Gastbeitrag

Compliance – Neue US-Leitlinie wirkt sich auf Europa aus

Ende April 2019 hat das US-amerikanische Department of Justice (DOJ) seine bisher detaillierteste Leitlinie zur Beurteilung von Compliance-Programmen veröffentlicht. Sie soll deren schwierige Beurteilung in unterschiedlichen Staaten, Sektoren und Kulturen vereinfachen bzw. zumindest die Beurteilungskriterien vereinheitlichen. Die Qualität eines Compliance-Programms spielt z. B. eine zentrale Rolle, wenn die Behörde die Einleitung eines (Straf-)Verfahrens prüft, ein Bußgeld festlegt oder über die Einsetzung eines unabhängigen Monitors entscheidet.

„Die Leitlinie ersetzt eine nur für Betrugsfälle geltende kürzere Vorfassung von 2017, deren rasche Aktualisierung und Erweiterung nach nur zwei Jahren den andauernden behördlichen Fokus auf Compliance-Programme zeigt“, erläutert Sven H. Schneider, Partner bei Hengeler Mueller. Dabei setze sie neue Schwerpunkte, insbesondere die Funktionsweise eines Programms in der Praxis, die Aufarbeitung von Verstößen und darauf aufsetzenden organisatorischen Fortentwicklungen durch die betroffenen Unternehmen sowie die Überprüfbarkeit der Wirksamkeit der Systeme auf Grundlage handfester Daten, Umfragen und Erhebungen aus dem Unternehmen. Zudem zeige sie die Bedeutung der Einbindung von Drittparteien in die Compliance-Bemühungen und die Relevanz im M&A-Kontext.

Drei Fragen im Fokus

Die Beurteilung soll sich an drei Grundfragen orientieren: Ist das Compliance-Programm 1. gut an das Unternehmen angepasst? Dazu gehören Maßnahmen, um mit maximaler Effektivität künftige Verstöße zu verhindern, Fehlverhalten aufzudecken sowie Rückendeckung durch das Top-Management für Compliance-Bemühungen sicherzustellen. Weitere Bestandteile sind interne Leitlinien und Prozesse, Schulungen und Kommunikation, Whistleblowing und Untersuchungsricht-linien, Drittparteien-Compliance sowie M&A-Compliance.

Ist das Programm 2. effektiv implementiert oder ein „Papiertiger“? Dies betrifft die unabhängige Aufbau- und Ablauforganisation des Programms ohne interessengeleiteten Einfluss des Managements, ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen, wirkungsvolle Einführung und unternehmensweite Kommunikation des Programms durch das Management („Tone from the Top“) und positive wie negative Anreize für die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung des Compliance-Programms (z. B. Bonusstruktur bzw. Disziplinarprozess).

Funktioniert 3. das System in der Praxis? Dazu gehört die Ausgestaltung als selbstlernendes System mit der Möglichkeit zur laufenden Anpassung an ein sich stetig veränderndes, nicht statisches Risikoumfeld. Entscheidend ist hierfür, ob und wie das Programm zur Zeit des Verstoßes grundsätzlich funktioniert hat, ob das Unternehmen im Rahmen einer Compliance-Untersuchung die Ursachen für den Verstoß ermitteln konnte (so genannte Root Cause Analyse) und ob das Compliance-Programm daraufhin an entscheidenden Stellen weiterentwickelt wurde.

Die Auswirkungen der DOJ-Leitlinie auf europäische Unternehmen dürften vielfältig sein. „Einerseits reicht die Kompetenz des DOJ nach US-Vorstellung weit über die USA hinaus, wenn die Behörde einen hinreichenden US-Nexus sieht“, so Lukas Ritzenhoff, Senior Associate bei Hengeler Mueller. „Andererseits dürfte die Leitlinie auch aus rein europäischer Sicht mittelbar relevant werden. Deutsche Strafverfolgungsbehörden etwa können bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten die Funktionsfähigkeit der Compliance-Systeme berücksichtigen.“ Und dabei, so vermutet auch Compliance-Experte Schneider, die DOJ-Leitlinie als „Best US Practice“ heranziehen.

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