Drei Fragen an ...

Was ändert sich bei der Insolvenzantragspflicht, Frau Breitenbücher?

Bettina E. Breitenbücher
Bettina E. Breitenbücher © BREITENBÜCHER Rechtsanwälte

Nach der Corona-Pandemie belasten nun Putins hybrider Krieg und die Energiekrise die deutsche Wirtschaft. Selbst kerngesunde Unternehmen fürchten mit den rasant steigenden Energiekosten um ihre Existenz. Die Politik versucht, den Schaden zu begrenzen, unter anderem durch Änderungen im Insolvenzrecht.

Im nunmehr dritten Entlastungspaket der Bundesregierung ist von Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht die Rede. Frau Breitenbücher, worum geht es dabei genau?

Es geht um mehrere Komponenten, die die Insolvenzantragspflicht von Unternehmen entschärfen sollen. Die geplanten Erleichterungen knüpfen an die Regelungen an, die schon anlässlich der COVID-19-Pandemie erlassen wurden. Erste wichtige Änderung des aktuellen Gesetzgebungsvorhabens ist, dass das bisherige speziell für die COVID-19-Pandemie erlassene Gesetz, das COVInsAG, allgemein auf Krisensituationen ausgedehnt und daher in „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen“ (SanInsKG) umbenannt werden soll. Damit ist eine zwingende Verknüpfung einer Krisensituation mit steigenden Energiepreisen nicht mehr erforderlich. Die aktuellen Krisensituationen können auf mehreren Faktoren beruhen, die nur indirekt mit den steigenden Energiepreisen verknüpft sind, wie Lieferengpässe, gestörte Lieferketten, Fachkräftemangel und sonstige Krisenursachen. Dieses neue Gesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen könnte auch bei anderen Krisen wie z.B. einem extremen Hochwasser herangezogen werden.

Änderungen sind insbesondere beim Insolvenzantragsgrund der Überschuldung vorgesehen. Bei der zwingend vorgeschriebenen Überschuldungsprüfung soll die Entwicklung eines Unternehmens in der Zukunft betrachtet werden. Im Normalfall sollen Unternehmen ihre Überschuldung im Rahmen einer Fortführungsprognose über einen Zeitraum von zwölf Monaten überwachen. Die anlässlich der COVID-19-Pandemie eingeführte vorübergehende Verkürzung dieses Prognosezeitraums auf vier Monate soll für krisenbetroffene Unternehmen bis zum 31.12.23 wieder eingeführt werden, da in der aktuellen Krisensituation kaum verlässliche Planungen über einen längeren Zeitraum hinweg erstellt werden können. 

Auch die Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags bei Vorliegen einer Überschuldung soll temporär von sechs Wochen auf acht Wochen verlängert werden, da potenzielle Kreditgeber oder Gläubiger aufgrund der aktuellen Krisensituationen zögerlicher reagieren. Eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht insgesamt, wie sie von manchen politischen Stimmen gefordert wird, ist nicht vorgesehen. Die Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit soll unverändert fortbestehen, um Wettbewerbsverzerrungen in einem noch zu verantwortenden Rahmen zu halten, zu denen diese Erleichterungen führen können.

Zudem soll es bei der Durchführung eines Schutzschirmverfahrens oder einer Eigenverwaltung Erleichterungen geben. Der bisherige Planungshorizont von sechs Monaten soll auf drei Monate verkürzt werden. Dort werden Unternehmensplanungen verlangt, die die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens belegen sollen. Auch hier stehen die Beteiligten vor der Schwierigkeit, dass verlässliche Prognosen über einen längeren Planungshorizont hinweg in der aktuellen Situation kaum darstellbar sind.

Welchen Unternehmen wäre damit geholfen, welchen eher nicht?

Die geplanten Erleichterungen sollen Unternehmen, die im Kern gesund und auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind, die Möglichkeit eröffnen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die bereits akut zahlungsunfähig sind, von den Erleichterungen nicht profitieren werden. Denn die Zahlungsunfähigkeit bleibt weiterhin ein zwingender Insolvenzgrund. Dies korrespondiert mit der Tatsache, dass jedenfalls bislang keine Förderprogramme aufgelegt sind, die ähnlich wie im Fall der COVID-19-Pandemie die Liquidität von Unternehmen sofort stützen würden. Nur Unternehmen, die noch nicht insolvenzreif sind, die aber krisenbedingt mit Planungsunsicherheiten zu kämpfen haben, werden von den Erleichterungen profitieren.

Der Entwurf verzichtet jedoch darauf, den Anwendungsbereich der Vorschrift an eine entsprechende Voraussetzung zu binden, dass die Krise bzw. die Prognoseunsicherheit auf den Entwicklungen an den Energiemärkten beruht. Damit wird allen Unternehmen geholfen, die aktuell in eine Krisensituation gekommen sind, unabhängig von der Frage, ob dies nun direkt oder nur mittelbar auf steigenden Energiekosten oder dem Ukrainekrieg beruht.

Was müssen Firmen, die durch die hohen Energiepreise in Schwierigkeiten geraten könnten, jetzt beachten?

In jedem Fall sind die Unternehmen verpflichtet, eine Fortführungsprognose, d.h. eine Planung der Geschäftsentwicklung der Zukunft aufzustellen. Die Planung eines Zeithorizonts von vier Monaten sollte auch in dem momentan schwierigen Marktumfeld möglich sein. Auf dieser Basis ist die Überschuldungssituation des Unternehmens zu überwachen. Sofern das Unternehmen jedoch zahlungsunfähig ist, bleibt die Insolvenzantragspflicht bestehen. Allerdings können Unternehmen die nun nochmals erleichterten Sanierungsinstrumente in einem Restrukturierungsverfahren, einem Schutzschirmverfahren oder einer Eigenverwaltung in Anspruch nehmen, um damit Sanierungsmaßnahmen erleichtert umzusetzen und gegebenenfalls einen Schuldenschnitt zu realisieren.

Bettina E. Breitenbücher ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenzrecht und Restrukturierung und Insolvenzverwalterin. Zugleich ist sie Geschäftsführerin der bundesweit tätigen Kanzlei BREITENBÜCHER Rechtsanwälte.

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