Das geplante Kleinanlegerschutzgesetz
Vor dem Hintergrund jüngster Skandale am "grauen Kapitalmarkt" (Prokon, INFINUS, S&K) stellte die Bundesregierung am 22. Mai 2014 einen ""Aktionsplan zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt"" vor. Mit dem Referentenentwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes vom 28.7.2014 liegt nun der erste Entwurf für dessen Umsetzung vor. Die PLATOW-Kolumnisten Michael Leistikow und Christian Reichmann nehmen diesen Entwurf einmal genauer unter die Lupe und erläutern die wichtigsten Aspekte.
Durch das Kleinanlegerschutzgesetz sollen bestehende Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten geschlossen, Risiken von Finanzprodukten offen gelegt, Informationsmöglichkeiten verbessert, bestimmte Werbe- und Vertriebsmethoden unterbunden und die (Eingriffs-) Möglichkeiten der BaFin ausgeweitet werden.
Mit all diesen Maßnahmen möchte die Bundesregierung nicht nur einzelne Anleger schützen, sondern auch das Vertrauen in den deutschen Kapitalmarkt insgesamt stärken. Diese Zielsetzung ist auf jeden Fall zu unterstützen. Medienwirksame Insolvenzen und Betrugsfälle auf Grund derer Anleger ihr eingesetztes Kapital verlieren, können nämlich dazu führen, dass das allgemeine Vertrauen in den Kapitalmarkt sinkt und die Anleger diesen zukünftig meiden. Dies gilt es - im Interesse aller Marktteilnehmer - zu verhindern. Fraglich erscheint jedoch, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen dieser Zielsetzung zuträglich sind oder nicht.
Erweiterung des Anwendungsbereichs des Vermögensanlagengesetzes
Nachdem Genussrechte und Namensschuldverschreibungen bereits einer Regulierung unterworfen wurden, sollen nun auch partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und sonstige Anlagen reguliert und eine Prospektpflicht für diese eingeführt werden. Diese weitgehende Gleichstellung aller denkbaren Anlageformen ist grundsätzlich zu begrüßen.
Die bisher bestehenden Ausnahmen für Kleinstemissionen bis EUR 100.000, Mitarbeiterbeteiligungen und Vermögensanlagen mit Anteilen von über EUR 200.000 bleiben unberührt. Eine weitere neue Ausnahme von der Regulierung sieht der Gesetzesentwurf für so genannte Crowdfunding-Projekte unter den folgenden Bedingungen vor: (1) der Gesamtbetrag der vom Emittenten ausgegebenen Nachrangdarlehen oder partiarischen Darlehen überschreitet nicht EUR 1 Mio., (2) einzelne Anleger können keine Anteile von mehr als insgesamt EUR 10.000 erwerben und (3) die Vermögensanlagen werden über eine aufsichtspflichtige Crowdfunding-Plattform angeboten.
Komplett verboten werden Anlagen, die eine Nachschusspflicht für den Anleger vorsehen.
Vermögensanlagen müssen zudem künftig eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten vorsehen, wobei eine Kündigung nur mit einer Frist von mindestens zwölf Monaten zulässig ist.
Erweitert wird auch der Katalog der in den Prospekt aufzunehmenden Informationen (z.B. auf personelle Verflechtungen und bereits begebene Vermögensanlagen und deren Rückzahlbarkeit). Zukünftig ist jeder Prospekt nur noch für 12 Monate gültig.
Das bisher schon erforderliche Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) soll zukünftig jeder Anleger unterschreiben und an den Emittenten zurücksenden müssen. Dies wird insbesondere Online-Crowdfundig-Plattformen vor neue Herausforderungen stellen.
Der Gesetzesentwurf sieht weiterhin vor, dass Emittenten ihre Anleger auch nach Platzierung der Anlage über wesentliche Entwicklungen unterrichten müssen (Ad-hoc-Publizität).
Werbeverbot, Risikohinweis, Eingriffsrechte
Des Weiteren beschränkt der Gesetzesentwurf massiv die Möglichkeiten, Vermögensanlagen zu bewerben. Als direkte Reaktion auf das Geschäftsgebaren des Unternehmens Prokon wird unter anderem Werbung für Vermögensanlagen mittels Flyern, Postwurfsendungen und im öffentlichen Raum verboten. Werbung ist künftig nur noch zulässig (1) in Medien, die schwerpunktmäßig über wirtschaftliche Sachverhalte berichten (und auch dort nur im Zusammenhang mit solchen wirtschaftlichen Sachverhalten), (2) falls der Empfänger ausdrücklich dem Erhalt zugestimmt hat oder (3) falls der Empfänger selbst einer Regulierung unterliegt.
Darüber hinaus muss jegliche Werbung den folgenden Warnhinweis enthalten:
Der Erwerb einer Vermögensanlage ist mit nicht unerheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Rendite oder der Ertrag, desto größer das Risiko eines Verlusts".
Schließlich soll die BaFin verstärkt verbraucherschützend tätig werden. Hierzu soll sie weiter gehende Eingriffsrechte erhalten, die es ihr ermöglichen, bestimmte Arten von Werbung zu untersagen, um festgestellten Missständen zu begegnen.
Fazit
Auch wenn alle einzelnen Maßnahmen für sich genommen auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mögen, steht zu befürchten, dass ihre Kombination erhebliche negative Auswirkungen sowohl für die Emittenten von Vermögensanlagen als auch für die Anleger haben wird.
Sofern keine der oben aufgeführten Ausnahmeregelungen eingreift, ist in Zukunft für jede Vermögensanlage ein Vermögensanlagenprospekt zu erstellen. Die Kosten dafür belaufen sich auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Gelingt eine Platzierung innerhalb von 12 Monaten nicht, so ist entweder ein neuer Prospekt zu veröffentlichen (der weitere Kosten verursacht) oder das Angebot zu beenden. Durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht entstehen weitere laufende Kosten. Diese Kosten trägt im Ergebnis nicht irgendwer, sondern der Anleger. Die Kosten schmälern seine Rendite. Je kleiner die Gesamtsumme der Emission ist, desto mehr werden die Kosten ins Gewicht fallen. Es erscheint kaum denkbar, dass Emissionen im Bereich von EUR 100.000 bis EUR 2.000.000 noch zu attraktiven Konditionen realisierbar sein werden. Es ist deshalb zu erwarten, dass Emissionen im Bereich von EUR 100.000 bis 1.000.000 zukünftig nur noch über Crowd-Investing-Plattformen erfolgen werden.
Weiterhin wird das ""Produkt"" Vermögensanlage auch durch die vorgeschriebene Laufzeit und die lange Kündigungsfrist unattraktiver für die meisten Anleger werden. Der in der Werbung, dem VIB und dem Prospekt zwingend vorgeschriebene Warnhinweis wird sein Übriges tun.
Das Hauptproblem wird darin liegen, überhaupt noch geeignete Anleger zu finden, da Werbung nur noch sehr eingeschränkt zulässig sein wird. Wo hier genau die Grenzen liegen werden (Welches Medium berichtet schwerpunktmäßig über wirtschaftliche Sachverhalte? Auf welche Art und Weise kann die Einwilligung der Anleger zur Übersendung von Angeboten eingeholt werden?) wird sich in Zukunft noch zeigen müssen.
Im Ergebnis entsteht der Eindruck, das Ziel des Gesetzgebers sei es, zu verhindern, dass Kleinanleger überhaupt noch in alternative Vermögensanlagen investieren. Indem er die Attraktivität des Produkts verringert, ausdrücklich vor ihm warnt und die Möglichkeiten für es zu werben empfindlich beschränkt, dürfte er sein Ziel erreichen.
Michael Leistikow ist Partner, Christian Reichmann Senior Associate am Düsseldorfer Standort von Hogan Lovells.
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