Arbeitsrecht

Wie viel Beziehung im Job ist erlaubt?

Thomas Hey
Thomas Hey © Bird & Bird LLP

Vermutlich kam schon jeder Berufstätige mit dem Thema in Berührung oder war vielleicht Beteiligter: Liebesbeziehungen unter Kollegen. Nicht verwunderlich, verbringt man doch einen beträchtlichen Teil seiner Zeit bei der Arbeit. Da überrascht es nicht, dass sich die Kollegen auch persönlich näher kommen. Nicht immer bleibt es bei einer rein freundschaftlichen Beziehung. Den amerikanischen McDonald’s-CEO hat die Liebesbeziehung zu einer Mitarbeiterin nun den Job gekostet.

Alle Beschäftigten verbringen – zumindest an Wochentagen – mehr Zeit im Büro, als mit Freunden oder der Familie. Bei so viel Umgang mit den Kollegen verwischen ganz automatisch die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem. Wir sind soziale Wesen und verbringen unsere Mittagspause viel lieber mit sympathischen Kollegen, als während des Essens einsam auf unser Smartphone zu starren. Oft liegt die spontane Verabredung zum  gemeinsamen Feierabendbier nicht weit entfernt – und schon ist die Brücke vom beruflichen zum privaten Bereich gebaut.

An sich wird dies vom Arbeitgeber gewünscht und durch Teambuilding-Events und Betriebsfeiern gefördert – schließlich braucht es für einen produktiven Arbeitsfluss auch eine positive Arbeitsatmosphäre. Und dafür ist eine harmonische Stimmung und gegenseitige Kenntnis im Kollegenkreis erforderlich.

Auch sind mit den Kollegen täglich gemeinsame berufliche Herausforderungen zu meistern, was das ungemein verbindende Gefühl erzeugen kann, zusammen eine Mission zu verfolgen.

Oftmals bleibt es jedoch nicht bei reiner Sympathie für den anderen. So hat eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergeben, dass über 60 % der Befragten im Büro schon einmal geflirtet haben. Mehr als ein 1/3 der Teilnehmer sind bereits mit Kollegen ausgegangen. 1/7 hat im Büro sogar die große Liebe gefunden. Dabei sind entgegen der weitläufigen Meinung eher selten die Vorgesetzten das Ziel der Begierde. Vielmehr fällt die Liebe zumeist dorthin, wo der Kontakt am Arbeitsplatz besonders intensiv ist, also vornehmlich bei Kollegen desselben Teams. Es überrascht deshalb nicht, dass neben Freundeskreis und Internet der Job als die dritte große Partnerbörse zählt.

Was stört den Arbeitgeber?

Auf den ersten Blick verwundert es, dass Arbeitgeber sich an Liebesbeziehungen unter Kollegen stören. Haben sie doch, wie bereits erwähnt, oftmals selbst die Bedingungen für deren Entstehung geschaffen.

Doch gibt es nachvollziehbare Gründe: Arbeitgeber haben ein berechtigtes Interesse daran, dass die Arbeitsleistung ihrer Arbeitnehmer nicht durch Liebesbeziehungen beeinträchtigt, der Betriebsfrieden nicht gestört und dass eine von persönlichen Interessen seiner Arbeitnehmer unabhängige Arbeit gewährleistet wird.

Die Arbeitsleistung der Beschäftigten kann aber durchaus darunter leiden, wenn diese sich während der Arbeitszeit bspw. von ihrem Partner physisch angezogen fühlen. Umgekehrt führen erkaltete Liebesbeziehungen häufig zu Streit, gegenseitiger Sabotage und Betriebsunfrieden.

Dazu kommt die Wirkung auf andere Kollegen, die vielleicht nicht wissen, wie sie adäquat mit der Situation umgehen sollen. Eifersüchteleien, Tratsch und Grüppchenbildung sind nicht selten die Folge.

Gerade bei Liebesbeziehungen in hierarchischen Arbeitsverhältnissen besteht dazu die Gefahr der Bevorzugung des Liebespartners gegenüber den Kollegen.

Dies alles kann einen Arbeitgeber vor erhebliche Probleme stellen, sodass es naheliegt, dass dieser die Entstehung von Liebesbeziehungen unter Mitarbeitern am liebsten präventiv unterbinden würde. Damit kommen wir zu der Frage:

Wie viel Beziehung im Job ist überhaupt erlaubt?

Sehr viel. Das Grundgesetz schützt das Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen. Zu diesem gehört das Recht, selbst zu entscheiden, ob und mit wem eine Person in Beziehung tritt, sei es in eine freundschaftliche oder in eine Liebesbeziehung.

Dies gilt auch für den Arbeitsplatz, weil von einem Arbeitnehmer nicht verlangt werden kann, lediglich zu arbeiten und sein Persönlichkeitsrecht am Betriebseingang abzugeben.

Kann Liebe dennoch Sünde sein?

Liebe kann Sünde sein, wenn sie einen Verstoß gegen ein Verbot eines Arbeitgebers darstellt.

Aber wie würde ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Liebesbeziehung verbieten? Praktikabel wäre die Einführung eines solchen Verbots durch eine Regel in einem Verhaltenskodex. Seit Walmart wissen wir alle, dass das nicht geht.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte 2005 entschieden (Az. 10 TaBV 46/05) und die folgende Regelung als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht gewertet: „Sie dürfen nicht mit jemanden ausgehen oder in eine Liebesbeziehung mit jemanden treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können, oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann.

Möglich wäre dagegen die Regulierung des Verhaltens der Arbeitnehmer, das als Reaktion auf eine Liebesbeziehung folgt. Nur dieses könnte die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in einem Ausmaß beeinträchtigen, das dazu führt, dass die Interessen der Arbeitnehmer zurücktreten müssen.

Liebe kann aber auch dann Sünde sein, wenn ein Beteiligter unter ihr leidet. Sie muss einvernehmlich ausgelebt werden. Übergriffe sind Tabu. Die Erwartungen der beteiligten Beschäftigten an die Beziehung müssen sich decken. Kränkungen sind zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte, die im Betrieb häufig den Partner wechseln und  trauernde Kollegen hinterlassen, die kaum mehr arbeitsfähig sind – das Büro ist nicht „der Bachelor“.

Was ist in den USA passiert?

Bleibt die Frage, was Steve Easterbrook, der ehemalige CEO von McDonald´s, falsch gemacht hat. Hat er seine Mitarbeiterin bevorzugt? Oder litt seine Arbeitsleistung? Gab es lautstarke Auseinandersetzungen? Nein. Ihm wurde die Liebesbeziehung an sich zum Verhängnis. In den USA ist das möglich. Dort sind solche Verhaltensregeln, die Liebesbeziehungen unter Kollegen untersagen, zulässig. Aber auch dort ist der Zweck des Verbotes im Grunde nicht die Verhinderung von Liebesbeziehungen, sondern von sexueller Belästigung bzw. die Vermeidung von Drucksituationen, insbesondere in hierarchischen Verhältnissen.

Steve Easterbrook war übrigens nicht das erste prominente „Opfer“ einer solchen Verhaltensregel. Vor ihm verloren  schon 2005 der Vorstandsvorsitzende von Boeing und 2010 der CEO von Hewlett Packard wegen einer Liebesbeziehung ihren Job.

Fazit: Was kann ein Arbeitgeber tun?

Ein Arbeitgeber kann eine Liebesbeziehung nicht verbieten, sollte aber Grenzen ziehen:

Grundsätzlich sollte ein Arbeitgeber klarstellen, dass Beziehungen mit Auszubildenden, insb. Minderjährigen, nicht zulässig sind.

Weiterhin kann – mit großer Vorsicht – in einen Verhaltenskodex etwas zum Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen, insb. Liebesbeziehungen, im Betrieb aufgenommen werden. Grundsätzlich würden wir dies nicht empfehlen. Es sollte hier die Einsicht zum besonnenen Umgang miteinander ausreichen. Ggf. kann in den Code of Conduct im Rahmen der AGG-Klausel etwas aufgenommen werden.

Im Kern sind in so einer Situation aber die Vorgesetzten gefordert: Insbesondere bei Bestehen eines Über-/Untergeordneten-Verhältnisses zwischen den beiden beteiligten Beschäftigten, sollte beim Entstehen einer dauerhaften Beziehung darauf hingewirkt werden, dass die Beteiligten einer Versetzung so zustimmen, dass im betrieblichen Regelablauf eine Zusammenarbeit nicht mehr stattfindet.

Auch in Fällen eines Gleichordnungsverhältnisses oder eines „nebeneinander Arbeiten“ von beteiligten Beschäftigten, sollte der Vorgesetzte mittel- bis langfristig auf eine möglichst große Entfernung der Arbeitsplätze der Beteiligten im Betrieb hinwirken.

Eine dauerhafte Zusammenarbeit von in einer Partnerschaft lebenden Beschäftigten birgt die vorstehend genannten Risiken und insbesondere im Trennungsfall ein besonders hohes Störpotenzial für alle Beteiligten, insb. das betriebliche Umfeld. Dem empfiehlt es sich rechtzeitig vorzubeugen.

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