Fack Ju Göhte – Neue Liberalität im Markenrecht
Anstößig, geschmacklos, schockierend für EU-Bürger und eine posthume Beleidigung Johann Wolfgang von Goethes – so argumentierte das Europäische Markenamt, als es 2015 dem Filmtitel „Fack Ju Göhte“ die Eintragung als Unionsmarke verwehrte. Dieser Linie folgte zwar auch noch im vergan-genen Jahr das Europäische Gericht (EuG), doch nun scheint sich das Blatt zu wenden.
Michal Bobek, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), sieht in seinen Schlussanträgen vom 2.7.19 keinen Nachweis für einen beleidigenden oder vulgären Charakter der Marke und schlägt vor, die vorangegangenen Entscheidungen aufzuheben. „Nach Ansicht des Generalanwalts darf der Titel nicht isoliert von seiner gesellschaftlichen Wahrnehmung und seinem Kontext beurteilt werden“, sagt Susan Kempe-Müller, Markenrechtlerin bei der Kanzlei Hengeler Mueller in Frankfurt. Dabei stützt sich der Generalanwalt auch auf die ordnungsgemäße Genehmigung des Filmtitels, die Freigabe des Films für Jugendliche sowie dessen Einbeziehung in das Lernprogramm des Goethe-Instituts. Davon gehe eine starke Indizwirkung für die soziale Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf die guten Sitten aus. „Der Generalanwalt hat die Meinungsfreiheit im Markenrecht stärker betont, ‚Fack Ju Göhte‘ war erkennbar witzig gemeint“, so die Markenrechtlerin.
Liberalere Haltung zu beobachten
Eine ähnliche Stärkung der Meinungsfreiheit könne man laut Kempe-Müller bereits in den USA beobachten, wo kürzlich der Supreme Court selbst in herabwürdigenden Begriffen kein Hindernis für eine Markeneintragung gesehen hat. Folgt der EuGH dem Generalanwalt, wird für Markenanmelder zukünftig eine größere Vielfalt an Markennamen zur Verfügung stehen. „Bei einer liberaleren Eintragungspraxis werden dann weniger die Markenämter, sondern eher die Abnehmer darüber entscheiden, ob sich solche vermeintlich anstößigen Waren- und Dienstleistungsbezeichnungen im europäischen Markt durchsetzen können“, vermutet Kempe-Müller. Das deutsche Patent- und Markenamt und die deutschen Gerichte waren bereits in den vergangenen Jahren großzügiger und haben beispielsweise „Fucking hell“ für Getränke erlaubt.
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