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De-Risking zur Anpassung von Betriebsrentensystemen – Welche Maßnahmen sind sinnvoll?

Georg Haberkorn
Georg Haberkorn © DLA Piper

_ Die 2007 beginnende globale Banken- und Finanzkrise wirkte sich nicht nur negativ auf die Realwirtschaft und die Aktienmärkte aus, sondern hat auch weitreichende Konsequenzen für bestehende Betriebsrentensysteme. Denn die aufgrund der Zinsentwicklung der vergangenen Jahre rasant steigenden Pensionsrückstellungen werden zunehmend zur bilanziellen Belastung. Möglichkeiten des De-Risking – im wesentlichen Maßnahmen zur bilanziellen Auslagerung dieser Rückstellungen – rücken daher für viele Unternehmen in den Fokus. Doch welche Methode, z.B. Pensionsfonds, CTA oder die seit kurzem wieder stärker beworbene Rentnergesellschaft, für ein Unternehmen am sinnvollsten ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Die ab 2007/08 einsetzende globale Banken- und Finanzkrise hatte nicht nur massive negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft und die Aktienmärkte, sondern führte bei zahlreichen Unternehmen auch zu einem grundlegenden Umdenken in Bezug auf deren bestehende Betriebsrentensysteme. In Deutschland müssen bestimmte Arten von Betriebsrentensystemen (sog. Direktzusagen) nicht zwingend ausfinanziert werden. Stattdessen muss für ungedeckte Pensionsverbindlichkeiten lediglich eine Pensionsrückstellung nach Maßgabe der einschlägigen Bilanzvorschriften gebildet werden. Dieser Umstand sollte sich aufgrund der aus der Finanzkrise resultierenden Niedrigzinsphase als anhaltende bilanzielle Belastung herausstellen. Denn der kontinuierliche Rückgang des zu verwendenden Rechnungszinssatzes für Pensionsrückstellungen, welcher sich für HGB-Bewertungen von ehemals 5,25% im Dezember 2008 auf nunmehr 1,79% zum Mai 2022 verringert hat, führte zu einem drastischen Anstieg der Pensionsrückstellungen. Fortan galt es daher mehr denn je, bestehende Betriebsrentensysteme kritisch zu hinterfragen und entsprechende Möglichkeiten des De-Risking zu eruieren.

Finanzielle und bilanzielle Entlastung beim Arbeitgeber

Die beschriebene Entwicklung prägte in besonderer Weise den Begriff des De-Risking im Zusammenhang mit betrieblicher Altersversorgung. Hierunter können sämtliche risikoreduzierende Maßnahmen zur Anpassung von Betriebsrentensystemen gefasst werden. Gemeint ist damit aber vor allem die bilanzielle Auslagerung von Pensionsverbindlichkeiten.

Die jeweiligen Motive für derartige Eingriffe sind vielfältig. Für einen Großteil der Unternehmen dürfte die Verbesserung der Bilanzkennzahlen im Vordergrund stehen. Andere verfolgen eine Kostenreduktion im Allgemeinen oder möchten sich der z.T. aufwändigen Administration von Pensionsplänen entledigen.

Alle Ansätze haben dabei die Gemeinsamkeit, dass stets ein sachgerechter Ausgleich im Spannungsfeld von Risikominimierung einerseits und fortbestehender Attraktivität des Versorgungswerks andererseits gefunden werden muss. Dies gilt umso mehr, als die betriebliche Altersversorgung angesichts der zunehmenden Verschlechterung des gesetzlichen Rentenniveaus sowie dem anhaltenden Fachkräftemangel einen immer größeren Stellenwert bei der Mitarbeitergewinnung erlangt.

Wahl der am besten geeigneten Maßnahme ist abhängig von verschiedenen Faktoren 

Welche Maßnahme im jeweiligen Einzelfall die geeignete ist, hängt ganz wesentlich davon ab, ob sie auf Versorgungsanwartschaften von aktiven Beschäftigen, bereits ausgeschiedenen Personen oder beide Gruppen abzielt. Auch ist entscheidend, über welche finanziellen Mittel das Unternehmen verfügt, da die Auslagerung von Risiken an einen Dritten in der Regel nur gegen Mitgabe entsprechend hoher Vermögenswerte realisiert werden kann.

In der Praxis haben sich als gängigste Ansätze die Auslagerung der Verbindlichkeiten auf einen Pensionsfonds und die Ausfinanzierung der Verbindlichkeiten über ein sog. CTA herausgebildet. In jüngerer Vergangenheit wird auch zunehmend die Übertragung von Pensionsverbindlichkeiten auf eine sog. Rentnergesellschaft mit anschließender Veräußerung derselben diskutiert (Modell der veräußerten Rentnergesellschaft).

Pensionsfonds als klassisches Outsourcing-Instrument

Bei einem Pensionsfonds handelt es sich um eine externe Versorgungseinrichtung, die (u.a.) für die Auslagerung von bestehenden Versorgungsverpflichtungen genutzt wird. Hierbei kann die Zustimmung der betroffenen Versorgungsberechtigten erforderlich sein. Pensionsfonds unterliegen sowohl der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als auch den Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes.

Im Grundsatz stehen zwei Arten von Pensionsfonds zur Verfügung: Versicherungsförmige Pensionsfonds übernehmen sämtliche versicherte Risiken und müssen bei ihrer Kalkulation einen (niedrigen) Zinssatz ansetzen, was in der Regel zu einem relativ hohen Einmalbeitrag, aber letztlich auch zu einer faktischen wirtschaftlichen Enthaftung beim Unternehmen führt. Nicht-versicherungsförmige Pensionsfonds – die in der Praxis bevorzugte Wahl – müssen bei ihrer Kalkulation nicht sämtliche Risiken betrachten und dürfen einen deutlich höheren Zinssatz ansetzen. Dies führt in der Regel zu einem signifikant geringeren Einmalbeitrag, den das Unternehmen mitgeben muss. Diesem Vorteil steht jedoch das Risiko von Nachschussleistungen durch das Unternehmen gegenüber, sofern der an den Pensionsfonds gezahlte Einmalbeitrag zur späteren Erfüllung der Versorgungsverpflichtungen nicht ausreicht.

Die Auslagerung auf einen Pensionsfonds führt nicht etwa zu einem Erlöschen der Versorgungszusagen, sondern lediglich dazu, dass die fortbestehenden Versorgungsverpflichtungen nicht länger als bilanzielle Rückstellung ausgewiesen werden müssen.

Flexible Ausfinanzierung über ein CTA

Ein CTA – Contractual Trust Arrangement – ist eine Pensionstreuhand-Konstruktion, die zum Zwecke der privatrechtlichen Insolvenzsicherung, insbesondere aber zur Ausfinanzierung von Pensionsverbindlichkeiten aufgesetzt wird. In der Praxis hat sich das Modell der sog. doppelseitigen Treuhand durchgesetzt. Dabei überträgt das Unternehmen auf Grundlage eines Treuhandvertrags Vermögenswerte auf einen Treuhänder, welche von diesem entsprechend den Vorgaben des Unternehmens verwaltet und angelegt werden. Zugleich wird für die Versorgungsberechtigten ein Vertrag zugunsten Dritter begründet, woraus diese im Sicherungsfall (Insolvenz) die Erfüllung ihrer Versorgungsansprüche einfordern können.

Die übertragenen Vermögenswerte werden im Rahmen der Bilanzierung regelmäßig als Planvermögen betrachtet und können infolgedessen mit den bestehenden Pensionsverbindlichkeiten verrechnet werden. Bei einem Ausfinanzierungsgrad von 100% hat dies zur Folge, dass die Pensionsverbindlichkeiten nicht mehr als handelsbilanzielle Rückstellung ausgewiesen werden müssen.

Enthaftung durch Pension Buy-out mittels Rentnergesellschaft

Eine in der jüngeren Vergangenheit immer häufiger beworbene Variante des Pension De-Risking ist die umwandlungsrechtliche Übertragung von Pensionsverbindlichkeiten gegenüber Rentnern und ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern sowie der zu deren Erfüllung erforderlichen Vermögensmittel auf eine Rentnergesellschaft, und die anschließende Veräußerung der Rentnergesellschaft an einen professionellen Anbieter (Modell der veräußerten Rentnergesellschaft). Der Anbieter kümmert sich anschließend um die Verwaltung der Betriebsrentensysteme, die Anlage der Vermögensmittel und die spätere Auszahlung der Leistungen.   

Rentnergesellschaften, deren einziger Zweck die Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung ist, gibt es bereits seit langem. Neu ist aber die (der Übertragung nachgelagerte) Veräußerung an einen externen Dritten. Hierdurch soll beim abgebenden Unternehmen eine vollständige rechtliche Enthaftung herbeigeführt werden. Zwar ist bei einer umwandlungsrechtlichen Auslagerung im Zusammenhang mit betrieblicher Altersversorgung im Grundsatz eine zehnjährige Nachhaftung des abgebenden Unternehmens zu beachten. Allerdings würde sich diese – wirtschaftlich betrachtet – bei entsprechender Gestaltung und Berücksichtigung der Tatsache, dass bei einem übertragenen Rentnerbestand innerhalb der ersten zehn Jahre in der Regel ohnehin nur ein kleiner Teil der Gesamtverpflichtung fällig werden wird, wohl in den wenigsten Fällen realisieren.

Das Modell der veräußerten Rentnergesellschaft kann eine sinnvolle Alternative zu den gängigen Ansätzen darstellen. Denn es führt nicht nur zu einer bilanziellen Bereinigung beim abgebenden Unternehmen, sondern infolge des nachgelagerten Buy-out – vorbehaltlich der o.g. Nachhaftungsthematik – faktisch auch zu einer rechtlichen Enthaftung. Dennoch scheint in der Praxis noch eine gewisse Zurückhaltung vorzuherrschen. Ein Grund hierfür dürfte die Sorge vor Reputationsschäden oder einer negativen Signalwirkung innerhalb des Unternehmens sein. Auch wird die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Rentnergesellschaft auf das neue Modell der veräußerten Rentnergesellschaft übertragen lässt. Das Bundesarbeitsgericht hatte u.a. im Jahr 2008 gewisse Vorgaben in Bezug auf die erforderliche Kapitalausstattung einer Rentnergesellschaft aufgestellt. Es bleibt abzuwarten, welche Anbieter und welche konkreten Ausgestaltungen sich vor diesem Hintergrund in den kommenden Jahren durchsetzen werden.

Fazit: Deutsches Recht bietet vielfältige attraktive Ansätze für Pension De-Risking

Auch künftig wird es weiterhin eine starke Nachfrage nach De-Risking-Maßnahmen geben. Nicht zuletzt deshalb, weil der HGB-Rechnungszins für Altersversorgungsverpflichtungen ein Durchschnittszins ist (10 bzw. 7 Jahre) und daher auch ein rasant steigendes Zinsniveau nur sehr langsam zu einer bilanziellen Entlastung führt. Hinzu treten weitere belastende Entwicklungen wie die Zunahme von Langlebigkeitsrisiken oder mögliche Verteuerungen bei der Rentenanpassung. Denn letztere orientiert sich häufig am Verbraucherpreisindex und somit unmittelbar an der aktuell stark ansteigenden Inflationsrate. In der Praxis dürfte für viele Unternehmen insbesondere das Modell der veräußerten Rentnergesellschaft von besonderem Interesse sein. Welche Maßnahme im konkreten Einzelfall letztlich aber empfehlenswert ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab und bedarf jeweils einer sorgfältigen Analyse der betroffenen Versorgungssysteme. Je nach gewähltem Ansatz besteht dann auch die Möglichkeit, auf eine nachhaltige Anlage der Vermögensmittel (Stichwort ESG) Einfluss zu nehmen.

 

Über den Autor:

Georg Haberkorn ist Counsel am Münchner Standort von DLA Piper. Er berät deutsche und internationale Unternehmen zu allen Fragen der betrieblichen Altersversorgung. Dies umfasst die Errichtung, Änderung und Schließung von betrieblichen Versorgungswerken sowie die Gestaltung entsprechender Finanzierungsstrukturen. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die umfassende rechtliche und administrative Begleitung bei Outsourcing-Projekten (Pension De-Risking) sowie die Durchführung von Due Diligences im Rahmen von internationalen M&A-Transaktionen.

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