Gastbeitrag

Agile Teams – Stolperfalle Scheinselbständigkeit

Jens Günther und Matthias Böglmüller
Jens Günther und Matthias Böglmüller © Gleiss Lutz

Im Zuge der Digitalisierung setzen Unternehmen verschiedener Branchen zunehmend auf agile Teams. Kernelement agiler Arbeit ist die Auflösung klassischer Hierarchiestrukturen sowie fester Berichtslinien. Agile Teams definieren sich u. a durch eine meist flexible, cross-funktionale und interdisziplinäre Zusammensetzung. Nicht selten binden Unternehmen dabei externe Expertise in den agilen Arbeitsprozess ein. Abhängig von der konkreten Fallgestaltung birgt dies allerdings das Risiko einer Scheinselbständigkeit oder verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, warnen Jens Günther und Matthias Böglmüller, Rechtsanwälte bei Gleiss Lutz.

Eine Scheinselbständigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person als freier Mitarbeiter selbständig Dienst- oder Werkleistungen erbringen soll, tatsächlich aber wie ein abhängig Beschäftigter nichtselbständige Arbeit leistet. Dies ist der Fall, wenn der externe Mitarbeiter in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert wird, indem er für diesen weisungsgebunden und fremdbestimmt tätig wird. Bei einer verdeckten, und damit unerlaubten Arbeitnehmerüber-lassung geht es um Situationen, in denen ein Arbeitnehmer des Auftragnehmers vermeintlich zur Erfüllung eines Werkvertrages zwischen zwei Unternehmen beim Auftraggeber eingesetzt wird, dort aber in die Arbeitsorganisation eingegliedert ist und nach Weisungen des Auftraggebers handelt.

Scheinselbständigkeit und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung haben nicht unerhebliche rechtliche und finanzielle Folgen für das Einsatzunternehmen. Neben Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer droht eine Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt. Im Fall einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem eingesetzten Mitarbeiter und dem Auftraggeber zustande. Ferner kann eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung mit einem Bußgeld geahndet werden.

Eingliederung agiler Teams in Einsatzunternehmen

In agilen Teams arbeiten freie Mitarbeiter oder Arbeitnehmer von externen Dienstleistern typischerweise „Schulter an Schulter“ mit den eigenen Arbeitnehmern des Unternehmens. Eine Eingliederung in den Betrieb des Unternehmens liegt damit nahe. Agile Arbeit in „Reinform“ zeichnet sich zwar wegen fehlender Hierarchiestufen grundsätzlich durch weisungsfreie Zusammenarbeit aus. In der Praxis lassen sich Weisungen in agilen Teams allerdings nur schwer komplett ausschließen. Die Grenzen zwischen fachlichen Vorgaben an einen Dienstleister und arbeitsrechtlichen Weisungen sind zudem fließend und nur schwierig trennscharf abgrenzbar.

Empfehlungen zur Risikovermeidung

Am effektivsten werden diese Risiken vermieden, wenn das Einsatzunternehmen externe Kräfte direkt in ein Arbeitsverhältnis übernimmt oder der Einsatz von Leiharbeitnehmern im Rahmen einer „echten“ Leiharbeit erfolgt. Dies wird sich in der Praxis allerdings selten umsetzen lassen. Die passenden externen Fachkräfte sind in den allermeisten Fällen nicht an einem festen Arbeitsverhältnis interessiert und regelmäßig auch nicht über Personaldienstleister auszuleihen.

Risikominimierend ist es, agile Teams ausschließlich mit Externen zu besetzen. In diesem Fall erfolgt keine Zusammenarbeit „Schulter an Schulter“ mit Mitarbeitern des Einsatzunternehmens. Eine Eingliederung eines rein externen Teams in die Arbeitsorganisation des Einsatzunternehmens ist insofern fernliegender. Vorzugswürdig ist hier der Einsatz von Fremdpersonal über einen externen Dienstleister gegenüber der Beschäftigung einzelner Selbständiger als freie Mitarbeiter. Letztere können nicht in eine bestehende Betriebs- und Organisationsstruktur außerhalb der des Auftraggebers eingegliedert werden.

Dennoch ist auch bei dieser Konstellation zur Risikovermeidung u. a. Folgendes zu beachten: Das Einsatzunternehmen sollte keinen Einfluss auf die Aufgabenverteilung und Aufgabenausführung innerhalb des externen Teams nehmen. Fachliche Weisungen sollten ausschließlich gegenüber einem Vertreter des Auftragnehmer-Unternehmens erfolgen. Funktionen wie der Product Owner nach der Scrum-Methode können der entsprechende „Brückenkopf“ beim Einsatzunternehmen sein. Der Anschein eines Handelns der Teammitglieder im Namen des Einsatzunternehmens sollte vermieden werden (z. B. keine E-Mail-Adressen, Visitenkarten des Einsatzunternehmens für Teammitglieder). Empfehlenswert ist auch eine räumliche Trennung des agilen Teams von den eigenen Mitarbeitern.

Indizien einer Eingliederung und Weisungsabhängigkeit lassen sich auch durch eine entsprechende Vertragsgestaltung vermeiden, beispielsweise können die Rollen der am agilen Arbeitsprozess beteiligten Mitarbeiter des Auftraggebers eindeutig beschrieben werden. Dabei kann festgehalten werden, dass es sich bei Weisungen dieser Personen ausschließlich um werkvertragliche, fachbezogene Weisungen handelt, die zur Erfüllung des Werkvertrags erforderlich sind.

Fazit

Im Ergebnis ist die Einbindung Externer in agile Arbeitsprozesse möglich. Mit Blick auf das Risiko einer Scheinselbständigkeit oder einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung sind rein externe Teams gemischten Teams vorzuziehen. Organisatorische Maßnahmen helfen, die Risiken zu verringern.

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