Machen Kleider Arbeitnehmer?
Angeblich soll Abercrombie nur junge hübsche Menschen als Mitarbeiter ""casten"". Sind sie einmal akzeptiert, kommen dann erhebliche Auflagen hinzu: Frauen dürfen Wimperntusche tragen, mehr Make-up ist unzulässig; Nagellack ist tabu. Jungs müssen glatt rasiert sein. Für die Frisur gibt es Zeichnungen, die vorgeben, was zulässig ist. Selbst die Haargelmenge ist geregelt. Dies ist mit Sicherheit ein Extremfall bezüglich des Eingriffs in das persönliche Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten. Eine Einschätzung der Frage, was zulässig ist und welche Regeln zu beachten sind, gibt PLATOW- Kolumnist Thomas Hey.
Üblich sind durchaus Vorgaben für die Bekleidung in Unternehmen des Handels, bei Transportunternehmen für Personenbeförderung ohnehin, aber auch bei Unternehmensberatungen gibt es teilweise sehr genaue Vorschriften, was Rocklänge, Absatzhöhe, Anzugfarbe, Krawattenbindung etc. anbetrifft. Bei nach Schweiß riechenden Beschäftigten, die auch bei einem Drei-Tage-Businesstrip eine Zahnbürste als ausreichende Gepäckmenge ansehen, oder solchen, die in Flipflops und hoch abgeschnittenen Jeans durch das Büro stolpern, wünscht man sich solche Vorschriften zuweilen durchaus herbei.
Doch was ist bei solchen Vorgaben zu beachten? Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten darf nicht verletzt werden. Hierbei hilft es zu unterscheiden, ob es sich um rein arbeitsplatzbezogene Vorschriften des Arbeitgebers handelt oder aber ob diese in den Privatbereich des Arbeitnehmers hinein reichen. Die Abgrenzung fällt leicht, wenn Sicherheits- oder Hygienevorschriften bestimmte Vorgaben bzgl. der Kleidung am Arbeitsplatz gebieten. Schwieriger wird es, wenn die Arbeitnehmer durch ihre Bekleidung zu einem gewünschten Image des Arbeitgebers beitragen sollen. Auch wenn eine vertragliche Regelung fehlt, können Arbeitgeber grundsätzlich eine branchenübliche Bekleidung als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht verlangen. Der Arbeitnehmer hat den Stil des Hauses, den Kundenstamm und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu beachten. Faustregel bleibt jedoch, dass der Arbeitgeber keine Vorschriften machen darf, die in die Intimsphäre des Arbeitnehmers vordringen oder welche keine Begründung in dem konkreten Arbeitsplatz haben.
Unterscheide für Männer und Frauen
Weiterhin zu beachten ist, dass Bekleidungsvorschriften nicht gegen das AGG verstoßen und nicht diskriminierend sein dürfen. ""Klassiker"" sind in diesem Zusammenhang Vorschriften bezüglich religiös motivierter Kleidungsstücke. Wenn nachvollziehbare Gründe vorliegen, wie zum Beispiel Sicherheitsvorschriften, kann ein etwaiges Verbot gerechtfertigt sein. Ansonsten dürfen Arbeitnehmer nicht in ihrer Glaubensausübung eingeschränkt werden. Zulässig ist aber, dass in einem Büro andere Vorschriften für weibliche Beschäftigte als für die männlichen gelten. So ist es nicht diskriminierend, dass weibliche Mitarbeiter Röcke tragen sollen, die männlichen aber nicht. Das AGG steht unterschiedlichen Kleidungsvorschriften für Männer und Frauen nicht entgegen, wenn die Ausgestaltung der Vorschrift keine unterschiedliche Wertschätzung der Geschlechter erkennen lässt.
Besteht für den relevanten Betrieb ein Betriebsrat, gilt § 87 Ziff. 1 Betriebsverfassungsgesetz: Der Betriebsrat hat über Kleidungsvorgaben mitzubestimmen. Insbesondere auch, wenn sie gestellte Arbeitsbekleidung betreffen. Dies hat seine Grenzen in den gesetzlich vorgeschriebenen Regeln für Schutzkleidung und ähnliches. Der Erfahrung nach kann man sich mit dem Betriebsrat auch jenseits der gesetzlichen Grenzen für Bekleidungsvorschriften endlos und streiten – bis hin zur Anrufung der Einigungsstellen. Sie sind typischerweise Regeln, die bei Beschäftigten zu hoher Emotionalität führen.
Das Fazit ist einfach
Wenn dem Arbeitgeber die Einhaltung bestimmter Vorgaben für Bekleidung, Auftreten am Arbeitsplatz und Hygiene wichtig sind, sollte er diese Vorgaben klar von Anfang an ggf. sogar bereits im Bewerbungsgespräch kommunizieren. Dann gilt, dass grundsätzlich alles unproblematisch vorzuschreiben ist, was ""normal"" ist und den Erwartungen von mit der Branche vertrauten Menschen entspricht. Jedes Abweichen hiervon sollte schon im Bewerbungsgespräch annonciert werden. Weiterhin sollte das Einverständnis des Arbeitnehmers bei Vertragsunterschrift, z.B. über eine Anlage zum Arbeitsvertrag, vereinbart werden.
Dabei gilt, dass alles das, was nicht auf Grund der Gestaltung des Arbeitsplatzes an Unterscheidung zwischen Männern und Frauen oder anderen Personengruppen zwingend erforderlich ist, diskriminierend sein kann und daher unterlassen werden sollte. Im Zweifel sollte zumindest eine Wahlmöglichkeit eröffnet sein, so dass sich die Personengruppen gleich verhalten können, wenn es gewünscht ist. Im Übrigen gilt der alte Grundsatz, dass Arbeitgeber nicht unnötigerweise in die Privat- oder Intimsphäre von Arbeitnehmern eingreifen dürfen; Vorschriften, die in das Privatleben von Arbeitnehmern einstrahlen, dürften nur in Ausnahmefällen zulässig sein, wenn dies durch den konkreten Arbeitsplatz angezeigt ist.
Im Ergebnis müsste man daher als Arbeitgeber eigentlich gar nichts regeln. Wenn man aber klare Botschaften senden und es seinen Führungskräften einfach machen möchte, schwierige Themen anzusprechen, kann man Vorgaben machen und diese allen Beteiligten möglichst früh im Arbeitsverhältnis zur Kenntnis geben.
Richtig organisiert dürften die Regeln bei Abercrombie damit zulässig sein.
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