Gastbeitrag

Kartellbußgelder – Einspruch lohnt sich

Stephanie Birmanns
Stephanie Birmanns © Schilling, Zutt & Anschütz

Strafzahlungen in Kartellverfahren können beträchtliche Höhen erreichen. Zur Überprüfung steht den Betroffenen zwar der Rechtsweg offen. Tatsächlich aber verzichten viele Unternehmen darauf, weil sie befürchten, dass sich das Bußgeld im Laufe des Verfahrens noch erhöht. Der Bundesgerichtshof hat nun mehrere Entscheidungen der Rechtsmittelinstanz aufgehoben, was den effektiven Rechtsschutz für betroffene Unternehmen verbessern wird, meint Stephanie Birmanns, Rechtsanwältin bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.

Mit schöner Regelmäßigkeit verhängt das Bundeskartellamt Bußgelder wegen Beteiligung an verbotenen Kartellabsprachen. Für die Adressaten stellt sich dann jeweils die Frage, ob sie das Bußgeld akzeptieren oder sich zur Wehr setzen sollen. Hält das bebußte Unternehmen die Entscheidung für unrichtig, fällt es schwer, sie klaglos hinzunehmen. Dies gilt umso mehr, als an die behördliche Entscheidung folgenschwere Konsequenzen geknüpft sind: Ein bestandskräftiger Bußgeldbescheid entfaltet Bindungswirkung und wird im Rahmen von Schadensersatzklagen für den Nachweis eines Kartellverstoßes herangezogen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sollten Betroffene nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes die behördliche Entscheidung überprüfen lassen können. Allerdings hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in den vergangenen Jahren einen Weg eingeschlagen, der Bußgeldadressaten eher davon abhält, ein Rechtsmittel einzulegen.

Strafzahlungen verschärft

In Kartellfällen entscheidet das OLG Düsseldorf eigenständig über die Bußgeldhöhe. Es ist dabei nicht an das so genannte Verböserungsverbot gebunden. Das heißt, dass das Gericht auch höhere Bußgelder festsetzen kann als das Kartellamt. Von dieser Möglichkeit hat das OLG Düsseldorf in der Vergangenheit wiederholt Gebrauch gemacht. So hat es etwa im „Kaffeerösterkartell“ das Bußgeld für die Drogeriemarktkette Rossmann von rd. 5,5 Mio. auf 30 Mio. Euro heraufgesetzt. Hintergrund ist ein anderer Ansatz bei der Bußgeldberechnung. Das Bundeskartellamt richtet die Bußgelder nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2013 in erster Linie am Umsatz mit den kartellierten Produkten aus. Das OLG Düsseldorf betrachtet die gesetzliche Bußgeldobergrenze in Höhe von 10% des konzernweiten Umsatzes als Höchststrafe. Dieser Obergrenze können sich Geldbußen in besonders schweren Fällen durchaus nähern.

Zu Recht stößt diese Praxis auf Kritik. Faktisch verkürzt sie den effektiven Rechtsschutz: Welches Unternehmen wird ein Bußgeld gerichtlich angreifen, wenn die Bußgeldberechnung durch das Gericht nahezu zwangsläufig zu einer höheren Strafe führt? Tatsächlich zeigt die Beratungspraxis, dass Betroffene – trotz guter Erfolgsaussichten in der Sache – darauf verzichten, einen Einspruch einzulegen oder diesen zurücknehmen, bevor es zu einem Urteil kommt. So nahm etwa die Radeberger Gruppe im „Bierkartell“ ihren Einspruch zurück, obwohl sie den Bußgeldbescheid für unrichtig hielt. Den Ausschlag für diesen Verzicht auf eine Überprüfung der behördlichen Entscheidung gaben die aus der Entscheidungspraxis des OLG Düsseldorf resultierenden, unkalkulierbaren finanziellen Risiken. Leider zeichnet sich nicht ab, dass der Gesetzgeber die Chance zur Klarstellung des Bußgeldrahmens im Rahmen der derzeit in Vorbereitung befindlichen 10. GWB-Novelle nutzen wird. Die Diskrepanz der Bußgeldberechnung zwischen dem Bundeskartellamt und dem OLG Düsseldorf dürfte also erhalten bleiben.

Entscheidungen überprüft

Anlass zur Hoffnung bietet indes der BGH, der seit Anfang des Jahres eine Reihe von Entscheidungen des OLG Düsseldorf aufgehoben und dabei nicht an Kritik gespart hat. Diese Fälle müssen nun von einem anderen Kartellsenat des OLG Düsseldorf erneut aufgerollt werden. Den Anfang machte eine Entscheidung zum „Flüssiggaskartell“. Das Bundeskartellamt hatte gegen die betroffenen Unternehmen Bußgelder von insgesamt rd. 180 Mio. Euro erlassen. Das OLG Düsseldorf erhöhte diese auf rd. 224 Mio. Euro. Wegen Mängeln bei der Bußgeldberechnung, die allerdings nach einer inzwischen nicht mehr geltenden Regelung erfolgte, hob der BGH die Entscheidung auf. Im Sommer hob der BGH zudem die Urteile gegen verschiedene Süßwarenhersteller auf. Hier hatte das OLG Düsseldorf die Bußgelder von rd. 14 Mio. auf insgesamt rd. 21 Mio. Euro heraufgesetzt. Der BGH sah eine unzureichende Beweiswürdigung.

Bemerkenswert ist, dass der BGH diesen Mangel für derart gravierend hielt, dass auch Urteile gegen die Unternehmen aufgehoben wurden, die keine Rechtsbeschwerde eingelegt hatten. Auch das von der Verböserungspraxis besonders hart getroffene Unternehmen Rossmann setzte sich vor dem BGH durch. Der hob das Urteil des OLG Düsseldorf wegen eines Verfahrensfehlers auf. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zeigte sich der vom BGH wiederholt gescholtene 4. Kartellsenat des OLG Düsseldorf in einem aktuellen Verfahren ungewohnt konziliant. Er unterbreitete Edeka Nord jüngst einen Verständigungsvorschlag, der zu einer Reduzierung des vom Bundeskartellamt festgesetzten Bußgelds führen würde. Von 12,2 Mio. Euro würde das Bußgeld auf 3,5 Mio. bis 4 Mio. Euro sinken. Es ist zwar zu früh, um hieraus eine Trendwende in der restriktiven Entscheidungspraxis des OLG Düsseldorf ableiten zu wollen. Für bebußte Unternehmen wird sich jedoch das Ein-legen von Rechtsmitteln auch zukünftig meist „auszahlen“.

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