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China-Transaktionen – Trotz strenger Regeln kein Ende in Sicht

Als Redner bei der Konrad Adenauer Stiftung Anfang November teilte Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investmentbank (EIB), mächtig aus. „Der Verkauf des größten deutschen Gasspeichers Rehden an Gazprom muss uns doch eine Lehre sein!“ wetterte der altgediente Außenpolitiker. Wenige Tage zuvor hatte Kanzler Olaf Scholz eine Beteiligung des chinesischen Logistikers Cosco an einem Hamburger Containerhafenterminal durchgedrückt, gegen die Widerstände aller zuständigen Fachminister. Kurz darauf schlug das Pendel der Investitionskontrolle in die entgegengesetzte Richtung, als Wirtschaftsminister Robert Habeck zwei chinesischen Firmen Zukäufe in der Mikrochipbranche verbot.

Das passte schon besser zu der Marschrichtung, die die Bundesregierungen der vergangenen Jahre eingeschlagen haben. Unternehmenskäufe und Beteiligungen durch Erwerber jenseits von EU und EFTA können zum Schutz der „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ unterbunden werden, und sie werden es auch immer öfter. Kritische Infrastruktur wie Stromnetze, Gasspeicher, Straßen und Häfen, meint nicht nur EIB-Präsident Werner Hoyer, dürfe „niemals in russische oder chinesische Hände geraten!“ Das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), das derartige Eingriffe regelt, wurde in den vergangenen Jahren sukzessive verschärft.

Begonnen hatte die Abkehr von einer liberaleren Einstellung zum Inbound-M&A 2016, als der chinesische Stratege Guangdong Midea für über 4 Milliarden Euro den Augsburger Roboterbauer Kuka übernahm. Sechs Jahre nach der Übernahme, genau einen Tag vor Hoyers Brandrede, meldete Kuka den Abschluss des Squeeze-outs der Minderheitsaktionäre. Das Unternehmen ist damit zu 100% in chinesischer Hand – ein Deal, den die Bundesregierung schon damals am liebsten verhindert hätte. In den Folgejahren wurden dann immer größere Transaktionen gestoppt. Bei dem Stromnetzbetreiber 50 Hertz stieg der deutsche Staat über die KfW selbst ein, um der chinesischen State Grid Corporation zuvorzukommen.

Hochtechnologie im Fokus

Sind M&A-Transaktionen mit chinesischen Käufern damit insgesamt Vergangenheit? Nein, meint Christian Atzler, Corporate-Partner mit langjähriger China-Erfahrung bei Baker McKenzie. Zukäufe verlange „in bestimmten Konstellationen schon die industrielle und wirtschaftliche Logik“. Immer schwerer dürften sich Bieter aus dem Reich der Mitte allerdings bei Hochtechnologieunternehmen tun, obwohl gerade hier das Interesse wächst und wächst. „Die Prioritäten haben sich verändert“, beobachtet auch Michael-Florian Ranft, Chef der China-Praxis bei Taylor Wessing. „Bei Infrastrukturbeteiligungen gibt es heute recht hohe Hürden, darum konzentrieren sich chinesische Unternehmen mehr denn je auf Hochtechnologie-Investments.“

Dabei müssen sie allerdings mit einem echten Handicap fertigwerden, denn die AWG-Prüfung frisst Zeit. Wo früher vielleicht ein Monat ausreichte, seien es heute selbst in einfachen Fällen vier Monate und mehr, berichtet Nicole Englisch, M&A-Partnerin bei Clifford Chance. Die Frage nach der Investitionskontrolle stehe bei Deal-Projekten mit China-Bezug inzwischen ganz am Anfang und sei mindestens so zentral wie die kartellrechtliche Prüfung, mit einem Unterschied: „Kartellrecht ist eindeutiger definiert und geregelt, die Entscheidungsprozesse gehen deutlich schneller.“

Denn die deutschen Ministerien und die EU-Kommission, die die Investitionsvorhaben seit 2019 parallel durch ihren eigenen Screening-Prozess schickt, arbeiten nicht nur Kriterienkataloge ab, sondern prüfen je nach Einzelfall. Oft kommen zusätzlich die besonders strengen US-Behörden ins Spiel. Dass eine Transaktion gestoppt werde, sei freilich nur das letzte Mittel, weiß Baker McKenzie-Partner Atzler. „Es gibt andere Maßnahmen, die vorher greifen können, wie zum Beispiel Auflagen oder der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages.“

Manche geben schneller auf

Für chinesische Bieter bedeute das nicht nur Zeitverlust, beobachtet Englisch. Lange Diskussionen mit den Behörden und der Verdacht, nicht willkommen zu sein und unfair behandelt zu werden, können sich zu einem eigenen Dealbreaker entwickeln. „Sie haben Respekt vor Behörden, und wenn von dort umfangreiche Nachfragen kommen, wird der Genehmigungsantrag auch mal zurückgezogen“, sagt Englisch. Dabei gehe es nicht zuletzt um die eigene Reputation, meint Taylor Wessing-Partner Ranft. „Wer als Bieter zu viele Deals wegen Untersagung stoppen muss, tut sich mit Blick auf weitere Transaktionen keinen Gefallen.“ Im Zweifel zieht man die Notbremse dann lieber früher, und statt des Chinesen kommt eben ein anderer Käufer zum Zug.

Dass die deutsche Politik auch über die China-Exposure der heimischen Industrie heute ganz anders denkt als noch vor ein, zwei Jahren, führt auch in der umgekehrten Richtung dazu, dass es mit Investitionen etwas langsamer geht. Einen Exodus aus China sieht zwar niemand, höchstens verstärktes Interesse an anderen asiatischen Standorten wie Vietnam oder Thailand. Zumindest die großen Konzerne investieren weiter im Reich der Mitte, „allerdings nicht mehr in dem Umfang wie noch vor ein paar Jahren“, wie Atzler berichtet. Ausnahmen wie BMW, seit dem Aufstocken der Anteile an BBA vor Kurzem als eins von wenigen ausländischen Unternehmen Mehrheitseigner eines China-Joint Ventures, bestätigen die Regel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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