Mandat

Herausforderung „Regulatorisches Monitoring“

Jan Welle
Jan Welle © Legal Horizon

_ Die Globalisierung und Digitalisierung sind toxisch für die Unternehmens-Compliance. Beide führen nicht nur zu komplexeren Lebenssachverhalten, die sich in einer immer höheren Regulierungsdichte spiegeln. Die Digitalisierung führt auch zu einer erheblichen Beschleunigung der jeweiligen Geschäfts- und Gesetzgebungsprozesse. Wie sich Unternehmen aufstellen sollten, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, erläutert Jan Welle, Vorstand bei Legal Horizon, einem Technologieunternehmen, in dem Juristen und IT-Entwickler eine Künstliche Intelligenz entwickelt haben, um das Regulatory Monitoring zu optimieren.

Manuell ist es heute faktisch kaum mehr möglich, die Rechts-entwicklung in jedem Land, in dem die Unternehmen aktiv sind, in angemessenem Umfang nachzuverfolgen. An der Stelle kann durchaus die Relativitätstheorie von Albert Einstein herangezogen werden: Masse x Geschwindigkeit2 = Energie bzw. Arbeitsaufwand. Hinzu kommt, dass auch der Gesetzgeber zunehmend Regelungen ad hoc und in großer Menge erlässt. Sei es durch gesellschaftliche Entwicklungen, wie beispielsweise „Fridays for Future“ im vergangenen Jahr und die damit verbundenen Klimaschutzregulierungen, oder externe Entwicklungen, wie z. B. die Corona-Pandemie in diesem Jahr, die eine enorme Daten- und Regulierungsflut zur Folge hatten. So gab es seit März diesen Jahres rd. 4 000 COVID-19-bezogene Regulierungen allein in Deutschland, Spanien, Frankreich und Polen. Diese enorme Menge verdeutlicht gut die Herausforderung, vor der Unternehmen stehen.

Künstliche Intelligenz – Helfer mit Schwachstellen

Die Nichtbeachtung lokaler Normen ist dabei kein Pappenstiel. Global gibt es einen Trend, dass Bußgelder an (globale) Unternehmensumsätze gekoppelt werden, die im einstelligen Prozentbereich liegen. Schon ein Verstoß in einem Land kann somit das Unternehmen in die roten Zahlen treiben. Ganz zu schweigen von strafrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen oder die Versagung von Betriebserlaubnissen.

Es stellt sich daher die Frage, wie das Problem wirtschaftlich sinnvoll gelöst werden kann. Ansatzpunkte müssen an verschiedenen Stellen gesucht werden; dem Rechtsmonitoring in den verschiedenen Ländern, der Ableitung konkreter Maßnahmen, aber auch wie der Ist-Stand des Unternehmens zeitnah und zutreffend erfasst werden kann. Gemeinsam ist allen drei Punkten, dass Künstliche Intelligenz (KI) zwingend notwendig sein wird, um die Komplexität zu beherrschen, die an anderer Stelle durch die Digitalisierung geschaffen wird.

Aber auch technologische Lösungen haben ihre Tücken.Regelbasierte Systeme sind auf Grund ihrer starren Definition der Suchparameter nicht in der Lage sicherzustellen, dass auch zukünftig alle relevanten Regularien gefunden werden. Hierzu müssten die Suchparameter permanent auf die Aktualität der verwendeten Suchbegriffe überprüft werden. Und das in jeder Sprache der Länder, in denen das Unternehmen aktiv ist. Jeder, der einmal mit dem Thema eDiscovery Berührung hatte, kann den Aufwand erahnen, der daraus resultiert. Er ist kaum geringer als die permanente und kontinuierliche manuelle Suche nach regulatorischen Entwicklungen.

KI-basierte Systeme wiederum bieten eine höhere Flexibilität und bessere Suchergebnisse bei geringerem Aufwand. Aber hier kann gerade die Flexibilität zum „Pferdefuß“ werden. Wesentliches Merkmal von KI-Technologien ist, dass sie keine konkreten Ergebnisse liefern, sondern Tendenzen, die mit einer gewissen Unschärfe verbunden sind. So wird auf absehbare Zeit keine KI das „eine“ regulatorische Dokument als Ergebnis liefern, dass in der konkreten Situation für den Nutzer relevant ist. Sie wird höchstens ein Dokument liefern, das sehr wahrscheinlich relevant ist. Realistisch wird sie eine Reihe von Dokumenten liefern, die potenziell relevant sind. Hier ist aber zu beachten, dass Daten erst dann zu Informationen werden, wenn sie in einen konkreten Kontext gesetzt werden. Aber gerade den konkreten Kontext, in dem der User ein Dokument bewertet, kann eine Maschine nicht umfassend erfassen bzw. kennt die Maschine nicht in der erforderlichen Detailtiefe.

Daher muss der Scope, welche Dokumente wahrscheinlich relevant sind, geweitet werden. Und genau hier liegt die Problematik. Macht man den Scope zu eng, werden möglicherweise relevante regulatorische Dokumente dem Nutzer nicht mehr präsentiert. Macht man ihn zu weit, wird der Nutzer sehr schnell von der Dokumentenflut „erschlagen“, so dass der Mehrwert, den das System liefern soll, zunichte gemacht wird.

Nicht zuletzt müssen auf Künstlicher Intelligenz basierende Systeme angelernt werden. Zu achten ist dabei vor allem auf eine qualitativ hochwertige Datenmenge, die zum Anlernen verwendet wurde oder wird. Gerade an dieser Stelle lohnt sich ein Mehraufwand, da er sich durch bessere Ergebnisse im Regelbetrieb meist sehr schnell amortisiert.

Zusammenspiel von Mensch und Maschine

Unserer Erfahrung nach liegt zum aktuellem Stand der Technik eine optimale Lösung im Dreiklang aus Unternehmen, Technologieanbieter und juristischem Berater. Auf Basis von Künstlicher Intelligenz wird eine Vorfilterung der neuen regulatorischen Daten vorgenommen, die jedoch durch die juristischen Berater gemeinsam mit dem Unternehmen validiert, eingewertet und das System in einer Feedbackschleife kontinuierlich auf die konkreten Anwendungsfälle des Unternehmens angelernt werden.

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