Gastbeitrag

Insolvenz – Wie lässt sich das Vermögen sichern?

Bettina Breitenbücher und Anette Neußner
Bettina Breitenbücher und Anette Neußner © Kübler

Die deutlich formulierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs v. 7.2.19 (BGH; Az.: IX ZR 47/18) zur Unzulässigkeit und damit Pflichtwidrigkeit der Nutzung von Anderkonten und offenen Treuhandkonten schlägt Wellen – nicht nur bei den Verwaltern. Auch auf Bankenseite wird bereits an Lösungen gearbeitet, wie die vom BGH geforderten Sonderkonten für die Insolvenzmasse praktikabel umgesetzt werden können, wissen Bettina Breitenbücher und Anette Neußner, Insolvenzrechtlerinnen der Kanzlei Kübler.

Zur Vermeidung so genannter Amtshaftungsansprüche fordern die Insolvenzgerichte ihre Verwalter derzeit auf, mitzuteilen, ob und in welchen Verfahren sie Anderkonten (Vollrechts-Treuhandkonten) als Insolvenzkonten führen, und diese Praxis umgehend zu beenden und auf Sonderkonten umzustellen. Dass diese Abfrage bestätigen wird, was der BGH als selbstverständlich voraussetzt, nämlich dass Sonderkonten in der Praxis üblich seien, darf nach bankseitigen Informationen allerdings bezweifelt werden – obwohl den Verwaltern auf Grund einer höchstrichterlichen Entscheidung zu Fehlüberweisungen auf Insolvenz-Anderkonten bereits 2009 klar geworden war, dass offene Treuhandkonten als Verfahrenskonten nicht in ihrem Interesse sind (BGH, Az.: IX ZR 192/07).

Umsetzungsbedarf bei den Banken

Das Anderkonto ist als Vollrechts-Treuhandkonto Eigenkonto des Rechtsanwalts bzw. Verwalters. Zahlungen, die darauf eingehen, fallen damit nicht in das Schuldnervermögen bzw. die Insolvenzmasse. Dem Rückgewähranspruch des Überweisenden konnte daher nicht der Einwand der Masseunzulänglichkeit entgegengehalten werden, da die Fehlüberweisung in das (private) Vermögen des Verwalters gelangt war und dieser damit mit seinem gesamten Vermögen für die Rückgewähr einzustehen hat. Schon damals wurden also die vom BGH in ständiger Rechtsprechung verlangten Sonderkonten vehement bei den Banken angefragt. Für Kreditinstitute scheint sich das Angebot von Sonderkonten für Verwalter nach eigenem Bekunden allerdings schwierig und aufwendig zu gestalten. In den Gremien wird aktuell mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet, wie die Eröffnung von Sonderkonten in einer Vielzahl von Verfahren der Verwalter effektiv und damit praktikabel gestaltet werden könnte. Kontoinhaber muss der jeweilige Schuldner sein und eben nicht der Verwalter als Treuhänder.

Warnpflichten der Bank und Haftung

Die Kontoinhaberschaft und damit die Vertragsbeziehung zur Bank war auch der Aufhänger der aktuellen Entscheidung. Nur wenn ein Bankvertrag mit dem Schuldner bestanden hätte, hätte die Bank eventuell Warnpflichten gegenüber dem Insolvenzgericht oder einem Gläubigerausschuss gehabt, wenn sich ihr die Veruntreuung der auf dem Verfahrenskonto eingesammelten Gelder durch den Insolvenzverwalter aufgedrängt hätte. Der Insolvenzverwalter hatte insgesamt 588 000 Euro durch Überweisungen mit dem Verwendungszweck „Neuanlage“ und „Übertrag Neuanlage“ auf sein Kanzleikonto der Masse entzogen. Dogmatisch ist es natürlich richtig, dass die Vermögenswerte der Insolvenzmasse nicht in das Vermögen des Verwalters überführt werden sollen, sondern rechtlich dem Schuldner verbleiben. In anderen Bereichen würde auch niemand auf die Idee einer Übertragung in das eigene Vermögen des Verwalters kommen. Ausreichend geschützt ist die Masse durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Verwalter.

Auf der anderen Seite weist auch das Anderkonto als offenes Treuhandkonto den Schuldner bzw. das Verfahren und seine Beteiligten als materiell Berechtigte am Kontoguthaben aus. Gerade im Insolvenzrecht ist die Abweichung der wirtschaftlichen und materiellen Berechtigung von der formalen Rechtsstellung anerkannt. Man denke z. B. an das gängige Mittel der Sicherungsübereignung. Hier kann der Sicherungsgeber in der Insolvenz des Sicherungsnehmers – wie ein Eigentümer – die Aussonderung aus der Masse verlangen. Und letztlich ist auch bei einem offenen Treuhandkonto die Masse nicht in Gefahr, solange sich der Verwalter pflichtgemäß verhält. Umgekehrt sind Veruntreuungen auch bei einem Sonderkonto nicht ausgeschlossen, da auch bei diesem die alleinige Verfügungsbefugnis beim Verwalter liegt.

Schließlich hätte man auch bei der strittigen Frage der Haftung der Bank wegen der Verletzung von Warnpflichten nicht bei der (rechtlichen) Kontoinhaberschaft Halt machen müssen, sondern weiter an eine Warnpflicht und Haftung nach den Grundsätzen der Schutzwirkung eines Vertrags zu Gunsten Dritter denken können. Immerhin weist auch das offene Treuhandkonto klar das Verfahren und damit die an diesem Beteiligten als wirtschaftlich am Guthaben Berechtigte aus.

Ausblick

Möglicherweise könnte hier eine Berufsordnung für Verwalter helfen. Angelehnt an die Berufsordnung für Notare, die auch in Ausübung eines öffentlichen Amtes Gelder verwahren und denen ebenfalls Sammelkonten verboten sind, könnten Verwalter-Anderkonten zugelassen und gesetzlich bestimmten Bedingungen unterworfen werden. Alternativ könnten Sonderkonten auf den Verwalter „als Partei kraft Amtes“ unproblematisch werden, deren Guthaben, wie auch bei sonstigem Rechtserwerb durch den Verwalter, der Masse zustehen.

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