Minuszinsen – Lassen sich Sparer zu Aktionären umerziehen?
Als erste Spitzenfunktionärin der deutschen Kreditwirtschaft hatte BVR-Präsidentin Marija Kolak im vergangenen Jahr öffentlich für die Weitergabe von Negativzinsen auch an Privatkunden geworben.
Seit die EZB den Strafzins für kurzfristig bei der Notenbank geparkte Überschussliquidität auf -0,5% gesenkt hat, wird es auch für die Volks- und Raiffeisenbanken zunehmend schwieriger, die Ertragsbelastungen aus den Minuszinsen durch eine verstärkte Kreditvergabe zu kompensieren. Das gilt umso mehr, da die Kunden trotz Niedrigzinsen die Institute ungebrochen mit zumeist täglich fälligen Sichteinlagen fluten. Wie der Vorstandschef des Genossenschaftsverbands, Ingmar Rega, auf der Bilanz-PK in Frankfurt berichtete, stieg allein bei den vom größten genossenschaftlichen Regionalverband vertretenen 360 Volks- und Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr der Zufluss dieser weitgehend unverzinsten Gelder um 8,7% auf über 245 Mrd. Euro.
Bislang, so Rega, würden die Negativzinsen der EZB nur an relativ wenige Kunden weitergegeben. Der Verbandschef beklagt denn auch eine „Schieflage in der öffentlichen Wahrnehmung“. Es werde viel zu sehr über die Weitergabe von Negativzinsen diskutiert, statt über den ausbleibenden Vermögensaufbau für die Altersvorsorge. Um den Minuszinsen zu entkommen, die Banken und Sparer gleichermaßen peinigen, müssten die Anleger statt in zinslose Sichteinlagen endlich verstärkt in Wertpapiere, insbesondere Aktien, investieren. Doch trotz dauerhaft niedriger Zinsen tun sich die Deutschen mit der Aktienanlage noch immer schwer.
Rega verweist zwar darauf, dass im vergangenen Jahr der Kurswert der von den Mitgliedsbanken des Genossenschaftsverbands in den Kunden-Depots verwahrten Wertpapieranlagen um fast 15% auf 55,5 Mrd. Euro gestiegen ist. Ein Gutteil dieses Wertzuwachses dürfte allerdings auf das Konto der 2019 kräftig gestiegenen Börsenkurse gehen. Von der Politik fordert Rega deshalb Steueranreize für die Altersvorsorge. Das dürfte jedoch Wunschdenken bleiben. Steht in Berlin doch vielmehr die Einführung einer Aktiensteuer weit oben auf der Agenda. Regas Vize Siegfried Mehring setzt denn auch eher darauf, dass durch eine Weitergabe von Negativzinsen Anreize für eine Umschichtung von Sichteinlagen in Wertpapiere geschaffen werden.
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