US-Wirtschaft – Die Selbstheilungskraft ist enorm

Als die Finanzkrise vor mehr als einem Jahrzehnt in den USA ihren Ausgang nahm, gab es Stimmen, die das Land der unbegrenzten Möglichkeiten abschrieben. Das wiederholt sich derzeit, wobei die in den USA besonders sichtbaren Erschütterungen durch die Corona-Pandemie noch verstärkt werden durch den unbeirrten Aufstieg Chinas, das die USA als größte Wirtschaftsmacht möglichst 2041 ablösen will.
In der Tat sieht es auf der anderen Seite des Atlantiks aktuell wenig ermutigend aus, mit mehr als 100 000 Corona-Toten, einer abstürzenden Wirtschaft und 40 Mio. Arbeitslosen. Diese negativen Rekordzahlen, die alles übertreffen, was wir aus Europa und erst recht aus Deutschland kennen, dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die USA dafür bekannt sind, sich alle vier bis acht Jahre gänzlich neu zu erfinden. Die Selbstheilungskräfte des längst nicht so der abendländischen Kultur verpflichteten Systems sind „ungeheuerlich“, wie es unlängst der Frankfurter Politikwissenschaftler Markus Siewert den Amerikanern bescheinigte. Die US-Wirtschaft stürzt schneller ab, aber die Erholung setzt früher ein. Derzeit befindet sie sich in einer brutalen Anpassungsphase mit schockierenden Zahlen, während in Deutschland und Europa mit Kurzarbeitergeld und Hilfen für Unternehmen in allen Lebenslagen massiv gegengesteuert wird. Das nimmt den Druck, täuscht über den tatsächlichen Ernst der Lage hinweg (s. S. 1), bremst den Reformeifer und zementiert überkommene Strukturen. Die USA sind schon heute weitaus besser dran.
Die weltweit führenden Unternehmen, die erst das Internet groß gemacht hat, haben ihren Sitz in den USA. In Europa wird allenfalls kopiert. Die USA sind schon heute Dienstleistungshochburg, während hier klassische Industrien dominieren. Das spiegelt sich auch in den Börsenindizes wider. Beim DAX 30 geht die Mehrzahl der Unternehmen schweren Zeiten entgegen. Die Autoindustrie mit ihren Zulieferern hat die größte Wegstrecke des Strukturwandels noch vor sich. In den USA steht und fällt die wirtschaftliche Erholung mit dem privaten Verbrauch. Auch ist der Häusermarkt ein wichtiger Indikator. Hier sind bereits erste Erholungstendenzen zu erkennen. Das ist bemerkenswert, denn das Ausbremsen der Wirtschaft durch Corona hat in den USA viel später eingesetzt als in Europa, wo die Pandemie, ausgehend von China, zuerst Fuß gefasst hatte. Die Wall Street blickt traditionell voraus. So notiert der Dow Jones bereits 7 000 Punkte oberhalb des Corona-Tiefs und nur noch 4 000 Zähler unter dem Mitte-Februar-Hoch. Das lässt auf schnelle wirtschaftliche Erholung hoffen.
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