Interview

Wir werden in den nächsten Jahren viel Bewegung sehen

Jan Esser, Produktvorstand bei Allianz Private Krankenversicherung
Jan Esser, Produktvorstand bei Allianz Private Krankenversicherung © Alliaz Deutschland

In der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) herrscht eine Art Goldgräberstimmung. Sogar die Corona-Pandemie ist kein großes Hindernis für den rasch wachsenden aber noch recht jungen bKV-Markt. Die Vorteile sind Unternehmen und der Belegschaft nicht immer bekannt. Darüber sprachen wir mit Allianz-Vorstand Jan Esser.

Durch die Corona-Pandemie und den wirtschaftlichen Abschwung werden viele Unternehmen in die Insolvenz gehen. Die Arbeitslosenzahlen werden steigen. Warum ist aus Ihrer Sicht trotz – oder gerade in – Zeiten von Corona die bKV bei der Allianz Private Krankenversicherung ein stark wachsendes Geschäftsfeld?

Die bKV bleibt aus unserer Sicht ein Wachstumsmarkt, das zeigt auch der Blick auf die vergangenen Monate. Trotz Corona haben wir als Allianz im ersten Halbjahr unsere Neugeschäftsbeiträge um rund 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesteigert. Dabei war schon 2019 ein Rekordjahr. Die Gründe für den Erfolg sind vielfältig. So spielen Gesundheitsthemen in den Betrieben heute eine noch größere Rolle als vor der Pandemie. Hier wächst ein neues Bewusstsein, welchen Mehrwert eine bKV bieten kann. Sie hat für die Firmen neben dem Schutz der Gesundheit den Vorteil, dass sie Mitarbeitern eine sehr hohe Wertschätzung vermittelt – und das langfristig. Eine einmalige Bonus-Zahlung ist schnell vergessen, aber wenn Mitarbeiter regelmäßig eine Vorsorgeuntersuchung oder den Zahnersatz durch den Arbeitgeber finanziert bekommen, bleibt das in Erinnerung. Zudem wird der Fachkräftemangel in Deutschland Arbeitgeber weiter umtreiben. Qualifizierte Fachkräfte zu finden und zu halten ist nach wie vor eine Herausforderung. Und die bKV eignet sich genau zu diesem Zweck als sehr wirkungsvolles, weil von Mitarbeitern stark gefragtes, Personalinstrument. Weiteren Aufwind gibt der bKV darüber hinaus die vorteilhaftere steuerliche Behandlung als Sachlohn. Sie bietet für Arbeitgeber nun ein noch besseres Preis-Leistungsverhältnis und ist so auch in anspruchsvollen Zeiten eher finanzierbar.

Ihren jüngsten Unternehmensangaben zufolge gingen 36,5% des bKV-Wachstums am Markt im ersten Halbjahr an die Allianz. Das ist ein hoher Anteil. Sehen Sie sich als Marktführer?

In der Tat ging bezogen auf die Arbeitgeber mehr als ein Drittel des bKV-Wachstums an die Allianz, bezogen auf die versicherten Mitarbeiter waren es sogar 42%. Das bestätigt uns, dass wir mit unserem bKV-Angebot einen Nerv treffen und im Marktvergleich einen Spitzenplatz einnehmen. Als Allianz wollen wir unseren Anteil noch weiter ausbauen und sehen in dem Geschäftsfeld weiterhin viel Potenzial.

Welche Unternehmensgröße zeigt ein besonders großes Interesse an der bKV und wo ist der Marktzugang besonders schwierig?

Mittelständler und kleinere Firmen waren die ersten, die ihren Mitarbeitern eine bKV angeboten haben. Denn sie sind besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen – und clevere Unternehmer haben hier schnell reagiert: Mit der bKV konnten sie sich unkompliziert einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Inzwischen haben auch große Unternehmen die bKV für sich entdeckt und wir zählen DAX-Mitglieder und Landesgesellschaften internationaler Konzerne zu unseren Kunden. Die bKV hat für sie den Vorteil, dass Mitarbeiter die Angebote individuell nutzen können. Sie sind nicht mehr an den Standort oder an bestimmte Termine gebunden, wenn sie zum Beispiel Vorsorgeuntersuchungen oder Gesundheitskurse wahrnehmen möchten. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen, ist das ein Gewinn.

Was sind die Hauptgründe, wenn sich ein Unternehmen gegen eine bKV entscheidet?

Wir machen kaum die Erfahrung, dass Unternehmen sich gegen eine bKV entscheide. Vielen ist diese Form der Personalzusatzleistung schlichtweg noch nicht bekannt. In Beratungsgesprächen zeigt sich auch, dass Arbeitgeber teils überrascht sind, wie attraktiv eine bKV preislich ist. Im Vergleich zu anderen „Mitarbeiter-Extras“ wie etwa einem Dienstwagen oder Tankgutscheinen ist sie oft günstiger und kommt zudem besser bei Mitarbeitern an. Und aufgrund unseres altersunabhängigen Einheitsbeitrags in jedem Tarif ist sie auch in der Verwaltung unkompliziert.

Die bKV-Produkte auf dem Markt ähneln sich. Welche neuen Inhalte oder auch Serviceleistungen kommen künftig dazu?

Bei den Angeboten werden wir in den nächsten Jahren viel Bewegung sehen. Auf der einen Seite werden neue Ideen von Wettbewerbern aufgegriffen, was auf der anderen Seite wiederum Innovation und Weiterentwicklung befördert, um sich vom Markt abzuheben. Und hiervon profitieren Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter.

Nennen Sie uns ein Beispiel.

Gerade jetzt, in Zeiten der Corona-Pandemie, beobachten wir, dass vor allem Servicethemen an Bedeutung gewinnen – und weiterhin wichtig bleiben werden. Versicherte nehmen beispielsweise unser Angebot „Doc on Call“, eine telefonische Beratung durch Medizinexperten, stark in Anspruch. Sie können so abklären, ob ein Arztbesuch dringlich ist, ohne ein Wartezimmer aufzusuchen.

Und wie helfen Sie dem Vertrieb?

Auch gegenüber Vermittlern und den Arbeitgebern spielt das Thema Service eine immer größere Rolle. Sie wünschen sich zum Beispiel konkrete Hilfe bei der Einführung der bKV im Betrieb oder sind unsicher bei deren steuer- und arbeitsrechtlichen Behandlung. Aus diesem Grund haben wir unser bKV-Team personell verdoppelt: Zehn Experten stehen unseren Firmenkunden und Vermittlern als persönliche Ansprechpartner zur Seite, begleiten auf Wunsch bei Terminen, stellen Materialien bereit und beantworten garantiert alle Fragen.

Sehen Sie Möglichkeiten einer staatlichen Subvention wie etwa mit Zuschüssen oder weiteren steuerlichen Erleichterungen, um die bKV attraktiver zu machen? Was kann die Politik tun?

Das Jahressteuergesetz hat zum 1.Januar die bKV wieder als Sachlohn bestätigt. Diesen Schritt begrüße ich natürlich. Die vorteilhaftere steuerliche Behandlung wird dazu beitragen, die bKV weiter nach vorne zu bringen. Um sie fest als „dritte Säule der Krankenversicherung“ zu etablieren, bedarf es jedoch – analog zur bAV –  mittelfristig einer eigenen Förderung, die nicht mit Gutscheinen und anderen Benefits im Wettbewerb steht. So könnte die bKV etwa auch in der aktuellen Debatte zur finanziellen Absicherung der Menschen bei Pflegebedürftigkeit einen Lösungsansatz bieten. Staatlich gefördert könnte sie als neue Form der kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung die Pflegvorsorge für weite Teile der Bevölkerung auf ein zusätzliches Standbein stellen – bei gleichzeitig überschaubaren Kosten.

Vielen Dank Herr Esser.

Hinweis der Redaktion: Siehe zu diesem Thema auch den Beitrag im PLATOW Brief v. 2.11.2020.