Compliance-Verstöße aufdecken

Unternehmensbezogene Straftaten und Compliance-Verstöße können auch durch ausgefeilte Compliance-Management-Systeme nicht vollständig verhindert werden. Daher kommt der Aufdeckung von Compliance-Verstößen durch anonyme Hinweise von Mitarbeitern des Unternehmens oder durch unternehmensfremde Personen in der Praxis eine wichtige Bedeutung zu. Daniel Kaiser, Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle, kommentiert im Folgenden das gängige Verfahren der internen Ermittlung von Compliance-Verstößen sowie die Schwierigkeit, Hinweisgebern Anonymität zu gewährleisten.

Es existieren unterschiedliche Systeme und Möglichkeiten der Kommunikation des Unternehmens mit dem potenziellen Hinweisgeber. In der Praxis ist mittlerweile am häufigsten das Modell des Ombudsmanns anzutreffen. Hier wird meist ein externer Rechtsanwalt durch ein Unternehmen damit beauftragt, als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Hinweisgeber zu fungieren. Der Rechtsanwalt nimmt Hinweise über unternehmensbezogene Straftaten, z. B. Korruption, Insidergeschäfte oder Untreue, entgegen, filtert diese und leitet sie in der Regel anonym an das Unternehmen, z. B. den Compliance-Officer weiter. Häufig wird dem Hinweisgeber die Wahrung seiner Anonymität zugesichert. Wie das Landgericht Bochum kürzlich entschieden hat, kann dieses Versprechen aber nicht in jedem Fall gehalten werden.

Beschlagnahme von Unterlagen bei Ombudsfrau
In dem vom Landgericht Bochum entschiedenen Fall setzte das betroffene Unternehmen eine Rechtsanwältin als Ombudsfrau ein, um Hinweise auf Compliance-Verstöße entgegenzunehmen. Ein Hinweisgeber übermittelte der Ombudsfrau eine anonyme Anzeige mit schweren Untreuevorwürfen gegen den Geschäftsführer des Unternehmens. Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss für die Räumlichkeiten der Ombudsfrau und beschlagnahmte die anonyme Anzeige. Im Ergebnis gab das Landgericht der Staatsanwaltschaft Recht. Im Kern begründete das Gericht die Beschlagnahmefähigkeit der Unterlagen bei der Ombudsfrau damit, dass zwischen der Ombudsfrau und dem Hinweisgeber weder eine Mandatsbeziehung noch ein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis bestanden habe. Im entschiedenen Fall wurde die Ombudsfrau, wie in der Praxis regelmäßig der Fall, durch das Unternehmen beauftragt. Zwischen dem Hinweisgeber und der Ombudsfrau bestand keine Mandatsbeziehung.

Kein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis
An das Vorliegen eines mandatsähnlichen Vertrauensverhältnisses sind nach der Entscheidung hohe Anforderungen zu stellen. Diese seien vorliegend nicht erfüllt gewesen. Der im Strafverfahren nicht beschuldigte und auch strafrechtlich nicht gefährdete Hinweisgeber sei gerade nicht in der Situation gewesen, sich ohne Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung anwaltlichen Beistands bedienen zu müssen. Auch die Zusicherung einer vertraulichen Behandlung durch die Rechtsanwältin im Hinblick auf die in ihrer Funktion als Ombudsfrau erlangten Informationen genüge für die Annahme eines mandatsähnlichen Vertrauensverhältnisses zu dem ano-nymen Hinweisgeber nicht.

Auswirkungen für die Praxis
Der Entscheidung kommt eine wichtige Bedeutung im Hinblick auf die Ausgestaltung von Hinweisgeber- und Ombudsmann-Systemen zu. Ein Kernbestandteil von Ombudsmann-Systemen besteht bislang in der Zusicherung der Anonymität oder der vertraulichen Behandlung gegenüber dem Hinweisgeber. Diese Zusicherung kann das Unternehmen und der durch das Unternehmen als Ombudsmann eingesetzte Rechtsanwalt nach der Entscheidung des Landgerichts Bochum nicht mehr uneingeschränkt geben. Ein Schutz der Anonymität des Hinweisgebers könnte zwar theoretisch durch ein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Ombudsmann und dem Hinweisgeber gewährleistet werden. Dies scheidet in der Praxis aber in der Regel aus, da der Ombudsmann vom Unternehmen beauftragt und in dessen Interesse tätig wird. Es ist zu befürchten, dass sich infolge der Entscheidung potenzielle Hinweisgeber gegen eine anonyme Anzeige entscheiden. Damit würde die Bedeutung von Ombudsmann- und Hinweisgeber-Systemen, die bislang ein wichtiger Bestandteil wirksamer und funktionierender Compliance-Systeme sind, abnehmen.

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