Gérard Depardieu und der EU-Aktionsplan gegen Steuerumgehung
Die EU hat einen Aktionsplan gegen Steuerumgehung und -hinterziehung veröffentlicht. Gleichzeitig zieht der französische Schauspieler Gérard Depardieu nach Belgien um. Was können wir daraus lernen? Antworten gibt PLATOW-Kolumnist Konstantin Mettenheimer.
Es war immer klar, dass die europäische Staatsschuldenkrise Geld kostet und zwar viel Geld. Die Staaten haben dieses Geld nicht, also wird es der Steuerzahler tragen müssen. Mit diesem Faktum müssen alle in der Vermögens- und Wirtschaftsplanung auf Jahre fest rechnen. Neben niedrigen Zinsen ist dies ein zweiter Weg zur Sanierung der Staatsfinanzen. Beispiele stehen täglich in der Zeitung: Deutschland denkt über die Vermögensteuer nach und hat neue Steuern wie die Luftverkehrsteuer bereits eingeführt, Hollande erhebt in Frankreich 75% Einkommensteuer und eine Vermögensteuer, die Europäische Kommission veröffentlicht einen Aktionsplan gegen (legale!) Steuerumgehung und (illegale) Steuerhinterziehung und zeitgleich zieht Gérard Depardieu nach Belgien. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Geht es denn nicht besser?
Politisch ist klar, dass wir einer langen Phase entgegengehen, in der staatliches Handeln als das richtige und privates Handeln als das zweifelhafte gilt. Die Auswüchse der vergangenen Jahre machen das auch mehr als verständlich. Es ist auch ein völlig legitimes und notwendiges Bedürfnis von Staaten, Steuern zur Sicherung des Gemeinwohls zu erheben.
Volkswirtschaftlich ist jedoch ebenso klar, dass ein Übermaß an staatlicher Kontrolle, insbesondere eine unangemessen hohe Besteuerung zu Ausweichmanövern führt oder die wirtschaftlichen Aktivitäten dämpft. Steuern werden immer dann als ungerecht empfunden, wenn sie unsystematisch sind, wenn Steuerzahler ungleich behandelt werden, wenn die Steuer erdrückend oder gegenüber vergleichbaren Ländern allzu hoch ist. Dasselbe gilt, wenn das Finanzgebaren eines Staates nicht mehr gut geheißen wird. Deutschland hat in 2012 ein Steueraufkommen von 600 Mrd. Euro und einen Bundeshaushalt von 306 Mrd. Euro.
Wächst der Steuerdruck, so wächst die Steuerplanung. Ist das rechtens und wenn es rechtens ist, ist es gut? Der amerikanische Bundesrichter Felix Frankfurter hat in einem berühmten Zitat gesagt, dass es rechtens ist, seine Angelegenheiten so zu regeln, dass man Steuern spart. In diesem Sinne hat auch unser Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen entschieden. Zugleich ist es eine Tatsache, dass es zwischen Staaten ein Steuergefälle gibt und solange geben wird, wie Bemessungsgrundlage und Steuersätze nicht vereinheitlicht werden. Diese Unterschiede gibt es nicht nur zwischen EU-Staaten und Drittländern, sondern auch innerhalb der EU. Länder wie Luxemburg, Irland, Belgien und sogar Frankreich haben ein Steuerregime, dass die Verwaltung und Entwicklung von geistigem Eigentum steuerlich und darüber hinaus begünstigt. Selbstverständlich wird ein Steuerzahler dies in legaler Weise nutzen wollen, das wollen auch die Staaten, die diese Regeln einführen.
Was ist davon zu halten, wenn diese Länder den Steuerzahler einerseits mit Vergünstigen anlocken und zugleich Steuern erhöhen und nun den europäischen Aktionsplan verabschieden? Dieser Plan schlägt 34 Einzelmaßnahmen vor und hat durchaus sein Gutes. Aber die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen und die Missbrauchsbekämpfung zu stärken, wenn einzelne Mitgliedsländer den Steuerzahler weiterhin mit Sonderregeln locken, steht wieder für die ungerecht empfundene „Steuer EU“, die widersprüchlich agiert.
Kurz und gut, die Mitglieder der EU werden sich darauf einstellen müssen, dass das Steueraufkommen bei höherem Druck nur noch unterproportional steigt und irgendwann sogar kippen wird. Der Steuerzahler wird mit einem höheren Steuerniveau leben müssen. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Fiskus und Steuerzahler wird sich fortsetzen, es wird auch nie ganz verschwinden, aber es wäre besser, es durch ein angemessenes Steuerniveau, EU-weite einheitliche Regeln und eine einfache Gesetzgebung als durch hohe Steuern und hohe Repression zu verhindern. Manche Steuerplanung wird aggressiver und damit aus vielen Gründen abzulehnen sein, manche wird allerdings auch sehr viel fundamentaler werden, wie wir es vor 40 Jahren beim Wegzug vieler Briten aus England gesehen haben und jetzt von Franzosen aus Frankreich erleben.
Der Weg der Steuerplanung für die nächsten Jahre wird der Wegzug des Vermögens in Trusts oder Stiftungen oder der des Steuerzahlers sein, siehe Depardieu. Und wen trifft dann die Steuer? Den weniger mobilen und weniger Vermögenden. Lieber wären mir Staaten, die besser wirtschaften, die die Steuerschraube weniger anziehen müssen und innerhalb der EU nicht mit zweierlei Maß messen. Für dieses Jahr bleibt es ein frommer Weihnachtswunsch, spätestens in zehn Jahren schwingt das Pendel auch wieder in die andere Richtung. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein gutes Neues Jahr!
Ihr
Konstantin Mettenheimer
Konstantin Mettenheimer ist Rechtsanwalt, Betriebswirt, Steuerberater und Partner der internationalen Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt. Jeden zweiten Freitag kommentiert Mettenheimer für PLATOW aktuelle Rechtsthemen, ordnet diese für Unternehmer und Anleger ein und zeigt Strategien auf.
Weitere Empfehlungen der Redaktion
Die Kurse der Großbanken gehen zurzeit durch ein Fegefeuer. Dabei wird schnell übersehen, dass die deutsche Kreditwirtschaft viel mehr ist als nur Deutsche Bank und Commerzbank. Zum…
Sehr solide hat sich wieder einmal Freenet im vergangenen Gj. geschlagen. Dies zeigen die am Freitag (24.3.) vorgelegten endgültigen Zahlen.
Die jetzt anstehenden Hauptversammlungen werden wohl einen neuen Ausschüttungsrekord liefern. Für uns ist die Dividendenrendite kein ausschlaggebendes Kriterium bei der Aktienauswahl…
Es ist gerade einmal ein paar Wochen her, da brüsteten sich Deutsche Bank-Chef Christian Sewing und sein Amtskollege Manfred Knof von der Commerzbank mit ihren Milliarden-Gewinnen im…
Die Krones-Aktionäre sollen von den Rekordzahlen profitieren: Vorstand und Aufsichtsrat schlagen eine Erhöhung der Dividende auf 1,75 (2021: 1,40) Euro je Aktie vor – Rendite: 1,6%.…