Steuerpläne in den Koalitionsverhandlungen: Bitte nicht auf Kosten des Wirtschaftswachstums!

Dass es großen Reformbedarf im deutschen Steuerrecht gibt, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Dies verdeutlichen zum einen mitunter monströse Jahressteuergesetze, die Ausnahmen von immer weniger verständlichen Ausnahmen enthalten. Zum anderen nehmen verfassungsrechtlich fragwürdige Gesetzen zu: Als solches könnte sich beispielsweise das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz durch ein in Kürze erwartetes Judikat des Bundesverfassungsgerichts entpuppen. Schließlich offenbaren zahlreiche politische Diskussionen, dass sie oft leider nicht eine Systematisierung des Steuerrechts zum Gegenstand haben. Eine Hochzeit erlebt der steuerpolitische Diskurs naturgemäß im Wahlkampf; nach dem Urnengang wird er dann – dies erleben wir gerade – mit etwas geringerer Unruhe im Rahmen der Koalitionsverhandlungen fortgesetzt.

Im Wahlkampf hat sich keine Partei, die sich Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung machen konnte, mit der Forderung nach einen großen steuerpolitischen Wurf á la Paul Kirchhofs Grenzstufentarifs oder des zum Teil daraus abgeleiteten „Bierdeckel-Modells“ von Friedrich Merz hervorgetan. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD pocht die Union jedoch bisher auf ihr Versprechen, Steuererhöhungen werde es mit ihr nicht geben. Vertreter der CSU, namentlich Markus Söder, konkretisieren dies noch dahingehend, dass auch keine Subventionen abgebaut werden dürften, denn das entspreche letztlich einer Steuererhöhung. Wenn es nach ihm ginge, müsste sich an dem Steuersystem in den nächsten Jahren eigentlich gar nichts ändern.

Aber: Wird es tatsächlich so kommen (können)? Ab dem Jahr 2015 soll der Bundeshaushalt ohne neue Schulden auskommen. Zwar werden die Steuereinnahmen nach der jüngsten Steuerschätzung bis 2017 steigen, doch profitieren hiervon in erster Linie Länder und Kommunen. Finanzminister Schäuble betont, die finanziellen Spielräume blieben trotz der insgesamt guten Entwicklung der Steuereinnahmen eng. In den bisherigen Koalitionsverhandlungen kristallisiert sich jedoch heraus, dass sowohl die SPD wie auch die Union teure Wünsche haben. Vor der Wahl wurde die Union kritisiert, weil sie eine umfangreiche Wunschliste vorgelegt hatte, deren Erfüllung etwa 28 Milliarden Euro gekostet hätte. Mittlerweile steht eine Summe im Raum, die beinahe doppelt so hoch ist: Rente, Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag und Infrastruktur sind nur Beispiele – neue Staats- und Sozialausgaben sollen rund 50 Milliarden zusätzlich kosten.

Woher kommt das Geld?

Wie das alles bezahlt werden soll ist unklar: Keine konkreten Beschlüsse lieferte bisher die Arbeitsgruppe Finanzen/Haushalt, der Finanzminister Schäuble und Hamburgs Oberbürgermeister Scholz vorsitzen; die Union zieht sich augenscheinlich auf ihre Wahlkampfforderung zurück, die Steuern nicht erhöhen zu wollen. Im Rahmen der dritten großen Koalitionsrunde hat SPD-Chef Sigmar Gabriel nun angekündigt, über Geld werde man ganz am Ende sprechen. Die F.A.Z. zitiert ihn: „Das ist doch immer so. Geld macht sinnlich. Da wollen alle etwas haben.“

Tatsächlich scheinen sich Gabriel und Co., die im Wahlkampf Steuererhöhungen, insbesondere für Spitzenverdiener, verlangten, wohl aber doch schon Gedanken zu dem Thema gemacht zu haben: Das Manager-Magazin berichtete am 7.11. von einer entsprechenden Liste der SPD, welche diese Finanzminister Schäuble vorlegt habe und welche in Industriekreisen große Besorgnis errege. Erhöhungen von Steuersätzen gehen damit zwar nicht einher, jedoch seien andere Belastungen vorgesehen: Unter anderem sei geplant, die Möglichkeit von Verlustvorträgen einzuschränken. Zudem sei in dem Papier wohl der Vorschlag enthalten, die so genannte Zinsschranke auch auf Lizenzgebühren auszudehnen. Nach der bisherigen Regelungen sind vereinfacht gesagt Zinsaufwendungen eines Betriebes nur in Höhe des Zinsertrages als Betriebsausgabe abziehbar. Weiter solle die Absetzbarkeit von Anschaffungs- und Betriebskosten schrittweise begrenzt werden, was nicht nur die Autoindustrie, sondern auch Unternehmen hart treffen würde. Der besondere Satz der Abgeltungssteuer, welche seit 2009 Kapitaleinkünfte einer Besteuerung von 25 % unterwirft, könne – ginge es nach der Liste – auf 32 % steigen. Auch stehe danach die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus Immobilien, die nach einer Haltefrist von 10 Jahren gewährt wird, zur Disposition. Weiterhin sei angedacht, Manager-Gehälter nicht mehr unbeschränkt zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen. Außerdem enthalte die Liste nach dem Bericht Maßnahmen gegen steuerfreie Unternehmensübernahmen. Schließlich widme sich ein großer Teil des Papiers dem Kampf gegen Steuergestaltung und –hinterziehung.

Ausländische Investoren abgeschreckt

Ohne diese Maßnahmen wegen fehlender Kenntnis der Details genau bewerten und erklären zu können, geben sie doch Anlass, auf die Wirkungen von Steuern auf die Wirtschaft hinzuweisen. Die Erhöhung der Belastung der Unternehmenssteuern kann zum einen den Effekt haben, dass Ansiedlungen in Deutschland bzw. Investitionen von ausländischen Investoren weniger attraktiv werden, was das inländischen Wirtschaftswachstum und damit die Steuereinnahmen senkt. Zudem wird der Gestaltungsdruck auf Unternehmen mit höherer Steuerbelastung höher. Der Anreiz wächst, Gewinne in das niedrigbesteuerte Ausland zu verschieben. Sofern es sich dabei um EU-Ausland handelt, hat der deutsche Gesetzgeber obendrein wegen der Grundfreiheiten nur geringen Spielraum, dies durch neue Gesetze zu verhindern. Es gilt, dass Geld, welches die Unternehmen für Steuern ausgeben müssen, nicht mehr investiert werden kann. Dies mindert wiederum das Wirtschaftswachstum. In diesem Zusammenhang sollte man sich in Erinnerung zu rufen, dass die aktuellen Steigerungsraten der Steuereinnahmen auf die positive wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen sind. Wenn der Gesetzgeber schon nicht die Kraft hat, das deutsche Steuerrecht systematisch fortzuentwickeln, sollten doch jedenfalls Maßnahmen unterbleiben, die das Wirtschaftswachstum ausbremsen. Am Ende führt sonst die vermeintliche Erschließung neuer Steuerquellen zu Steuermindereinnahmen.

Georg Roderburg ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner der internationalen Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer in Düsseldorf.


Weitere Empfehlungen der Redaktion

| Märkte | 22. März 2023

Das Wachstum Malaysias wird sich im lfd. Jahr auf etwa 4,5 nach 8,7% im Vj. abschwächen. So lautet die aktuelle Diagnose des IWF in einer Vorabmeldung zum anstehenden Artikel-IV-Bericht,…

| Bankensektor | 21. März 2023

Das nach Firmengründer Charles Schwab (der mit 86 Jahren wichtige strategische Entscheidungen weiterhin mit CEO Walt Bettinger diskutiert) benannte Unternehmen gilt als eines der größten…

| Immobilien | 17. März 2023

Häuslebauer mussten bereits aufgrund des doppelten Anschlags (Corona; Krieg in der Ukraine) auf die Weltkonjunktur eine bittere Pille schlucken: Energie- und Materialkosten stiegen…