Gastbeitrag

Verbandssanktionen – Was bringt das neue Gesetz?

Andreas Höpfner und Michael Schwindt
Andreas Höpfner und Michael Schwindt © Flick Gocke Schaumburg.

_ Das voraussichtlich Anfang 2023 in Kraft tretende Verbandssanktionengesetz (VerSanG) war zuletzt erheblicher Kritik ausgesetzt. Der Bundesrat hat am 18.9.2020 zwar einen Teil dieser Kritik übernommen, das Gesetz aber nicht grundsätzlich abgelehnt. Das VerSanG wird in besonderem Maße Auswirkungen für die Verfolgung von Steuerstraftaten im unternehmerischen Bereich haben, meinen Andreas Höpfner und Michael Schwindt, Steuerstrafrechtler von Flick Gocke Schaumburg.

Eine Verbandsgeldsanktion soll zukünftig in Betracht kommen, wenn eine sog. Leitungsperson entweder eine Verbands-tat, wie etwa eine Steuerhinterziehung, selbst begangen oder keine Vorkehrungen zur Vermeidung dieser Verbandstat getroffen, also Aufsichtspflichten verletzt hat (§ 3 VerSanG-E). Tathandlung ist bei den meisten Steuerdelikten die Abgabe falscher Steuererklärungen. Da die Abgabe von Steuererklärungen zu den ureigensten Aufgaben der organschaftlichen Vertreter gehört, ist Täter regelmäßig eine Leitungsperson. Infolgedessen wird bei steuerstrafrechtlichen Vorwürfen die Einleitung verbandsbezogener Ermittlungen der Regelfall werden. Verschärfend kommt nämlich hinzu, dass das sog. Opportunitätsprinzip abgeschafft werden soll. Die Ermittlungsbehörden sind zukünftig verpflichtet, bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten Ermittlungsverfahren einzuleiten (sog. Legalitätsprinzip).

Besondere Bedeutung kommt nach dem VerSanG-E präventiven Maßnahmen, wie etwa der Implementierung von Tax Compliance Management Systemen (TCMS), zu. Unter besonderen Voraussetzungen sind diese sanktionsmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt sogar für nachträglich getroffene Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Verstöße. Der Gesetzgeber lässt es allerdings den Behörden und Gerichten vorbehalten, in welchem Umfang eine Milderung in Betracht kommt. Aus Praxissicht zu begrüßen ist, dass der Gesetzesentwurf keine Vorgaben für die Ausgestaltung eines TCMS enthält. Umfang und Ausgestaltung richten sich nach den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens in Abhängigkeit von Kriterien, wie der Branche oder Größe.

Bereits heute ist die Durchführung von unternehmensinternen Untersuchungen (sog. Internal Investigations) bei größeren Steuerstrafverfahren im Unternehmensbereich gängige Praxis. Der Gesetzentwurf wertet die Bedeutung solcher Untersuchungen erheblich auf. Wird eine Internal Investigation durchgeführt, die bestimmten Anforderungen entspricht, reduziert sich das gesetzliche Höchstmaß der Verbandsgeldsanktion um die Hälfte, das Mindestmaß entfällt.

Bedenklich ist, dass die Sanktionsmilderung im Ermessen („soll“) steht und es dadurch nicht zwangsläufig zu einer sanktionsmildernden Berücksichtigung kommt. Eine Milderung kommt nur in Betracht, wenn die Untersuchung einen „wesentlichen Beitrag zur Aufklärung“ der Straftat geleistet und eine „umfassende Kooperation“ des Unternehmens stattgefunden hat. In der Praxis dürfte regelmäßig Streit über das Vorliegen dieser recht unbestimmten Voraussetzungen entstehen. Eine Frage ist dabei, wer darüber entscheidet. Im Zweifel wird die Ermittlungsbehörde diese Kompetenz für sich in Anspruch nehmen. Es wird zu empfehlen sein, sich zukünftig vor Durchführung einer Internal Investigation mit den Behörden abzustimmen. Dann allerdings besteht das Risiko, dass die Ermittlungsbehörde maßgeblichen Einfluss auf Art und Umfang der internen Maßnahmen nehmen und die Spielregeln diktieren wird.

Speziell aus steuerstrafrechtlicher Sicht kritisch ist eine Regelung im VerSanG-E, nach der eine Verbandssanktion nicht verhängt wird, wenn eine Verbandstat nicht verfolgt werden kann, weil eine Strafe ausgeschlossen ist. Ein solcher Fall ist bei der Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige (§ 371 AO) gegeben. Die Selbstanzeige, insbesondere im Unternehmensbereich, hat hohe Hürden. So muss sie vollständig sein, d. h. es müssen Angaben zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre gemacht werden. Weiterhin muss die Selbstanzeige im Namen der jeweiligen Täter erfolgen, was insbesondere bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern bzw. Gesellschaftern äußerst schwierig ist. Aus diesem Grund ist es gängige Praxis, auftretende Fehler zunächst zu berichtigen (§ 153 AO), wenn zunächst keine Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vorliegen. Zeigt der aktuelle Unternehmensverantwortliche entgegen § 153 AO erkannte Unrichtigkeiten nicht unverzüglich an, macht er sich wiederum wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar. Angesichts dieser Gemengelage wäre eine Regelung wünschenswert, nach der auch eine unverzüglich abgegebene steuerliche Berichtigungserklärung die Verhängung einer Verbandsgeldsanktion ausschließt.

Die Zeit bis zum Inkrafttreten des VerSanG sollte genutzt werden, um TCMS zu implementieren bzw. bestehende TCMS zu überprüfen und bei Bedarf zu überarbeiten. Dabei empfiehlt sich die Einholung qualifizierten steuerlichen und rechtlichen Rats, ggf. auch in Form einer Zertifizierung (IDW-PS 980). Sollte zukünftig der Verdacht einer Verbandstat aufkommen, wird trotz o. g. Kritik zur Durchführung von internen Untersuchungen zu raten sein. Nebenbei: Bereits heute werden die Etablierung von TCMS sowie interne Untersuchungen nach der Rechtsprechung des BGH (1 StR 265/16) bußgeldmindernd berücksichtigt.

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