Konjunktur

Stagflation – Gefährlicher Cocktail

EZB-Tower in Frankfurt
EZB-Tower in Frankfurt © CC0

Enttäuschende Konjunkturdaten können über Einkommensverluste verdammt wehtun. Die kontinuierliche Unterstützung durch die Zentralbanken hat die Welt bisher stets vor diesen bitteren Folgen bewahrt. Das ist schon eine halbe Ewigkeit so. Didier Saint-Georges, führender Investmentstratege des mittelgroßen, aber überaus angesehenen französischen Vermögensverwalters Carmignac, den viele unserer Leser vom PLATOWFORUM kennen, damals mit Sandra Crowl, identifiziert das Jahr 2009, also direkt nach der Lehman-Pleite, als Beginn dieses Paradoxons. Das könnte so weitergehen, würden die Preise derzeit nicht so hartnäckig steigen.

Zur Sicherung der Stabilität machen sich die Notenbanken, allen voran die Fed in den USA, aber zunehmend auch die EZB (s. PLATOW v. 10.9.), derzeit mehr als nur Gedanken, zunächst die monatlichen Käufe von Staatsanleihen schrittweise zurückzufahren, bevor sie in einem zweiten Schritt dann die Zinssätze anheben. Das wäre alles kein Problem, wären die Wachstumsperspektiven nicht ein wenig überschätzt worden. Die Pandemie, global gesehen, ist noch längst nicht ausgestanden, die Impfquote in großen Teilen der Welt vergleichsweise niedrig. Das beeinträchtigt die Produktion und die Förderung wichtiger Rohstoffe wie Öl, dessen Preis bereits drastisch gestiegen ist.

Die Folgen von Lieferengpässen auf die Preise werden ungewollt von den Notenbanken verstärkt, weil diese mit seit Jahren viel zu günstigen Finanzierungsbedingungen die Nachfrage stimulieren, die auf ein durch die Pandemie verknapptes Angebot trifft. Die über viele Jahre dramatisch gestiegene Verschuldung, die sich durch Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona nochmals enorm gesteigert hat, verwehrt es den Notenbanken, rechtzeitig mit höheren Zinsen auf die Inflation zu reagieren. Dieser gefährliche Cocktail könnte zu Stagflation führen.

Die jüngst laut gewordenen Warnungen von Nouriel Roubini, dem New Yorker Ökonomen und Spezialisten für treffsichere Wirtschaftsprognosen, der 2006 das verhängnisvolle Platzen der US-Immobilienblase und die so ausgelöste Finanzkrise vorhersah, erzielen viel Aufmerksamkeit und müssen ernst genommen werden. Auf den Arbeitsmärkten übertrifft die Nachfrage das Angebot. Die allseits gefürchtete Lohn-Preis-Spirale könnte somit Fahrt aufnehmen. Die Älteren unter uns erinnern sich an die Ölkrise der 1970er-Jahre. Der damit verbundene Angebotsschock löste die bis dato letzte Stagflation aus, das gleichzeitige Auftreten von wirtschaftlicher Stagnation und Inflation. Der Schock von Lehman mündete seinerzeit in eine Finanzkrise, aber nicht Stagflation. Ob diese uns diesmal als Folge der Pandemie wieder erspart bleibt, ist ungewiss.

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