Vergütung

Begrenzung von Manager-Gehältern entmachtet Aufsichtsräte

Thomas Hey,
Thomas Hey, © Clifford Chance

Die SPD hat einen Vorschlag zur Begrenzung der Manager-Gehälter wieder aufgegriffen, den sie schon einmal vor drei Jahren nahezu wortgleich eingebracht hat. Hauptziel ist es, Manager-Vergütungen von über EUR 500 000 als zu hoch darzustellen und sie nicht mehr als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar zu gestalten.

Unabhängig davon, dass der Vorschlag zur Begrenzung von Manager-Gehältern eine Einmischung in die Vertragsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG und zudem noch einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 GG und damit eine völlig unnötige Beschränkung der Gestaltungsfreiheit von Unternehmen darstellt (wie bereits an früherer Stelle im Platow-Brief angemerkt), ist er vor allem eine Entmachtung der Aufsichtsräte.

Grundsätzlich ist der gesamte Vertrag für Vorstände von Aktiengesellschaften, Geschäftsführer von GmbHs bei der paritätischen Mitbestimmung (in Unternehmen ab 2 000 Beschäftigten), Vorstände von Genossenschaften etc. gemäß §§ 84 Abs. 1 S. 5 in Verbindung mit S. 1, 112 AktG und § 31 MitbestG Sache des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat ist somit das gesetzlich zuständige Gremium für alle Vertragsangelegenheiten der entsprechenden Organe der Gesellschaft. Bei größeren Gesellschaften ab 2 000 Beschäftigten handelt es sich um mitbestimmte Aufsichtsräte, die zu 50% mit Arbeitnehmervertretern besetzt sind. Zusätzlich müssen sich diese Aufsichtsräte vor Gesellschafterversammlungen bzw. in der Hauptversammlung verantworten (vgl. § 119 AktG) und dort ihr Tun hinsichtlich der Festlegung der Vergütung von Organen darlegen und vertreten. Bereits § 120 Abs. 4 AktG und die Möglichkeit, Systeme zur Vergütung von Vorstandsmitglieder durch die Hauptversammlung bei börsennotierten Gesellschaften beschließen zu lassen, nehmen ein Stück weit die Kompetenz der Aufsichtsräte und verlagern sie in die Hauptversammlung. Allerdings, macht § 120 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz AktG auch deutlich: ""Die Verpflichtung des Aufsichtsrates bezüglich der Vergütung der Vorstände nach § 87 bleiben unberührt."

Aufsichtsräte müssen für die Festlegung der Vergütung mit allen Informationen versorgt werden, die sämtliche im Dienstverhältnis bzw. im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis erlangten Vergütungen der Organe betreffen. Dies gilt zum Beispiel auch für die Teilnahme an Aktienoptionsplänen bei ausländischen Konzerngesellschaften. Der Aufsichtsrat muss vor allem mit Blick auf die variablen Bestandteile der Vergütung darauf achten, dass die Entwicklung der Geschäftslage des Unternehmens berücksichtigt wird und eine Festlegung der jeweiligen Vergütung in Abhängigkeit des Gesamtkonzerneinkommens erfolgt. Für Banken, Finanzinstitute und auch die Versicherungswirtschaft gilt ohnehin die Institutsvergütungsordnung (IVV), die genau regelt, wie die Vergütung auszusehen hat. Für Aktiengesellschaften finden sich in § 87 AktG weitergehende Regelungen. Schließlich sind der Deutsche Corporate Governance Codex (vgl. insbesondere Ziffer 4.2) und für Unternehmen aus dem öffentlichen Bereich auch der Public Corporate Governance Codex (vgl. insbesondere Ziffer 4.3 und Ziffer 6.2) zu beachten.

Es gibt also bereits viele Regelungen für die Vergütung von Organen. Hinzu kommt, dass zumindest in Gesellschaften mit mehr als 2 000 Beschäftigten, Aufsichtsräte mit starker Arbeitnehmerbeteiligung existieren, die in der Regel mit zwei externen Gewerkschaftsvertretern besetzt und für die Vergütung des jeweiligen Organs zuständig sind.

Gerade die Unternehmensmitbestimmung ist in den letzten Jahren immer wieder in der Diskussion gewesen. Durch die Möglichkeit der Nutzung ausländischer Gesellschaftsformen wie der europäischen Aktiengesellschaft (SE) in Deutschland, als sogenannte Flucht aus der Mitbestimmung bezeichnet, und die gewerkschaftliche, aber auch sozialdemokratische Forderung, die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland zu fördern, ergibt sich nun eine interessante Konstellation: Einerseits gibt es ein System der mitbestimmten Aufsichtsräte, das grundsätzlich die Kontrolle von Organvergütung ermöglicht. Außerdem wird gerade von Arbeitnehmerseite die Stärkung dieses Systems und die Einbeziehung ausländischer Gesellschaftsformen unter das Regime der Mitbestimmung in Deutschland gefordert. Andererseits ruft aber genau diese Seite nach weiteren Einschränkungen der Handlungsmöglichkeiten von Aufsichtsräten bei der Festlegung von Organvergütung.

Das passt nicht zusammen!

Nimmt man das System der Mitbestimmung ernst und will man es zukünftig stärken, muss man ihm seine originären Rechte lassen. Eines der stärksten Rechte der Aufsichtsräte ist die Verantwortung für die Verträge der Organe der Gesellschaft und damit natürlich auch die Festlegung der Vergütung. Will man diese wie die SPD weiter einschränken, nimmt man hier der Mitbestimmung eine ihrer Kernaufgaben. Dadurch wird sie so entscheidend geschwächt, dass die Ernsthaftigkeit des gleichzeitig vorgetragenen Verlangens nach Stärkung und Bewahrung des deutschen Two-Tier-Systems von Vorstand/Geschäftsführung und Aufsichtsrat hinterfragt werden muss.

Fazit: Die Arbeitnehmerseite, die Gewerkschaften und insbesondere die SPD werden sich die Frage stellen müssen, was sie denn wollen: Starke, verantwortungsvolle und handlungsfähige Aufsichtsräte? Diese müssten dann auch die Möglichkeit haben, verantwortungsbewusst und nachhaltig die Vergütung von Organen selbst festlegen zu dürfen. Nimmt man ihnen dieses zentrale Recht und diese zentrale Aufgabe, für die sie konsequenterweise auch bei Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden können, nimmt man ihnen zugleich ein Kernstück ihrer Aufgabe. Damit stellt man zugleich auch das System von Vorstand/Geschäftsführung und Aufsichtsrat in Frage. Dann sollte man so konsequent sein und das deutsche Two-Tier-System gegen das angloamerikanische One-Tier-System mit Executive und Non-Executive Board Members austauschen. Andernfalls gerät der deutsche Aufsichtsrat in Gefahr, zu einer reinen Frühstücksveranstaltung zu werden, bei der sich immer mehr die Frage stellt, wie sinnhaft der Aufsichtsrat überhaupt noch ist, warum man mindestens vier Tage hochbesetzter Managementzeit im Jahr vergeudet und schließlich, warum man das Geld für die teilweise erhebliche Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder aufwendet. Aus Sicht vieler scharfer Rechner ist es fraglich, warum bis zu einer Million Euro oder gar mehr an Aufsichtsratsvergütungen pro Jahr aufgewandt werden für ein Gremium, das wenig entscheidet, keine Geschäftsverantwortung trägt und dazu auch noch die Zeit des operativ-aktiven Managements bindet.

Aus meiner Sicht gibt es bereits deutlich zu viele Einschränkungen hinsichtlich der Vertragsfreiheit für die Vergütung von Organen in Deutschland. Ich halte das System von Vorstand/Geschäftsführung und Aufsichtsrat für richtig und gut, so man es lebt und auch Verantwortlichkeiten klar zuweist. Dazu gehört aber auch, dass bei entsprechenden Fehlern Haftung geltend gemacht werden kann.

Schließlich stellt sich die Frage, ob international aufgestellte Konzerne ihre Top-Manager nicht zukünftig im Ausland beschäftigen und die CEOs in Luxemburg, London oder in der Schweiz ihre Verträge erhalten. Auch dies würde wiederum die deutsche Mitbestimmung umgehen und schwächen. Zusätzlich würden viele Steuern im Ausland anfallen, ein weiteres unwillkommenes Ergebnis einer solchen Managerflucht. Letztlich zeigt sich aus Erfahrungen von Ländern, in denen es derartige Regulierungen schon gibt, dass Unternehmen die notwendigen Managergehälter, die gezahlt werden müssen, um attraktive Manager in die Position bekommen zu können, durch Einsparung an anderer Seite erreichen. So kann die Beschränkung der Manager-Gehälter beispielsweise zur Lohndiskriminierung von Frauen führen, aber das ist bereits ein weiteres Thema.

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