Richtiges Verhalten als arbeitsrechtliche Nebenpflicht
Das richtige Verhalten von Arbeitnehmern bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gewinnt neue Dimensionen. Der Grund: Die Übergänge zwischen Freizeit und Arbeitszeit werden immer fließender, weil Arbeitnehmer auch in der Freizeit dienstliche Einsätze haben können, die Arbeit andererseits immer mehr wie Freizeit behandelt wird und die Versuchung wächst, sich deshalb auch von Freizeitverhalten leiten zu lassen.
Der erste Aspekt dieser Thematik ist die Sprache. Korrekte und angemessene Umgangsformen im Geschäftsleben weichen immer mehr informellen Umgangsformen. Dies lässt sich am allgemeinen Trend zum Duzen erkennen. Dabei spielen sicherlich auch Social Media wie Facebook, Twitter & Co oder die Kommunikation via WhatsApp eine Rolle. Dass in diesem Bereich die Grenzen zur Freizeit stark verschwimmen, lässt sich zum Beispiel an der zunehmenden Verwendung von Smileys in E-Mails erkennen. Eine wichtige geschäftliche Mitteilung, selbst wenn diese nur intern kommuniziert wird, wirkt deutlich unprofessioneller, wenn sie mit einem "":-)"" oder "":-("" versehen wird. Auch der Umgangston mit Kunden, mit denen man über ein soziales Netzwerk verlinkt ist, ist in der Regel deutlich lockerer und weniger geschäftlich. Dabei kann es schwierig sein, eine Grenze zwischen beruflich gewollten und von Arbeitgebern geförderten freundschaftlichen Kontakten und Networking mit Kunden und Geschäftspartnern einerseits und einem zu saloppen Umgang andererseits zu ziehen. Ein lockerer und freundschaftlicher Umgangston kann dazu führen, dass auch der Inhalt der Äußerungen unbedachter wird. Bei der Wahl des Kommunikationsmittels sollte daher grundsätzlich abgewogen werden, ob dieses zu einer adäquaten Kommunikation zwischen Geschäftspartnern passt oder eher dem privaten Gebrauch vorbehalten sein sollte. Wenn Geschäfte über SMS abgewickelt werden, sollte neben der Frage der Angemessenheit zusätzlich bedacht werden, dass diese im Zweifel vor Gericht als Beweismittel kaum tauglich sind.
Die zweite Komponente ist die Bekleidung. Auch wenn es keine vertragliche Regelung hierzu gibt, können Arbeitgeber grundsätzlich eine branchenübliche Bekleidung als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht verlangen (vgl. hierzu im Einzelnen meinen PLATOW-Kolumnenbeitrag ""Machen Kleider Arbeitnehmer?"" vom 4. Oktober 2013). Bekleidungsregeln können helfen, eine angemessene Kleidung zu definieren – etwa ein weißes Hemd, Anzug und Krawatte für das Büro oder der Blaumann zur Arbeit. Vermehrt wird in Büros der sog. Casual Friday eingeführt, um dem Bedürfnis von Arbeitnehmern, sich legerer zu kleiden, entgegenzukommen. Hierbei zeigt sich aber oft, dass die Vorstellungen von dem Dresscode ""Casual"" stark variieren, sodass es sich anbietet, auch hier zumindest einen klaren Maßstab (etwa entsprechend dem Dresscode ""Smart Casual"") festzulegen. Dass selbst an heißen Sommertagen Flipflops im Büro ein No-Go sind, sollte sich eigentlich von selbst verstehen, sie lassen sich jedoch zunehmend dort finden. Ferner sollte deutlich gemacht werden, dass der Casual Friday nur gilt, wenn keine Termine mit Geschäftspartnern, Kunden bzw. Mandanten anstehen. Andererseits ist es aber auch nachvollziehbar, dass ein Arbeitnehmer im Home Office keinen Anzug anzieht, um sich zuhause vor den Laptop zu setzen.
Als dritten Gesichtspunkt lässt sich das sonstige Verhalten des Arbeitnehmers nennen. Freizeit- und Arbeitstätigkeiten werden zunehmend gemischt. Wie leicht macht man zwischen der Arbeit ein Online-Banking-Geschäft am PC im Büro, bucht eine Reise oder schaut auf Facebook nach, was es im Bekanntenkreis Neues gibt. Nur wenigen ist klar, dass ein solches Verhalten einen Arbeitszeitbetrug oder eine regelwidrige Nutzung von IT und Internet des Arbeitgebers darstellen könnte. Als Rechtfertigung wird der Arbeitnehmer wahrscheinlich anführen, er arbeite doch ohnehin deutlich mehr als die üblichen 40 Stunden und komme sonst gar nicht zu derartigen Erledigungen. Doch es mehrt sich nicht nur Freizeitverhalten am Arbeitsplatz, sondern auch Arbeit in der Freizeit. Viele Arbeitnehmer sind jederzeit erreichbar und antworten auch abends um 22 Uhr von zuhause mit dem Tablet oder anderen mobilen Endgeräten auf eilige E-Mails von Kunden. Hier kann es allerdings zu einem Konflikt mit dem Arbeitszeitgesetz kommen: Der Arbeitnehmer darf in einem solchen Fall wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepause von elf Stunden erst um 9 Uhr am nächsten Tag wieder im Büro sein, um tätig werden zu können (vgl. hierzu im Einzelnen meinen PLATOW-Kolumnenbeitrag ""Anachronismen im Arbeitszeitgesetz"" vom 5. September 2014). Es ist außerdem wichtig, bei Arbeitnehmern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch in der privaten Sphäre Dienstliches mit der gebotenen Professionalität behandelt wird: Es versteht sich von selbst, dass man sich nicht über eine angebliche Insolvenznähe seines Arbeitgebers in der einzigen Kneipe eines kleinen Ortes, in dem sich auch das Unternehmen befindet, auslassen sollte. Dies war auch in der Vergangenheit bereits für das BAG ausreichend Grund, eine außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB als wirksam anzusehen.
Oftmals ist es allerdings schwierig, bei einer Vermischung von Beruflichem und Privatem die Verletzung einer arbeitsrechtlichen Pflicht konkret zu benennen – wie im nachfolgenden Fall: Bei einem Unternehmen legte ein Arbeitnehmer in einem leer stehenden Kühlcontainer auf dem Betriebsgelände eine Werkstatt an, in der er private Motorräder und das entsprechende Equipment, um an diesen ""herumzuschrauben"", aufbewahrte. Hierbei war grundsätzlich kein Schaden entstanden: Der Container wurde nicht gebraucht, kaputt gegangen war nichts und die Arbeitsleistung als solche wurde von der Mandantin nicht bemängelt. Es stellte sich daher die Frage, ob in diesem Fall überhaupt Arbeitnehmerpflichten verletzt wurden.
Wie lösen wir das Problem?
Hier hilft zunächst das altbewährte Direktionsrecht: Nur klare Anweisungen, im Zweifelsfalle schriftlich, sind geeignet, Vorgaben zu machen, deren Missachtung disziplinarisch sanktioniert werden kann. Zusätzlich muss unseres Erachtens das Bewusstsein der Beschäftigten dafür gestärkt werden, besser zu unterscheiden, ob sie dienstlich oder privat agieren. Tatsächliche Verbote, Dienstliches und Privates zu vermischen, helfen hier nur bedingt, weil in Deutschland rigide Vorschriften wie in den USA – man denke nur an den Walmart-Beschluss des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf und die beliebte Vorschrift, keine privaten Beziehungen zu Kollegen zu unterhalten – nicht zulässig sind. Dies wird noch viel weniger für ein Verbot von privatem Kontakt zu Kunden oder Geschäftspartnern gelten, welches zudem – jedenfalls so pauschal – nicht gewünscht sein dürfte, da Networking eine immer größere Rolle spielt. Nach unserer Auffassung ist der beste Weg, geschäftliche und nichtgeschäftliche Zonen klar zu definieren.
Ein begrüßenswerter Ansatz ist deshalb, bestimmte Bereiche des Tages als Kernarbeitszeit festzulegen. Hier erwartet der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer, dass er sich dienstlich verhält – auch dann, wenn er nicht im Büro sein sollte. In diesem Bereich soll der Arbeitnehmer grundsätzlich erreichbar und ansprechbar sein und vor allem auch bei jedwedem Kunden- und Kollegenkontakt (gegebenenfalls abgestuft) gewisse Umgangsformen hinsichtlich Dresscode und Sprache einhalten. Ergänzend kann dann ein zweiter Bereich vereinbart werden, während dessen der Arbeitnehmer grundsätzlich im Betrieb oder an festgelegten Orten verfügbar sein muss, aber nicht tätig ist. Dieser Bereich wird üblicherweise bisher als Bereitschaftszeit oder Bereitschaftsdienst qualifiziert und ist arbeitszeitrechtlich und auch in Bezug auf die Vergütung eher dem vorstehend erläuterten Bereich der betrieblichen Kernarbeitszeit zuzuordnen. Daher kann der Arbeitgeber - wenn auch etwas abgeschwächt - ähnliche Anforderungen an das Verhalten des Beschäftigten in dieser Zeit stellen. Schwieriger zu definieren ist der dritte Bereich: In diesem Zeitbereich muss der Arbeitnehmer nicht im Betrieb sein, ist aber grundsätzlich ansprechbar, nimmt eingehende E-Mails wahr und ist gegebenenfalls nach vorheriger Absprache bereit, betriebliche Tätigkeiten durchzuführen. Zu qualifizieren wäre diese Zeit nach bisherigen Denkmodellen als Abrufarbeit oder reguläre betriebliche Arbeitszeit, die aus den Kernarbeitszeiten verschoben wird (eine Art kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit). Dieser Bereich wäre zwischen dienstlicher Sphäre und Privatleben einzuordnen. Ein vierter Bereich könnte dann so vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht erreichbar ist und konsequenterweise auch keine E-Mails oder ähnliches liest, allerdings in Notfällen erreichbar ist. Dies wäre dann eine Art Notfallabrufarbeit. Dieser Bereich wäre grundsätzlich der Freizeit zuzuordnen und bestimmte Verhaltensanforderungen des Arbeitgebers, wie zum Beispiel Abstinenz, müssten ausdrücklich vereinbart werden. Der letzte Bereich wäre dann die vollständige Ruhezeit.
Dieses Modell, das grundsätzlich gut geeignet ist, Arbeitszeiten zu managen, Erwartungen an die Erreichbarkeit und Tätigkeit von Beschäftigten und deren Freizeitverhalten zu organisieren sowie Freizeit zu planen, kann zudem technisch unterstützt werden: Auch wenn ""Bring your own device"" heute ein beliebtes Mittel ist, um Kosten zu sparen und zugleich die Mitarbeiter glücklich zu machen, weil sie das Gerät ihrer Wahl nutzen können, ist es kontraproduktiv, denn es leistet der Entgrenzung von Freizeit und Arbeitszeit weiter Vorschub. Möchte man seinen Beschäftigten bei der Wahl des Arbeitsgeräts entgegenkommen, ist ""Choose your only device"" eine wesentlich geeignetere Variante. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass man bereits beim Griff zum Handy, Tablet oder Notebook unterscheiden muss: Ist es dienstlich oder privat? Das hilft, sich darauf zu besinnen, wie man agiert.
Fazit: Die Entprofessionalisierung der Arbeitswelt betrifft die Bereiche Bekleidung, Sprache und Verhalten. Daher ist erhebliche Aufklärungsarbeit, auch seitens der Gewerkschaften und Betriebsräte notwendig, um Kolleginnen und Kollegen auf die erforderliche Differenzierung zwischen Dienstlichem und Privaten aufmerksam zu machen. Hierbei können klare Vorgaben helfen, etwa durch Einführung von Bekleidungs- und Verhaltensrichtlinien und/oder eines Abgrenzungsmodells. Aufgrund der Entgrenzung zwischen dienstlichem und privatem Tun, nicht zuletzt durch Internet und Social Media, ist hierbei Wahrnehmung verloren gegangen, die wiedergewonnen werden muss.
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