BGH-Urteil befeuert Debatte um sozialen Wohnungsbau
Die Wohnungsversorgung wirtschaftlich benachteiligter Haushalte wird maßgeblich vom Angebot an preiswertem Wohnraum beeinflusst. „Gerade der Wohnungsmarkt für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen unterliegt allerdings in mehrfacher Hinsicht seit einigen Jahren einem starken Wandlungsprozess“, beobachtet Andreas Griebel, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht bei Rödl & Partner.
„Charakteristisch für diese Veränderungen sind einerseits die zunehmende Privatisierung öffentlicher Wohnungsunternehmen und andererseits der Wegfall der Bindungen bei öffentlich geförderten Wohnungen als Folge der Rückzahlung öffentlicher Mittel.“ Aktuelle Schätzungen – konkrete Zahlen liegen nicht vor – gehen davon aus, dass derzeit nur noch 1,1 Mio. Sozialwohnungen übrig geblieben sind. Bis 2020 fallen durchschnittlich 40 000 Wohnungen aus dieser Bindung heraus. „Damit wird sich die Situation an den ohnehin angespannten Wohnungsmärkten erheblich verschärfen“, vermutet Griebel.
Diese Diskussion befeuert der Bundesgerichtshof nun mit seinem Urteil vom 9.2.19 (BGH; Az.: V ZR 176/17). Um den sozialen Wohnungsbau zu fördern, hatte eine Gemeinde ihre Grundstücke unter Marktwert verkauft und zur Finanzierung des Bauprojekts zinsgünstige Darlehen gewährt. Als Gegenleistung hatte sich die Wohnungsbaugesellschaft zu einer unbefristeten Sozialbindung verpflichtet. Für solche Fälle sieht das Wohnungsbaugesetz vor, dass die Dauer der Zweckbestimmung mehr als 15 Jahre „betragen kann“. In der genannten Passage steht, dass eine längere Belegungsdauer möglich sei, sofern Bauland bereitgestellt wird oder bestimmte Zielgruppen gefördert werden sollen. Die Wohnungsbaugesellschaft hatte die Zulässigkeit einer solchen unbefristeten Vereinbarung angezweifelt, weil „[…] ein unbefristetes Belegrecht ein ewiger ökonomischer Nachteil ist […]“. Der BGH hat dies im konkreten Fall bejaht und festgestellt, dass die Bindungsdauer jedenfalls nicht unbefristet sein kann. Die Begründung liegt auch in der Eigentumsgarantie unserer Verfassung. Die Parteien des Prozesses müssen nun herausfinden, was sie vereinbart hätten, hätten sie dies bei der Vereinbarung damals bedacht.
„Sofern die Gemeinden weiterhin Interesse daran haben, wirtschaftlich benachteiligte Haushalte bei der Wohnungssuche zu unterstützen, ist ihnen zu empfehlen, entweder selbst als Bauherr aufzutreten oder die Grundstücke per Erbpacht oder anderweitig schuldrechtlich zu überlassen“, so Fachanwalt Griebel weiter. „Nur so kann die Gemeinde ihrer Fürsorgepflicht auf längere Zeit als 15 Jahre nachkommen.“
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