Brexit – Das Schwarzer Peter-Spiel hat begonnen
Es fehle nur noch ein einziger Schubs, behauptete Großbritanniens Premierministerin Theresa May wenige Tage vor dem Brexit-Abstimmungsmarathon im Unterhaus. May spielte damit auf die Verhandlungen mit Brüssel über einen Kompromiss im Streit um die Auffanglösung für Nordirland (Backstop) an, der als Voraussetzung für eine Zustimmung des britischen Parlaments zu dem von May mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommens gilt.
Tatsächlich glaubt aber auch May nicht mehr daran, dass die Abgeordneten den im Januar schon einmal krachend durchgefallenen Vertrag am Dienstag doch noch absegnen. Dafür spricht zumindest Mays Drohung an das Unterhaus, dass Großbritannien bei einer erneuten Ablehnung des Brexit-Deals die EU möglicherweise nie verlassen werde. Auch warnte die Premierministerin in ihrer Rede vor Arbeitern in der Hafenstadt Grimsby, die als Brexit-Hochburg gilt, dass ein No Deal-Austritt „einen Moment der Krise“ heraufbeschwören würde. Derweil versuchte Mays Außenminister Jeremy Hunt schon einmal, die Schuld für ein Scheitern des Brexit-Abkommens der EU in die Schuhe zu schieben. Künftige Generationen werden sagen, dass die EU in diesem Moment falsch gelegen habe, „wenn das in Bitterkeit endet“, orakelte Hunt. Angesichts des offensichtlichen Chaos in der britischen Regierung und im Parlament erscheint diese Schuldzuweisung allerdings wenig überzeugend. Bislang konnte May sämtliche Revolten im Unterhaus gegen ihren Brexit-Kurs abschmettern. Sollten die Abgeordneten am Donnerstag wie erwartet für eine bis Juni befristete Verschiebung des bislang am 29.3. geplanten EU-Austritts votieren, dürfte May mit ihrem Brexit-Latein allmählich am Ende sein. Denn es ist weiterhin völlig offen, was May mit der gewonnenen Zeit überhaupt anfangen will. Dann könnte das Parlament womöglich doch das Heft des Handelns an sich reißen, was May bislang verhindert hat, um in einer überparteilichen Initiative den Verbleib Großbritanniens in der Zollunion durchzusetzen. Labour-Chef Jeremy Corbyn wirbt bei gemäßigten Tories für eine solche Option. Allerdings sind die Gräben zwischen Tories und Labour dermaßen tief, dass ein solches Bündnis schwierig werden dürfte.
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