist bislang nicht von Erfolg gekrönt. Seit dem IPO (Ausgabepreis: 29,50 Euro) im Mai vergangenen Jahres hat sich der Aktienkurs (20,40 Euro; LU2333210958)... mehr