Öffentliche Hand muss auf Energieeffizienz achten

Die Bundesregierung hat am 16.1.13 beschlossen, die Geltung der „Allgemeinen Vorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen“ (AVV-EnEff) zu verlängern. Danach ist der Energieeffizienz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge besonders Rechnung zu tragen. Von der Vergabepraxis weitgehend unbeachtet hat der Gesetzgeber zudem weitere umfangreiche Verpflichtungen der öffentlichen Hand zur Auswahl ihrer Auftragnehmer anhand der Energieeffizienz ihrer Produkte festgelegt. Einen Überblick geben Olaf Otting und Wiland Tresselt von Allen & Overy.

Die Pflicht zu einer energieeffizienten Beschaffung ergibt sich neben der AVV-EnEff insbesondere aus der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV). Diese gilt für alle öffentlichen Auftraggeber (Bund, Länder und Gemeinden sowie ihre Beteiligungsgesellschaften), jedoch – in Umsetzung des europäischen Vergaberechts – erst ab einem Auftragswert von 5 Mio. Euro für Bauaufträge bzw. 200 000 Euro für Liefer- oder Dienstleistungsaufträge (so genannte EU-Schwellenwerte). Die AVV-EnEff findet dagegen unabhängig vom Auftragswert Anwendung – allerdings nur für Aufträge der Dienststellen des Bundes.

Effizienzorientierte Bedarfsanalyse

AVV-EnEff und VgV verpflichten den Auftraggeber, im Rahmen einer Bedarfsanalyse die energieeffizienteste Systemlösung zu prüfen. Erfasst werden sämtliche „energieverbrauchsrelevanten Waren“, d. h. alle Waren, deren Nutzung Energie verbraucht. Dies gilt nicht nur für den Einkauf. Bei Bauaufträgen sind Produkte erfasst, die zur Energieeinsparung beitragen können, z. B. Dämmstoffe. Bei Dienstleistungen geht es um die Geräte, die die wesentliche Voraussetzung für deren Ausführung sind (z. B. Müllfahrzeuge für die Abfallentsorgung). Gemäß der VgV soll der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung des Auftrags das höchste Niveau an Energieeffizienz fordern. Der Auftraggeber muss also regelmäßig die Produkte mit dem niedrigsten Energieverbrauch ausfindig machen, mit denen sich sein Beschaffungsbedarf decken lässt, und dieses Niveau in der Leistungsbeschreibung vorgeben. Eine Grenze bildet hier nur das vergaberechtliche Wettbewerbsprinzip, das die Beschränkung auf ein bestimmtes Produkt grundsätzlich nicht zulässt.

Lebenszyklusprinzip

Einen Schwerpunkt der vergaberechtlichen Anforderungen an die energieeffiziente Beschaffung bildet das Lebenszyklusprinzip. Der Auftraggeber hat über die bloßen Anschaffungskosten hinaus die voraussichtlichen Betriebskosten für die Nutzungsdauer der Geräte – vor allem die Kosten für den Energieverbrauch – zu berücksichtigen. Auf diese Weise soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass besonders energieeffiziente elektronische Geräte oft höhere Kosten bei der Erstinvestition aufweisen, die Mehrkosten wegen der niedrigeren Kosten während der Nutzungsphase aber in der Regel amortisiert oder sogar überkompensiert werden. Während die AVV-EnEff eine strikte Beachtung des Lebenszyklusprinzips fordert, verpflichtet die VgV zu einer Analyse minimierter Lebenszykluskosten nur „in geeigneten Fällen“. Zur Ermittlung der Lebenszykluskosten muss der Auftraggeber von den Bietern konkrete Angaben zum Energieverbrauch der Produkte fordern. Die Lebenszykluskosten sind bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots „angemessen“ (so die VgV) zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber die Energieeffizienz als ein Zuschlagskriterium zwingend vorgeben muss – auch wenn er in der Gewichtung dieses Kriteriums im Verhältnis zu den anderen Wertungskriterien wie dem Preis einen gewissen Spielraum besitzt.

Energieeffizienz kann einklagbar sein

Angesichts des Umstands, dass die Energieeffizienz nach der VgV und der AVV-EnEff schon seit einiger Zeit als eine tragende Säule der öffentlichen Auftragsvergabe etabliert wurde, erstaunt der geringe Widerhall in der Vergabepraxis. Die Ausschreibungen der öffentlichen Hand gehen häufig über diesen Aspekt hinweg. Vorgaben zur Energieeffizienz finden sich in den Leistungsbeschreibungen zu öffentlichen Aufträgen bislang kaum; auch als Bewertungskriterium zur Auswahl eines Angebots kommt die Energieeffizienz nur selten vor.

Erklärbar mag die mangelnde Umsetzung der Vorschriften mit der noch geringen Vertrautheit öffentlicher Auftraggeber mit den Regeln, aber auch mit dem damit verbundenen Aufwand – Markterkundung im Hinblick auf das energieeffizienteste Produkt, Berechnung minimierter Lebenszykluskosten – sein. Für den Auftraggeber erscheint dies gleichwohl nicht ungefährlich: Die – bislang nur vereinzelte – vergaberechtliche Rechtsprechung scheint zumindest den Bestimmungen der VgV zur Energieeffizienz einen bieterschützenden Charakter zuzusprechen. In diesem Fall hätten Anbieter besonders innovativer und energiesparender Produkte einen einklagbaren Anspruch gegen die öffentliche Hand, die Energieeffizienz bei den Leistungsvorgaben und den Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Jedenfalls oberhalb der EU-Stellenwerte sind die öffentlichen Auftraggeber daher gut beraten, ihren Beschaffungsbedarf energieeffizient auszurichten und zu definieren, um eine rechtssichere Auftragsvergabe zu gewährleisten.

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