UWG – Neues scharfes Schwert für den Datenschutz?
Können Unternehmen Datenschutzrechtsverletzungen ihrer Wettbewerber mit Hilfe des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) angreifen oder stehen nur die Rechtsbehelfe zur Verfügung, die in der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ausdrücklich genannt sind? Der EuGH könnte in einem Vorabentscheidungsverfahren bald ein weiteres scharfes Schwert für den Datenschutz schmieden. Die Hintergründe erläutern Susan Kempe-Müller, Counsel bei Hengeler Mueller, und Rechtsreferendarin Pia Sösemann.
Seit dem 25.5.18 gilt in der EU die Datenschutz-Grundverordnung, kurz: DS-GVO. Bislang ist die befürchtete Abmahnwelle bei Datenschutzverstößen ausgeblieben – auch weil kontrovers diskutiert wird, ob Wettbewerber ihre Konkurrenten wegen Datenschutzverstößen überhaupt abmahnen bzw. verklagen dürfen. Wären Datenschutzverstöße mit Hilfe von § 3a UWG und den damit verbundenen einstweiligen Rechtsschutzmitteln verfolgbar, stünde Wettbewerbern in Deutschland ein außerordentlich schlagkräftiges Instrument zur Durchsetzung der DS-GVO zur Verfügung.
Wesentliche Impulse sind nun vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu erwarten. Hintergrund ist ein Verfahren der Verbraucherzentrale NRW gegen die Fashion ID GmbH wegen Einbindung eines Facebook-„Gefällt mir“-Buttons. Das OLG Düsseldorf hat den europäischen Richtern die Frage zur Vorab-entscheidung vorgelegt, ob die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG (DS-RL) die Klagebefugnis der Verbraucherzentrale ausschließt (Az. I-20 U 40/16). Zwar ist die DS-RL zwischenzeitlich von der DS-GVO abgelöst worden. Im Kern geht es jedoch um die auch heute noch relevante Frage, ob bei Datenschutzverletzungen weitere Rechtsschutzmöglichkeiten offen stehen.
Das steht in der Datenschutzgrundverordnung
Die DS-GVO stellt betroffenen Personen ein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde und einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Behördenentscheidung zur Verfügung. Die betroffenen Personen können außerdem gegen den Datenschutzrechtsverletzer vorgehen. Dabei können sich die Betroffenen von bestimmten Verbänden vertreten lassen, z. B. einem Verbraucherschutzverband. Darüber hinaus sieht die Öffnungsklausel des Art. 80 II DS-GVO vor, dass der nationale Gesetzgeber Regelungen schaffen kann, die es Verbänden auch unabhängig von der Beauftragung eines Betroffenen ermöglichen, gerichtlich tätig zu werden. Rechtsbehelfe für Mitbewerber sind jedoch in der DS-GVO nicht explizit vorgesehen.
Argumente der Gegner und Befürworter
Mit Blick auf den Wortlaut der DS-GVO argumentieren die Abmahnungsgegner, dass die dort enthaltenen Regelungen abschließend seien und das UWG nicht anwendbar sei. Die Durchsetzung des Datenschutzrechts sei vor allem Aufgabe der Aufsichtsbehörden und der Schutzzweck der DS-GVO vorrangig auf den Grundrechtsschutz natürlicher Personen gerichtet. Die teils marktregelnden Auswirkungen seien zwar Folge, aber nicht Zweck der Verordnung. Solch eine lediglich reflexartige Auswirkung rechtfertigte eine Anwendung des § 3a UWG nicht. Dem folgten auch die Landgerichte Bochum (Az. I-12 O 85/18) und Wiesbaden (Az. 5 O 214/18).
Die Abmahnungsbefürworter (u. a. OLG Hamburg, Az. 3 U 66/17) halten die DS-GVO dagegen nicht für abschließend. Sie bezwecke nicht nur Grundrechtsschutz, sondern habe auch marktregulierende und wettbewerbsrechtliche Ziele, wie z. B. die Datenportabilität und Festlegung des Marktortprinzips. Einige Vorschriften seien deshalb Marktverhaltensregeln. Dass Mitbewerber nicht als Berechtigte in Art. 80 II DS-GVO genannt werden, schließe die Anwendbarkeit des UWG nicht aus, da diese Vorschrift nur die Verbandsklage regle. Zudem erlaubten die Art. 77 bis 84 DS-GVO neben den dort normierten Vorgehensweisen auch „anderweitige“ Rechtsbehelfe und damit auch die Rechtsbehelfe des UWG.
Vorabentscheidungsverfahren des EuGH
Die Vorabentscheidung des EuGH wird neues Licht auf diesen Streit werfen. Im Zentrum des aktuellen Verfahrens steht die Frage, ob die DS-RL Sperrwirkung gegenüber anderen Vorschriften hat. In seinen Schlussanträgen vom 19.12.18 hat der Generalanwalt am EuGH, Michael Bobek, dies verneint und sich für eine Klagebefugnis der Verbraucherzentrale ausgesprochen. Die zusätzliche Klagemöglichkeit stärke die Rechte der Betroffenen. Bobek sieht keinen Anlass für die Befürchtung, die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden könnte durch zusätzliche Klagemöglichkeiten Schaden nehmen.
Der deutsche Gesetzgeber erwägt inzwischen, Unternehmen zu schützen und Abmahnungen von geringfügigen Verstößen einzudämmen. Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, dass der Abgemahnte in solchen Fällen die anwaltlichen Abmahnkosten nicht erstatten muss. Damit soll der Anreiz für Abmahnungen genommen werden, die vorrangig dem abmahnenden Anwalt und weniger dem beteiligten Unternehmen nützen. Bayern hat zudem einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach das Datenschutzrecht aus dem Anwendungsbereich des UWG ausgenommen wird. Das Bedürfnis für solche Regelungen könnte nach dem EuGH-Urteil wachsen. Sollte sich das Gericht dem Generalanwalt anschließen und der DS-RL keine Sperrwirkung zusprechen, dann könnte es doch noch zu einer Abmahnwelle kommen.
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