Crowdfunding und Venture Capital Anschlussfinanzierung – Das funktioniert.

Wir alle erleben derzeit massiv den Trend der Shareconomy: Autos werden gemeinsam genutzt (carsharing), Geld wird nicht bei Banken angelegt, sondern direkt verliehen (crowd lending) und jeder kann Finanzinvestor werden, indem er sich an Start-ups im Wege des Crowdfunding beteiligt. PLATOW-Kolumnist Peter Huber wirft vor diesem Hintergrund einen genaueren Blick auf die unterschiedlichen Modelle.

Unter Crowdfunding versteht man die Kapitalbeschaffung aus einer Vielzahl kleiner Quellen über eine Internet-basierte Vermittlungsplattform. Viele Kapitalgeber stellen kleinere Geldbeträge zur Finanzierung eines Projekts, eines Produkts oder zur Umsetzung einer Geschäftsidee zu Verfügung. Die Kapitalgeber beim Crowdfunding erhalten für ihr Engagement eine (mitunter wenig) werthaltige Gegenleistung. Die Vermittlungsplattform erhält für ihre Dienste ein Entgelt von 5 bis 10% der eingeworbenen Summe.

Beim equity-based Crowdfunding (auch Crowdinvesting) geht es meist um die Finanzierung eines Start-ups. Anbieter wie Seedmatch, Companisto oder Innovestment ermöglichen Start-ups, über ihre Internet-Plattform Kapital von Crowdinvestoren einzusammeln. Dabei schließt das Start-up bei einem erfolgreichen Crowdinvestment mit einer Vielzahl von Crowdinvestoren Beteiligungsvereinbarungen. Diese sehen typischerweise vor, dass die Crowdinvestoren gegen Zahlung ihrer Investments an laufenden Gewinnen sowie Exiterlösen bei Veräußerung des Start-ups in Höhe einer gewissen Quote beteiligt sind. Bis Ende 2012 wurden regelmäßig nur Gesamtbeträge von bis zu 100.000 Euro durch Crowdinvesting finanziert, mit Beginn von 2013 sind durch die Bank größere Tickets zu beobachten. Die Protonet GmbH schloss am 18. Juli 2014 die bislang größte deutsche Crowdinvestment-Runde ab: 3 Mio. Euro. Derzeit dürfte es knapp 150 deutsche Gesellschaften geben, die im Wege des Crowdinvesting finanziert wurden.

Siebenstellige Crowd Finanzierungen sind die (noch?) seltene Ausnahme, so dass viele Crowd-finanzierte Start-ups in ihrer weiteren Unternehmensentwicklung eine Anschlussfinanzierung durch Venture Capital (VC) Investoren suchen. Die entscheidenden Fragen, die sich die Gründer eines Start-ups vor dem Crowdinvestment stellen sollten, wären: ""Wie können wir verhindern, dass das Crowdinvestment unser Start-up unfinanzierbar macht? Worauf müssen wir achten, damit eine VC Anschlussfinanzierung möglich bleibt?"

Um die Fragen nach der Anschlussfinanzierung beantworten zu können, muss man sich die Interessenlage eines VC Investors verdeutlichen: VC Investoren stellen für einen mittelfristigen Anlagezeitraum jungen Unternehmen Risikokapital zur Verfügung, um deren Wachstum zu beschleunigen und diese dann gewinnbringend zu veräußern. Das Ziel eines jeden VC Investors ist dabei der Exiterlös und dessen Maximierung:

  • Jeglicher Mittelabfluss aus dem finanzierten Unternehmen ist zu verhindern, da diese Mittel für den Wachstum des Unternehmens und damit bei der Gewinnmaximierung fehlen bzw. in einer neuen Finanzierungsrunde mühsam wieder eingeworben werden müssen. Konsequenterweise will ein VC Investor keine Dividenden; Gewinne werden reinvestiert.
  • Es muss ein 100%-Exit möglich sein, bei dem der Käufer ein Unternehmen bekommt, das frei von Rechten Dritter ist. Nur hierfür wird der beste Preis bezahlt.

Der Gesellschafterkreis muss aus vernünftig handelnden Personen bestehend, so dass keine Hindernisse für Wachstum und Exit zu erwarten sind.

Nur wenn der Exit gelingt, können VC Investoren die Renditen erzielen, die sie ihren Anlegern versprechen. Daher wird eine VC Anschlussfinanzierung bei einem Start-up nicht stattfinden, bei dem auf Grund des Crowdinvestments (selbstverständlich aber auch aus anderen Gründen) dem Exit-Ziel des VC Investors Hindernisse entgegenstehen.

Nach derzeitig marktüblicher Ausgestaltung schließt ein Crowdinvestment regelmäßig eine VC Anschlussfinanzierung nicht aus:

Keine Hindernisse aus dem Gesellschafterkreis, Unternehmen frei von Rechten Dritter

Crowdinvestoren sind nur schuldrechtlich am Start-up beteiligt, sie sind nicht Gesellschafter. Die meisten deutschen Crowdinvestment-Plattformen bieten hybride, der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung wirtschaftlich angenäherte Finanzierungsformen an (Genussrecht, partiarisches Darlehen), um Prospektpflichten, Beurkundungserfordernisse und Gesellschafterkreise mit hunderten von Kleinstbeteiligten zu vermeiden. Mangels Gesellschafterstellung ergeben sich im Hinblick auf Mitspracherechte sowie Obstruktionsmöglichkeiten der Crowdinvestoren bei einem Exit daher keine Probleme. Typischerweise enden die Verträge mit den Crowdinvestoren beim Exit (gegen entsprechende Beteiligung am Exiterlös), so dass der Käufer das Start-up frei von Crowdinvestoren und Gewinnbeteiligungen erwirbt.

Maximaler Kaufpreis

Das massive Problem der auf ewig unveränderlichen Beteiligungsquote wurde mittlerweile gelöst: In der Anfangszeit des Crowdinvesting war die Beteiligungsquote der Crowdinvestoren fest ausgestaltet. Egal wie das Stammkapital erhöht wurde, die Crowdinvestoren blieben mit fixen Quoten am Start-up beteiligt und hatten somit – zum Nachteil des VC Investors und der Gesellschafter – Anspruch auf einen viel größeren Teil der Exiterlöse als es ihr Investment rechtfertigte. Mittlerweile haben die Plattformbetreiber ihre Musterverträge angepasst, so dass die Beteiligungen der Crowdinvestoren nunmehr fast durchweg verwässern und sich ihre Beteiligungsquote im Falle von Kapitalerhöhungen entsprechend reduziert.

Kein Mittelabfluss aus dem Start-up

Problematisch ist derzeit noch das Thema Mittelabfluss: Crowdinvestoren erhalten meist einen geringe Basisverzinsung (1% p.a.) sowie eine Beteiligung am Jahresgewinn in Höhe der Beteiligungsquote. Es kommt also zu einem regelmäßigen Abfluss von Mitteln aus dem Start-up. Das lässt sich u.U. verhindern, wenn die Geschäftsführung darauf achtet, drohende Gewinne durch Ausgaben zu vermeiden. Riskanter sind die Sonderzahlungen bei Beendigung der Beteiligungsvereinbarungen: Crowdinvestoren können – wenn es vorher nicht zum Exit kommt – ihr Investment nach einer bestimmten Laufzeit kündigen (etwa 5 bis 7 Jahre) und erhalten dieses dann zusammen mit einer Sonderzahlung zurück. Deren Höhe entspricht einem Bruchteil des Unternehmenswertes oder des Umsatzes/EBIT. Das kann dazu führen, dass bei zeitnaher Kündigung einer Vielzahl von Crowdinvestoren erhebliche Summen auszuzahlen sind, die dann im operativen Betrieb fehlen. Es gibt einige VC Investoren, die dieses Risiko sehenden Auges akzeptieren, weil sie auf einen früheren Exit und die Vernunft der Crowdinvestoren vertrauen. Andere sind dazu nicht bereit.

Eine Vor-Finanzierung durch die Crowd steht der anschließenden VC Finanzierung eines Start-ups grundsätzlich nicht im Wege. Falls ein VC Investor das Crowdinvestment als Hindernis bewertet, besteht trotzdem Hoffnung: Mit einer Restrukturierung des Crowdinvestments kann auch dieses Problem erfahrungsgemäß gelöst werden.

Peter Huber ist Senior Asscoiate im Münchener Büro von Hogan Lovells.


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