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ESG-Regulierungswelle – Lästiger Aufwand oder dringend benötigter Transformationstreiber?

Christian Hell
Christian Hell © EY

In den vergangenen zwölf Monaten hat sich die Regulierung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) enorm weiterentwickelt. Unternehmen müssen immer umfassender über die materiellen Auswirkungen, Risiken und Chancen mit Blick auf Nachhaltigkeit berichten. Das zunehmende Tempo, mit dem die Anforderungen an das ESG-Reporting vorangetrieben werden, und die wachsende Komplexität der Vorschriften setzen Private-Equity-Investoren unter Druck, da sie bei ihren Investitionen nun wesentlich transparenter sein müssen, was Nachhaltigkeitsaspekte angeht.

ESG-Regulierung auf dem Vormarsch

Die jüngste Welle an ESG-Regulierungen setzt sich aus einer Vielzahl von Initiativen zusammen. Unter anderem wurde das International Sustainability Standards Board (ISSB) unter dem Dach der IFRS Foundation gegründet. Ziel des ISSB ist es, Standards zu entwickeln, die eine umfassende, qualitative sowie anlegerorientierte Offenlegung von nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen verlangen. Die ISSB-Standards sollen als globaler Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung fungieren und durch andere freiwillige wie verpflichtende Berichterstattungssysteme ergänzt werden.

Im März 2022 hat zudem die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC eine neue Vorschrift vorgeschlagen, die im Falle ihrer Verabschiedung von börsennotierten Unternehmen eine detaillierte Berichterstattung über bestimmte klimabezogene Finanzkennzahlen, Emissionen und Pläne für die Umstellung auf eine CO2-neutrale Geschäftspraxis verlangen würde.

Ein weiterer wichtiger Wegbereiter für diese Entwicklungen ist die Europäische Kommission. Mit dem Green Deal sowie direkten regulatorischen Eingriffen machen die EU-Regulatoren ESG-Transparenz zu einem wichtigen Hebel für die Transformation. Nach der kontrovers diskutierten und immer noch in der Ausarbeitung befindlichen EU-Taxonomie-Verordnung aus dem Juli 2020 sowie der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR), die im März 2021 in Kraft trat, ist die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) ein weiteres Ausrufezeichen. Die CSRD verfünffacht den Kreis der betroffenen Unternehmen im Vergleich zur EU-Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) auf fast 50.000, darunter auch große Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU. Darüber hinaus wird eine Überprüfung der Informationen gemäß den EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) vorgeschrieben – ein zentraler Part der Regulierungswelle, dessen Auswirkungen bisher noch nicht ausreichend beachtet wurden. Obwohl sich die CSRD und das ISSB gegenseitig ergänzen sollen, gibt es einige Unterschiede, die von Investoren berücksichtigt werden müssen.

Diese Entwicklungen zeigen, dass PE-Investoren nicht drum herumkommen, ESG ernst zu nehmen. Anstatt die Welle an Regulierungen als Last zu sehen, sollten Private-Equity-Investoren (PE-Investoren) sie als Katalysator für die dringend erforderliche Transformation von Unternehmen hin zu mehr Nachhaltigkeit verstehen, die den Weg zu ESG-bezogener Wertschöpfung ebnet. Wie können PE-Investoren dieses Potenzial nutzen?

Die Welle der ESG-Regulierungen reiten

ESG-Vorschriften wirken sich in zweierlei Hinsicht auf PE-Investoren aus: zum einen auf Fondsebene über die SFDR und zum anderen über direkte Vorschriften oder transparenzbezogene Anforderungen an die Portfoliounternehmen.

Im Rahmen der SFDR müssen europäische Investoren ihre Firmen als Artikel 8- oder Artikel 9-Produkte klassifizieren, um die ESG-Qualifikation ihrer Portfolios zu bestimmen. Bei einer genaueren Betrachtung der ESG-Integration sind das ESG-Scoring und das ESG-Engagement entscheidend für den Bewertungsprozess. Um unter Artikel 8 zu fallen, sollte ein Fonds ein bestimmtes ökologisches oder soziales Merkmal haben, über das regelmäßig berichtet werden muss. Dazu müssen ESG-Aspekte in eine Fundamentalanalyse integriert werden, die sich auf menschliche Bewertungen und Interpretationen stützt, um das Handeln eines Unternehmens zu evaluieren und festzustellen, inwieweit es positive Veränderungen vorantreibt. Ein Fonds, der nach Artikel 9 eingestuft werden soll, sollte ein nachhaltiges Anlageziel haben – beispielsweise orientiert an Geschäftsaktivitäten gemäß der EU-Taxonomie. Portfolioteams mit einer soliden Engagement-Strategie profitieren von dieser ESG-Evaluation, indem sie Möglichkeiten zur Umstrukturierung von Vermögenswerten hinsichtlich der ESG-Merkmale oder sogar der Anlageziele identifizieren.

Die zweite maßgebliche Einflussmöglichkeit für PE-Investoren liegt in den Portfoliounternehmen selbst. Zentral ist, deren Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund der Megatrends im Bereich Nachhaltigkeit zu verstehen. Sie müssen prüfen, wie die Portfoliounternehmen weniger Teil des Problems und mehr Teil der Lösung werden können. Das Herausarbeiten von Werttreibern und ihre Integration in einer Strategie ist für das Erschließen neuer Möglichkeiten und die Umstrukturierung von Geschäftsmodellen unerlässlich. Die Reporting-Vorschriften aus den ESG-Regulierungen können dabei hilfreich sein. Zum einen bieten sie Methoden, um bestimmte Themen aus dem vielfältigen Spektrum ESG zu priorisieren. Darüber hinaus enthalten sie Definitionen zur konsistenten Messung der ESG-Performance über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und ermöglichen so eine Steuerung.

Lästigen Aufwand in Mehrwert verwandeln

Für all die, die die Welle der ESG-Regulierungen „reiten“ und ihre Wertschöpfungspotenziale nutzen möchten, sind dies die Grundlagen. Es ist an der Zeit, nicht mehr nur die Möglichkeiten in Bezug auf das Wachstum in den Bereichen Umwelt und Soziales zu nutzen. Es geht auch darum, die Potenziale, die ESG für die Marke eines Unternehmens bietet, oder die Möglichkeiten höherer Preise bei der jungen Generation von Konsumenten zu nutzen. Unter dem Strich führen viele Ökoeffizienz-Maßnahmen zu Kosteneinsparungen und stärken die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Risiken. Eine Umstellung auf erneuerbare Energien zahlt sich beispielsweise schon nach 3 bis 5 Jahren aus und Kreislaufwirtschaft verringert die Abhängigkeit von knappen natürlichen Ressourcen. Am Ende des Tages helfen solche Maßnahmen auch, als Arbeitgeber attraktiv für junge Talente zu bleiben.

PE-Investoren werden erfolgreich sein, wenn sie verstehen, wie sie die Welle der ESG-Regulierungen so nutzen, dass sie ihr transformatives Potenzial ausschöpfen und Wert sowohl für Unternehmen als auch den Planeten und die Menschen schaffen.

Wenn Sie mehr über das Thema ESG-Regulierung und die Auswirkungen auf PEs erfahren möchten, nehmen Sie am Webcast von Europe West Private Equity am Freitag, den 28. Oktober 2022 um 10:00 Uhr teil.

 

Über den Autor

Christian Hell ist Partner im Bereich Climate Change and Sustainability Services bei EY Deutschland. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Beratung und Prüfung
von Mandanten aller Branchen, insbesondere von DAX40-Unternehmen, mit Fokus auf deren Nachhaltigkeitsagenda. Er widmet sich der Förderung von ESG-Best Practices in Geschäftsstrategien, Geschäftsabläufen und im Reporting. Hell hat zudem die Entwicklung von Nachhaltigkeitsregelwerken durch seine Tätigkeit als technischer Experte für Organisationen wie EFRAG, CDSB/ISSB, GRI und Value Balancing Alliance unterstützt.

 

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