Gastbeitrag

Schiedsverfahren – Frankfurts neue Rolle in Europa

Wilhelm Haarman
Wilhelm Haarman © McDermott Will & Emery

Parteien können für den Fall von Streitigkeiten statt der staatlichen auch die so genannte Schiedsgerichtsbarkeit wählen. Diese hat gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht nur einige Vorteile, sondern spielt gerade im internationalen Wirtschaftsleben eine große Rolle. Insbesondere die Finanzmetropole Frankfurt könnte sich dabei zu einem neuen Top-Standort für internationale Schiedsverfahren entwickeln, meint Wilhelm Haarmann, Partner bei McDermott Will & Emery und selbst seit Jahren als Schiedsrichter tätig.

Ein Verfahren vor einem Schiedsgericht bietet gegenüber dem Verfahren vor der staatlichen Gerichtsbarkeit einige Vorteile: So ist das Verfahren häufig zügiger und kennt meist nur eine Instanz. Da – im Fall eines Schiedsgerichts aus drei Schiedsrichtern – zwei Schiedsrichter von den Parteien benannt sind und ein Schiedsrichter i. d. R. von den parteibenannten Schiedsrichtern, sind die Schiedsrichter für den zu beurteilenden Sachverhalt fast immer sachkundiger als staatliche Richter. Das Verfahren ist – anders als staatliche Verfahren – nicht öffentlich. Der Inhalt ist auf Grund von Verfahrensordnung oder Vereinbarung vertraulich. Auch können die Parteien vereinbaren, in welcher Sprache das Verfahren ablaufen soll. Schiedssprüche sind auf Grund der New York Convention, der 157 Länder beigetreten sind, international leichter und sicherer vollstreckbar als Urteile eines staatlichen Gerichts. Die Parteien haben durch Wahl der Schiedsordnung oder durch Vereinbarung des Verfahrens großen Einfluss auf den Verfahrensprozess. Durch Auswahl des Schiedsorts und des Ortes, wo tatsächlich das Schiedsgericht tagt, können Parteien einen neutralen Boden für das das Schiedsverfahren übergreifende nationale Recht und die Lokalität der Sitzung wählen.

Deutschland als Ort internationaler Verfahren

In Deutschland hat sich gerade die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) eine neue, modernere Schiedsordnung gegeben. Bei internationalen Verfahren, bei denen ein deutscher Schiedsort vorgesehen ist, wird häufig auch die Verfahrensordnung der International Chamber of Commerce (ICC) gewählt. Es ist problemlos, die Schiedsordnung der ICC oder auch eine andere internationale Schiedsordnung für Verfahren mit deutschem Schiedsort und/oder Ort der Gerichtsverhandlung zu wählen.

Für die Wahl eines deutschen Schiedsorts und dort insbesondere für die Wahl Frankfurts sprechen neben der Schiedsordnung der DIS verschiedene gute Gründe. Zum einen hat Frankfurt einen großen logistischen Vorteil: Flughafen und Bahnhof machen die Stadt optimal erreichbar, zudem gibt es zahlreiche Orte, an denen Schiedsgerichtsverfahren abgehalten werden können (Hotels, Kanzleien, Gesellschaftshäuser etc.). Auch haben viele internationale Anwaltskanzleien in Frankfurt ein Büro, so dass bei der Wahl von Schiedsrichtern aus diesen Büros oder bei der Auswahl der Parteivertreter häufig eine Bürounterstützung am Standort Frankfurt möglich ist. Die Durchführung von Schiedsgerichtsverfahren in englischer Sprache ist in Frankfurt selbstverständlich. Sollten Entscheidungen des Schiedsgerichts – was nur bei sehr ausgewählten Verfahrensfehlern möglich ist – beim staatlichen Gericht angegriffen werden, so ist in Frankfurt das dort ansässige Oberlandesgericht zuständig, eines der in Schiedssachen erfahrensten Oberlandesgerichte in Deutschland. Die Verfahrenskosten sind bei Anwendung der DIS-Schiedsordnung meist auch niedriger als bei ausländischen Schiedsordnungen.

Frankfurt vs. London, Paris, Zürich und Stockholm

In Europa finden statistisch derzeit die meisten Schiedsgerichtsverfahren außerhalb Deutschlands statt. Vor allem London, Paris, Zürich oder Stockholm werden als Schiedsorte gewählt. Teilweise werden für die Auswahl die am Ort gesprochene Sprache, das dem jeweiligen Vertrag zugrundeliegende Recht, die Neutralität des Ortes, die Vertrautheit mit dem gewählten Verfahren und das Vertrauen in das übergreifende nationale Recht und die dortige Gerichtsbarkeit genannt. So gibt es im jeweiligen konkreten Einzelfall sicherlich gute Gründe für die Wahl eines bestimmten Ortes. Allerdings ist es objektiv nicht zu verstehen, warum Frankfurt nicht statistisch häufiger gewählt wird. Insbesondere London hat es geschafft, sich als Standort für Schiedsgerichtsverfahren einen Namen zu machen. So wird bei Abschluss internationaler Verträge häufig London als Schiedsort vorgesehen, obwohl keine der Parteien eine besondere Beziehung zu London hat und auch der Vertrag nicht englischem Recht unterliegt. Gerade der Brexit sollte Anlass sein darüber nachzudenken, ob Schiedsverfahren an einem Ort und in einem Rechtssystem stattfinden sollten, das anders als das kontinentaleuropäische System funktioniert. Insbesondere bei Parteien aus Ländern mit kontinentaleuropäischem Rechtssystem – und dazu zählen auch die Länder Osteuropas sowie Russland – wäre ein Schiedsort in Kontinentaleuropa besser nachzuvollziehen als ein Schiedsort außerhalb dieses Systems. Dies würde insbesondere dann gelten, wenn das zugrundeliegende Recht des streitigen Rechtsverhältnisses nicht englisches Recht ist.

Frankfurt hat – anders als seine europäischen Konkurren-ten – auch mit einem innerdeutschen Wettbewerb zu kämpfen. Dennoch ist Frankfurt die deutsche Stadt, die bei internationalen Verfahren meistens als Schiedsort gewählt wird. Eine weitere Konzentration in Frankfurt wäre sicherlich im nationalen Interesse, auch um Deutschlands Stellung in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit weiter zu stärken.

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