Auch Betriebsräte dürfen während der Corona-Krise virtuell tagen
Das Coronavirus macht nicht nur Arbeitgebern das Leben schwer, indem es Betriebsschließungen oder Arbeit im Homeoffice notwendig macht. Die derzeitige Situation erschwert es auch Betriebsräten, wirksame Beschlüsse zu fassen. Viele Fachleute vertreten die Auffassung, das Betriebsverfassungsgesetz schreibe vor, dass Betriebsräte verbindliche Gremienentscheidungen nur unter Einhaltung strenger Formvorschriften treffen dürfen.
Vor allem sei eine Beschlussfassung nur zulässig, wenn eine bestimmte Anzahl von Betriebsräten in der jeweiligen Sitzung des Gremiums anwesend ist. Gerade diese Anwesenheitspflicht führt aber zu Infektionsgefahren. Die Bundesregierung ändert deshalb nun das Betriebsverfassungsgesetz und das Bundespersonalvertretungsgesetz.
Die Neuregelung soll die Möglichkeiten zur Beschlussfassung der Betriebsräte erweitern. Betriebsräte können bis zum 31.12.20 Beschlüsse auch via Video- und Telefonkonferenz fassen. Das neue Gesetz soll die mit hohen Infektionsrisiken verbundenen Präsenzsitzungen möglichst vermeiden und gleichzeitig die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Personalvertretungen sicherstellen. Damit bereits per Video- oder Telefonkonferenz gefasste Beschlüsse rechtswirksam bleiben, sollen die Regelungen rückwirkend zum 1.3.20 in Kraft treten. Anne Kleffmann, Partnerin im Arbeitsrechtsteam bei Latham & Watkins, begrüßt den Vorstoß der Bundesregierung: „Diese Regelung ist sehr zu begrüßen und unbedingt notwendig. So können Betriebsräte und Arbeitgeber bei wichtigen Fragen, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, handlungsfähig bleiben. Der Gesetzgeber sollte überlegen, diese befristete Sonderregelung zu verlängern. Dies würde auch über den 31.12.20 hinaus virtuelle Beschlussfassungen zulassen.“
Allerdings müssten Betriebsräte und Arbeitgeber nicht nur die Vorgaben des Betriebsverfassungsrechts beachten, meint der auf Datenschutz spezialisierte Latham-Partner Tim Wybitul. „Art. 32 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schreibt zudem auch ein risikoangemessenes Maß an Datensicherheit vor, also hinreichende IT-Security. Dies gilt gerade bei Videokonferenzen.“ Gegebenenfalls sei vor der Einführung solcher Systeme auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach der DSGVO nötig, so Wybitul weiter. „Arbeitgeber und Betriebsräte sind gut beraten, wenn sie sich zusammen mit der IT-Security-Abteilung und dem Datenschutzbeauftragten des Unternehmens auf Lösungen verständigen, die nicht nur dem Arbeitsrecht, sondern auch dem Datenschutz hinreichend Rechnung tragen.“ Einige Datenschutzbehörden verträten die Auffassung, dass der Betriebsrat selbst für den Datenschutz im DSGVO-Sinne verantwortlich sei. In diesem Fall müsste der Betriebsrat selbst für die gesetzlich vorgeschriebene IT-Sicherheit sorgen. „Allerdings lassen sich diese datenschutzrechtlichen Fragen oft auch gut im Rahmen einer Betriebsvereinbarung regeln“, sagt Wybitul. Auch dies lege nahe, dass Arbeitgeber und Betriebsrat bei der technischen Lösung von Video- und Telefonkonferenzen eng zusammenarbeiten.
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