Auszug aus dem PLATOW Special Immobilien Sommer 2021

Was kommt, was bleibt? Der Immobilienmarkt Post-Corona

Auszug aus dem PLATOW Special Immobilien Sommer 2021

Menschen werden reich, indem sie Trends erkennen, Trends folgen und dabei bleiben, während andere noch zögern. Dafür steht der Immobilien-Super- zyklus der vergangenen 15 Jahre. Während der routinierte Beobachter noch fragt „kann das gut gehen?“, machen jüngere die Erfahrung, dass das Vertrauen auf staatliches Schuldenmachen und offene Geldschleusen der Zentralbanken sehr wohl inzwischen auch schon anderthalb Jahrzehnte gut geht. In den kommenden Jahrzehnten werden sich neue Technologien entwickeln, neue Krisen und neue Lösungsansätze kommen, neue Arbeitsmodelle etablieren, neue Völkerwanderungen entstehen und vielleicht auch neue Menschen entwickeln, die in Sozialpunkten ihren Reichtum sehen. Von digitalen Traumwelten, Big Data Politik und Digitalisierungs-Substitution der Arbeitskraft konnten wir mangels Knowhow nicht einmal träumen. Kommt es diesmal vielleicht wirklich anders?

Ist ein Software-Vorsprung von zwei oder vier Jahren der Grund, warum Tesla so teuer ist, wie alle anderen Autohersteller zusammen? An ein paar in dieser Zeit verkauften Autos kann es nicht liegen. Die Wertrelation kann nur stimmen, wenn der Technologievorsprung in einer Schere mündet, die in eine völlig neue Mobilitätswelt führt. Aber mal ehrlich: Elektrofahrräder können alle. Langsame, schlecht verarbeitete Elektroautos auch. Autonome Taxis und vernetzte Mobilität werden nicht an einem Unternehmen hängen. Wenn technologischer Vorsprung uneinholbar wäre, sähe die Welt anders aus. Aber das ist unsere Meinung.

Vielleicht treten wir in ein neues Zeitalter ein. Vielleicht steigen die Preise für Immobilien einfach weiter und wir erleben gerade heute einen Paradigmenwechsel weg von der Erfahrung zur Erwartung. Es stellt sich die Frage, ob wirtschaftliche Veränderungen überhaupt auf die Immobilienwirtschaft durchschlagen, solange die Politik alle Wunden mit Geld bedeckt und fast 80% der Bevölkerung sogar das wirtschaftliche Desaster der Corona-Maßnahmen am Rücken vorbei geht.

Homeoffice ist seit Corona in aller Munde. Auch wenn die aktuelle Entwicklung aus unserer Sicht völ-lig überzeichnet wird, dürften im kommenden Jahrzehnt neue flexible Arbeitsformen Büro- und Wohn-immobilienmärkte beeinflussen. E-Commerce schaltet den Turbo ein, dafür ist die Highstreet jetzt tot. Ob alle Mieter zu alten Konditionen zurück zur Auferstehung kommen, ist sehr zweifelhaft. Neue Innenstadtkonzepte zur Belebung sind sicher wohlmeinend, aber eine Drittelung der erzielbaren Handelsmieten durch alternative, oft soziale Einrichtungen oder Veranstaltungskonzepte führt, auch wenn die Mieten der oberen Etagen für Wohnen oder Büro konstant bleiben, zu einem überproportional hohen Wertrückgang. Schließlich war der Ertragswertanteil des Handels in der Objektbewertung sehr hoch. Gleichzeitig muss durch Veränderung der Risikoklasse der neuen Mietverträge das Risiko in den Multiplikatoren bzw. in den Ankaufsrenditen berücksichtigt werden. Eine Halbierung mancher Highstreet Immobilien ist nicht ausgeschlossen. Das ist eine neue Volatilität, die der deutsche Immo-bilienmarkt in dieser Assetklasse nicht kannte.

Es gilt natürlich auch: Arm werden Menschen dann, wenn sie den Konsolidierungspunkt nicht erkennen. Wer zu früh geht, den bestraft das Leben, wer zu spät geht, den auch. Wer in den vergangenen fünf Jahren mit Immobilieninvestitionen gezögert hätte, dem ist der stärkste Hype entgangen. Wer allerdings in den vergangenen fünf Jahren Projektentwicklungen z. B. in Hotels, Shopping, Highstreet und vielleicht auch Büros angestoßen hat, die derzeit in nicht mehr revidierbarer Phase sind, kämpft jetzt mit Bewertern, Banken, Aktienkursen, Covenants und Image

Bricht Corona die perfekte Welle?

PLATOW zitiert gerne Dekabank-Vorstand Matthias Danne auf einem Immobiliensymposium im September 2018: „Die nächste Krise wird sicher kommen. Aber ich verspreche Ihnen, den Auslöser dafür kennen wir heute noch nicht.“ Corona hatte als schwarzen Schwan niemand auf dem Plan. Und jetzt? Die EZB hält jede Menge Pressluft bereit, um die Blase zu stabilisieren. Solange Geld nichts kostet, kann man es ausgeben, schließt daraus die Politik. Solange die Zinsen unten bleiben, bleibt die Immobilie eine attraktive Kapitalanlage, schließt die Immobilienwirtschaft.

Zwei Corona-Jahre werden nicht die Zusammenhänge der Immobilienwirtschaft verändern. Bei niedrigen Zinsen bleiben gut vermietete Immobilien eine interessante Anlagealternative, Büros gesucht. Sogar Wohnen wird den Entwicklern von professionellen Anlegern aufgrund der erwarteten Mietstabilität aus den Händen gerissen. Alte Bestände finden zu Irrsinnspreisen Inves-toren, die manchmal den Eindruck machen, die Käufer hätten noch nie Bestände verwaltet und seien auf dem Asset-Management-Auge blind. Der Blick auf die Kostenstruktur der großen Aktiengesellschaften, die sich mit gestreuten Beständen im kleinen Tausenderbereich und ohne eigene Handwerkertrupps kaum rechnen lässt, wird von Excel geflissentlich übersehen. Bei Nullzinsen ist der Wert der Investition bzw. einer als sicher angenommen Einzahlungsreihe unendlich und wird nur über die Technik und den Lebenszyklus begrenzt. Über steigende Zinsen spricht kaum jemand.

Wenn sich Nutzermärkte und Investmentmärkte bei jeweils knappem Angebot annähernd parallel entwickeln, würde der Surfer von der perfekten Welle sprechen. Zweistellige Total Returns aus Mietrendite und Wertänderungsrendite zeugen davon. Die Modellrechnungen der Wertermittlung beziehen sich auf die Kapitalwerte immer neuer Immobilien. Der Eigentümer erhält im Total Return bei Neuabschluss eine höhere Miete. Gleichzeitig multipliziert sich die erhöhte Marktmiete bei der Wertberechnung mit einem erhöhten Multiplikator.

Aus 5% Markt-Mietpreissteigerungen und 15 Basispunkten Renditekompression von 3% auf 2,85%, wie sich das im Immobiliensprech wohl anhören würde, ergeben sich dann 11% Wertänderungsrendite auf dem Bewerter-Taschenrechner. Dazu kommen dann noch die knapp 3% Mietrendite und schon blickt die Immobilienwirtschaft auf einen Total Return von 14%. Seit über zehn Jahren rechnen sich die Milchmädchen so reich. Aber der Fairness halber sei angemerkt, dass sich dies in manchen Immobilien beim Durchhandeln oder beim Neubau-Kaufpreis auch tatsächlich so eingestellt hat. Wir fragen uns nur, wo diese Renditen in den großen Portfolien abgeblieben sind, die nach wie vor eher 2% bis 4% für den Anleger erzielen.

Die perfekte Welle hält seit 15 Jahren, als bei Büros die Leerstände des Zusammenbruchs der Interneteuphorie verschwanden und die Ankaufsrenditen weiter fielen bzw. die Multiplikatoren stiegen. Bei Wohnen drehte sich der Bevölkerungstrend, die Rückkehr in urbane Großräume entwickelte sich. Metropolenmieten explodierten. Sozial-immobilien und Pflegeimmobilien profitierten von der „überraschenden“ demografischen Entwicklung. Konjunkturelle Prosperität und gute Reallohnentwicklung stärkten den Einzelhandel und ließen gefühlt das sich rasant entwickelnde E-Commerce in der Nische bzw. im Wachstum der Konsumausgaben verschwinden. Highstreet-Immobilien entwickelten sich zu Anlagediamanten.

Die Immobilienwirtschaft läuft erfahrungsgemäß der Konjunktur hinterher. Bislang ist im statistischen Zahlenwerk der Branche Corona nur als technische Reaktion festzustellen. Langlaufende Mietverträge flachen die Veränderungen der Nachfrage bei Immobilien ab. Je nach Standort, Größe und Assetklasse findet die Preisentwicklung bei Mieten und Kaufpreisen in polypolistischen oder oligopolistischen Märkten jeweils unterschiedlicher Transparenz statt. Das hat Konsequenzen für die Preisbildung. Während es zur Immobiliennutzung keine Alternativen außerhalb des Immobiliensektors gibt, steht die Immobilie als Investment immer im Wettbewerb mit Alternativanlagen sowohl in der Assetklasse als auch in weltweiten Zyklen.

Gleichzeitig ist niemand sicher, in welchen Assetklassen die Konsolidierung oder Wende erreicht ist. Tenor ist bisher, die Immobilie sei resistent gegen Corona. Ausnahmen bei Hotel und Handel, die schnell wiederkehren würden, seien lediglich Bestätigung der Regel. Diese Aussagen sind aber gefährlich. Der Nutzer macht die Musik. Unbestritten ist unser Credo seit 25 Jahren: Eine Immobilie ohne Nutzer ist eine Ruine. Die neuen Bundesländer belegten das ebenso wie der Einbruch der westdeutschen Gewerbemieten nach 1993.

Das Katastrophenjahr 2020 ist wahrscheinlich weder in positiver noch in negativer Hinsicht aussagefähig. Aus den Einbrüchen des Jahres mit internationalen Reiseeinschränkungen, Unsicherheit, Homeoffice und generellen Rotstiftüberlegungen auf die Zukunft zu schließen, ist wenig sinnvoll. Ebenso unsinnig ist es, aus einem Zahlenwerk mit (noch) unveränderter Arbeitslosigkeit, Rückkehrwunsch ins Office aufgrund unzureichender Wohnverhältnisse, pauschalen Megatrend-Aussagen, Nachfrageüberhängen alter Verhandlungen und den „sowieso“ laufenden Basisaktivitäten einer insgesamt funktionierenden Volkswirtschaft an eine unverändert positive Zukunft zu glauben.

 

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