PLATOW Special Altersvorsorge 2022

Riester – „Den Stecker zu ziehen war nicht einfach“ Es gibt Alternativen

Riester – „Den Stecker zu ziehen war nicht einfach“  Es gibt Alternativen
Riester – „Den Stecker zu ziehen war nicht einfach“ Es gibt Alternativen © AdobeStock Pop Sujinun

Auszug aus dem PLATOW Special Altersvorsorge 2022

Seit Jahren fehlt es der Politik an Durchschlagskraft bei der Riester-Reform. Nun rückt die längst fällige Reform in noch weitere Ferne. Warum Riester für die DWS nun Geschichte ist und wie sie künftig punkten will, darüber sprachen wir mit Sebastian Mentel, Leiter Private Vorsorge und Vermögensaufbau bei der DWS.

PLATOW: Mal ehrlich, hätten Sie im Sommer 2020 gedacht, dass sich die DWS aus dem Riester-Neugeschäft komplett verabschiedet?

Mentel: Dies war in der Tat schon vor einem Jahr eine ernsthafte Option für uns. Ein Basisszenario war es aber nicht. Wir haben schon in den vergangenen Jahren immer wieder darüber diskutiert und im Vertrieb gute Argumente gefunden, warum wir damit noch warten sollten. Im Sommer des vergangenen Jahres gab es bei Riester auch noch einen Hoffnungsschimmer mit Blick auf den Koalitionsvertrag und die Vorschläge der Rentenkommission. Die Wahrscheinlichkeit auszusteigen lag damals bei 10 bis 20% bei uns. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Was war letzt ausschlaggebend für diesen Schritt?

Zwei Dinge sind aus meiner Sicht entscheidend. Zum einen die Bruttobeitragsgarantie, die im Gesetz steht. Und das Niedrigzinsniveau. Allein diese Kombination reicht aus, um sich als Anbieter ernsthaft Gedanken zu machen, ob das fürs Neugeschäft ausreicht. Der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, war die Untätigkeit der Bundesregierung, eine Gesetzesreform bei Riester noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Als im Frühjahr klar war, dass schon rein technisch eine solche Reform nicht möglich ist, haben wir uns sehr intensiv mit dem Exit-Szenario aus dem Neugeschäft beschäftigt. Einfach war die Entscheidung der Geschäftsführung den Stecker zu ziehen nicht, schließlich haben wir in Deutschland einen Marktanteil im Riester-Neugeschäft von 10%, knapp 700 000 Verträge und 8,5 Mrd. Euro an Assets.

Wie kam die Entscheidung im Vertrieb an bzw. wie haben Sie diese verkauft?

Wir haben in der Tat durchgespielt, welche Wellen das in den unterschiedlichen Lagern schlagen könnte. Wir wollten niemanden vor den Kopf stoßen. Auch in der Politik gab es viele Weggefährten, die das Ganze mit uns und für die Bürger realisiert hätten. Wir haben für unsere Entscheidung einen stringenten Kommunikationsplan aufgesetzt, relevante Interessengruppen vorab eingebunden, gewisse politische Akteure informiert und natürlich auch wichtige Kunden. Und jetzt kam die Überraschung. Die Kunden waren verständnisvoll. Es gab teilweise auch Verwunderung, wieso wir nicht früher mit der Entscheidung gekommen sind. Allen da draußen ist klar, wenn keine Zinsen da sind, also sichere Renditen, dann funktionieren Garantiemodelle nicht. Dieses Verständnis auf Kundenseite war schon zu sehen. Und das bei Kunden, denen wir ein Produkt aus dem Neugeschäft nehmen.

Wie viele Riester-Verträge hat die DWS derzeit und was passiert mit ihnen?

Wie gesagt, es sind gut 700 000 Verträge aktuell im Bestand. Erst mal ändert sich da nichts. Wir haben nicht vor, Verträge zu kündigen, das können wir gesetzlich auch nicht. Wir verwalten den Bestand jetzt in gewohnter Qualität weiter. Aber wir gehen schon davon aus, dass die Storni, also Anbieterwechsel, Kündigungen oder Beitragsfreistellungen, spürbar zunehmen dürften. Jetzt bilden sich Kunden ihre Meinung und ziehen mögliche Konsequenzen. Ich etwa habe meinen Riester-Vertrag beitragsfrei gestellt.

Kommen wir zu den garantiefreien Alternativen in der Altersvorsorge, der Basis-Rente etwa. Bei welchen Zielgruppen sehen Sie das größte Potenzial?

Es gibt eine ganze Reihe. Viele davon sind nicht so präsent im Markt. Im Hinblick auf das Potenzial tue ich mich tatsächlich auch etwas schwer. Wir sprechen am Ende von Menschen mit einem Altersvorsorgebedürfnis, die wir nicht kennen, sondern letztendlich nur der Berater draußen. Fakt ist, es gibt noch sehr viele Menschen, die großen Bedarf an zusätzlicher Altersvorsorge haben. Die Selbstständigen sind in jedem Falle eine solch wichtige Zielgruppe. Aber die dürften in Corona-Zeiten vorerst andere Sorgen haben. Eine ebenfalls wichtige aber oftmals vernachlässigte Gruppe sind die Ehepartner, die sich um die Kinder kümmern und in der Regel weniger verdienen.

Was spricht bei der Basis-Rente gegen eine Versicherungslösung?

Es kommt immer auf den ausgestalteten Versicherungsvertrag an. Ein wichtiger Fakt ist jedoch die erneute und deutliche Absenkung des Höchstrechnungszinses zum Jahreswechsel 2021/22 von 0,9 auf 0,25%. In der Vergangenheit gab es immer ein Totschlagargument der Assekruanz gegen die fondsbasierten Basis-Renten, dass wir zum Abschlusszeitpunkt keinen Garantiezins anbieten und entsprechend keine Rentenfaktoren garantieren konnten. Ab Januar verfängt dieses Argument nicht mehr, denn die Rentenfaktoren in der Versicherungswirtschaft werden neu kalkuliert und sind nicht mehr so attraktiv wie in der Vergangenheit.

Die DWS-Fondspalette wurde in diesem Jahr um zahlreiche Fonds mit ESG-Fokus erweitert. Wie stark ist die Nachfrage nach diesen Fonds mit Blick auf die reine Altersvorsorge derzeit wirklich?

Wir haben zum Jahreswechsel 2020/21 die Produktpa­lette in unserer DWS BasisRente Komfort fast verdoppelt. Es kamen fast ausschließlich ESG-Fonds dazu. Nicht weil wir uns es gewünscht haben, es ist vielmehr ein ausdrücklicher Wunsch unserer Berater und Kunden mehr in diese Richtung anzubieten. Das ist ein übergreifendes Thema in sämtlichen Vertriebskanälen und Anbietergruppen. Natürlich gibt es derzeit auch regulatorischen Rückenwind um das Ganze auszubauen.

Wie offensiv behandeln Sie das Thema ESG im Vertrieb bzw. wie bereiten Sie diesen darauf vor?

Es gibt intern sowie extern keine Gespräche mehr, wo ESG kein Thema ist. Wir schreiben Artikel, es gibt White-Paper dazu und vertriebliche Unterlagen werden aufbereitet.

Kommen wir zum Schluss zum Anfangsthema zurück. Ist Riester-Sparen tot bzw. welche Rolle wird es künftig überhaupt noch spielen?

Das Riester-Sparkonzept ist schwer angeschlagen und taumelt am Abgrund. Es gibt eine Restchance, wenn die neue Regierung zeitnah Signale sendet, dass es weitergeht. Kommt das Signal nicht, werden viele Versicherer ebenfalls die Reißleine ziehen und aus dem Neugeschäft aussteigen, weil es ökonomisch keinen Sinn mehr ergibt 100%-Garantieprodukte anzubieten.

 

Autor:

Sebastian Mentel

arbeitet seit 2011 für die DWS. Berufliche Stationen waren New York, Luxemburg und Frankfurt. Zunächst startete er als Trainee, war anschließend als Assistent der Geschäftsführung tätig und koordinierte ab 2013 im COO-Office strategische Transformationsprozesse. Im Jahr 2015 wechselte
Mentel in den Vertrieb. Der studierte Betriebswirt hält einen B.Sc. der Frankfurt School und einen MBA (magna cum laude) der Tel Aviv University.

 

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