Gastbeitrag

Betriebsratsarbeit – Ein goldenes Ehrenamt?

Stefan Middendorf
Stefan Middendorf © KPMG Law

Die richtige Vergütung von Betriebsratsmitgliedern stellt Unternehmen vor erhebliche praktische Probleme. Zum einen kann die Festsetzung einer zu hohen oder – in der Praxis seltener beobachtet – zu niedrigen Vergütung zur Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarungen führen. Noch weitaus schwerer dürfte allerdings der Umstand wiegen, dass Vorstand, Geschäftsführung und Betriebsratsmitglieder sich strafbar machen können. Die Staatsanwaltschaften untersuchen heute deutlich mehr Fälle als noch vor zehn Jahren. Für Unternehmen sollte das Anlass genug sein, sich zu wappnen, meint Stefan Middendorf, Arbeitsrechtler und Partner bei KPMG Law.

Liest man die aktuelle Berichterstattung zu Vergütungen von Betriebsräten in der Automobilindustrie, so wundert man sich, dass die Betriebsratsarbeit im Gesetz als unentgeltliches Ehrenamt konzipiert ist. Die Betriebsratsmitglieder haben allerdings ein Recht auf Freistellung unter Fortzahlung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Entgelts. Dieses Entgelt ist so festzusetzen, dass die Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begüns-tigt werden. Daher ist nach den gesetzlichen Vorgaben jedes Betriebsratsmitglied so zu stellen, wie sich seine individuelle Vergütung entwickelt hätte, wenn es regulär – also nicht als Betriebsrat – gearbeitet hätte. Die Höhe ist jeweils anhand der betriebsüblichen Vergütung „vergleichbarer“ Arbeitnehmer zu ermitteln.

Diese Ermittlung von „vergleichbaren“ Arbeitnehmern kann in der Praxis allerdings zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Jedenfalls aber mangelt es in aller Regel an einer entsprechenden Dokumentation. Die gesetzeskonforme Vergütung birgt damit sowohl unter arbeitsrechtlichen als auch unter strafrechtlichen Aspekten Risiken für alle Beteiligten.

Die Höhe der Betriebsratsvergütung

Das Gesetz fordert, das Betriebsratsmitglied so zu stellen, als hätte es die ursprüngliche Arbeitsleistung weiterhin erbracht. Insbesondere bei mehreren aufeinanderfolgenden Amtszeiten als Betriebsrat kann das zu Problemen führen. Die Festlegung der Vergleichsgruppe zu Beginn der Tätigkeit kann dabei ebenso eine Schwierigkeit darstellen wie die Vergleichbarkeit mit einzelnen Mitgliedern der Gruppe nach mehreren Jahren im Betrieb. Nicht selten entwickeln sich Karrieren unterschiedlich. Bemessungsgrundlage ist jeweils der hypothetische Karriereverlauf, den das Betriebsratsmitglied vermutlich erlebt hätte. Gelingt im Einzelfall der Nachweis, dass die jeweilige Karriere überdurchschnittlich verlaufen wäre, ist auch eine höhere Vergütung als die von vergleichbaren Arbeitnehmern möglich. Der Karriereverlauf soll nach der Gesetzesintention gerade nicht auf die berufliche Entwicklung der Vergleichsgruppe begrenzt werden. Somit kann im Einzelfall für besonders leistungsstarke Betriebsratsmitglieder auch eine deutlich höhere Vergütung möglich sein, zumal sich die Persönlichkeit auch gerade während der Betriebsratstätigkeit weiterentwickelt und (hypothetische) Beförderungen im Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers liegen.

Ist die Vergütungsvereinbarung im konkreten Einzelfall aber nicht gesetzeskonform, da sie das Betriebsratsmitglied unzulässig benachteiligt oder begünstigt, so ist sie insgesamt nichtig. Praktisch bedeutet das, dass ein Betriebsratsmitglied, das eine zu hohe Vergütung erhält, diese für die Zukunft nicht weiter beanspruchen kann.

Das Strafbarkeitsrisiko

Neben der zivilrechtlichen Nichtigkeit drohen darüber hinaus den Verantwortlichen auf Unternehmensseite auch persönliche strafrechtliche Sanktionen, wenn sie zu hohe Vergütungen veranlassen. Neben einer Strafbarkeit aus dem Betriebsverfassungsrecht wegen Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds kommt insbesondere der Vorwurf der Untreue in Betracht. Dabei genügt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch der Verstoß gegen unternehmensinterne Vergütungsrichtlinien und Vorgaben, um eine untreue-relevante Pflichtverletzung anzunehmen. Schließlich kann auch noch eine Steuerhinterziehung im Raum stehen, weil überzogene Betriebsratsvergütungen nicht als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden dürfen.

Frühzeitige Festlegung

Die Ermittlung der relevanten Vergleichsgruppe für ein Betriebsratsmitglied wird mit fortschreitender Zeit immer schwieriger. Einerseits lässt sich rückwirkend schlechter festlegen, welche Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe bei Beginn der Betriebsratstätigkeit hätten angehören sollen, andererseits können sich die Karrieren der einzelnen Mitglieder der Vergleichsgruppe über die Jahre unterschiedlich entwickeln.

Deshalb sollte eine Vergleichsgruppe bereits bei der Freistellung genau festgelegt und dokumentiert werden. Empfehlenswert ist darüber hinaus die Definition von allgemeingültigen Kriterien für den Vergleichsmaßstab und die betriebstypische Entwicklung in so genannten Regelungsvereinbarungen, welche die gesetzlichen Vorgaben für das jeweilige Unternehmen konkretisieren.

Zu beachten ist aber, dass gerade durch einen Verstoß gegen diese interne Vorgaben die Möglichkeit einer Strafbarkeit des Personalvorstands geschaffen wird. Daher ist bei der Festlegung und Anwendung große Sorgfalt geboten. Werden Auswahl und Dokumentation korrekt vorgenommen, dann kann auch im Einzelfall eine deutlich höhere Vergütung für Betriebsratsmitglieder rechtlich zulässig sein.

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