Kündigung per E-Mail – Digitale Schriftform

Die physische Schriftform ist schon in vielen Bereichen der Kommunikation überholt. Allerdings fordern viele Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen für Erklärungen von Kunden immer noch die Schriftform – oder genauer: eine unterzeichnete Erklärung in Papierform. In Zukunft reicht aber auch eine digitale Botschaft. Unternehmen müssen Verträge und Geschäftsbedingungen jetzt anpassen, erklärt Jens Nebel, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei Kümmerlein in Essen. Unternehmer, die die Gesetzesänderung ignorieren, riskieren Unterlassungsklagen und teure Abmahnungen.

Seit Neuestem dürfen Unternehmen gegenüber ihren Kunden nicht mehr auf die Schriftform pochen. Das hat der Bundestag im Dezember 2015 weitgehend unbemerkt beschlossen. Die vertragsrechtliche Änderung war im „Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts““ aber auch gut versteckt. In Zukunft können Erklärungen von Kunden auch digital erfolgen. Die wohl wichtigste Folge besteht darin, dass Kunden dann per E-Mail Verträge kündigen dürfen. Grundsätzlich können aber auch andere digitale Kommunikationsformen die herkömmliche Schriftform ersetzen. Anforderung des Gesetzgebers bleibt lediglich die sogenannte Textform. Sie schließt vom Fax über die SMS bis hin zu WhatsApp- oder Facebooknachrichten alle denkbaren und getexteten Kommunikationsformen mit ein. Voraussetzung, ist lediglich, dass das Unternehmen dem Kunden den jeweiligen Kommunikationskanal zuvor eröffnet hat. Zumindest bei der E-Mail ist das jedoch bei fast jedem Unternehmen der Fall.

Das neue Vertragsrecht beschränkt sich dabei nicht nur auf Handyverträge und Zeitungsabonnements. Kundenverträge aller Art, vom Leasing- bis zum Mietvertrag, sind betroffen. Auch für Änderungen an Finanzprodukten wie Konten, Kreditkarten oder Sparbriefen genügt jetzt ein digitaler Text vom Kunden. Noch unklar ist, wie sich die Änderung auf die SEPA-Regeln zur Autorisierung von Zahlungsvorgängen auswirkt – richtigerweise wird man wohl im Sinne der Sicherheit des Zahlungsverkehrs Kreditinstituten weiterhin erlauben müssen, etwa für Überweisungsaufträge mindestens ein Telefax zu verlangen.

Grundsätzlich bezieht sich die Neuregelung nur auf die Verbraucherseite. Business-to-Business-Verträge dürfen weiterhin die Schriftform verlangen. Ebenso bleiben auch Arbeitsverträge sowie Angelegenheiten, die eine notarielle Beglaubigung verlangen (z. B. Immobiliengeschäfte), von dem Gesetz unberührt. Ganz wichtig: Die Regelung gilt für alle einseitigen Erklärungen. Neben Kündigungen fallen darunter Mahnungen, Fristsetzungen, Mängelrügen und der Rücktritt von einem Vertrag. Nicht betroffen ist der Vertragsschluss als solcher. Hier kann grundsätzlich weiterhin die Schriftform verlangt werden.

Gefahren

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen Unternehmen die Schriftformklauseln streichen oder anpassen. Anderenfalls verstoßen sie gegen das Wettbewerbsrecht. Konkurrierende Wettbewerber sowie Verbraucherschützer könnten Unternehmen mit fehlerhaften Geschäftsbedingungen oder Neuverträgen dann auf Unterlassung verklagen. Auch besteht die Gefahr, dass findige Abmahner aus dem neuen Gesetz ein Geschäftsmodell machen. Das wäre bei weitem nicht die erste Abmahnwelle, die deutsche Unternehmen trifft. Eine vergleichbare Regelung stellte die Impressumspflicht für Webseiten dar – auch hier haben Abmahner Unternehmen ins Visier genommen, die ihre Internetpräsenz nicht schnell genug auf den neuesten Stand gebracht haben. Dass sich dieses Phänomen auch im Zusammenhang mit fehlerhaften Schriftformklauseln wiederholt, ist wahrscheinlich. Dabei können schon durch ein einzelnes Abmahnschreiben schnell Kosten von 750 Euro oder mehr entstehen. Zumindest ein kleiner Trost für Unternehmen: Altverträge müssen nicht angepasst werden.

Den besten und einzigen Schutz vor der rechtlichen Handhabe Dritter besteht für Unternehmer in der gewissenhaften Überprüfung und Anpassung der bei Neuverträgen einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das Gesetz ist vom Bundestag verabschiedet und muss nicht vom Bundesrat bestätigt werden. Mit der Verkündung ist täglich zu rechnen, und wenn es soweit ist, wird es keine Übergangsfrist geben. Für Unternehmen gilt es jetzt also, alle erforderlichen Anpassungen vorsorglich vorzunehmen um keine unnötigen Kosten zu riskieren.

Praxistipp

Wie muss die Umsetzung in der Praxis aussehen? Um die eigenen AGB durch zu scannen, empfiehlt sich eine automatische Suche nach dem Wortbestandteil ‚schrift‘. Alle Klauseln, die für Erklärungen oder Handlungen des Verbrauchers die Schriftform fordern, sollten auf den Begriff Textform umgestellt werden. Eine typische Klausel zur Kündigung könnte dann wie folgt lauten: „Jede Kündigungserklärung bedarf der Textform.““ Mindestens genauso wichtig wie die formale Umstellung der Vertragsdokumente ist aber die Sensibilisierung der eigenen Mitarbeiter. Denn werden nicht alle Kommunikationskanäle entsprechend überwacht, drohen Kündigungen und andere vertragswesentliche Erklärungen von Kunden unterzugehen. Vom Social-Media-Team über den Kundenservice bis zur IT müssen Prozesse definiert werden, wie Erklärungen der Kunden über die verschiedenen Kanäle zu demjenigen gelangen, der sie im Unternehmen zügig bearbeiten muss.

 

 

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