Novelliertes Kaufrecht birgt Risiken für Hersteller
Die zum 1.1.18 in Kraft getretene Novelle der kaufrechtlichen Mängelhaftung verändert das Gewährleistungsrecht bei Kaufverträgen im B2B-Bereich erheblich. Inhaltlich dehnt der Gesetzgeber damit genuines Verbraucherrecht bemerkenswert weit auf den unternehmerischen Bereich aus. Vor allem Endabnehmer sowie Zwischenhändler profitieren von der Änderung. Hersteller werden auf die zu ihren Lasten gehende neue Risikoverteilung voraussichtlich mit Preiserhöhungen reagieren, nicht zuletzt, um für einen ausreichenden Versicherungsschutz sorgen zu können. Sie werden zudem in Lieferverträgen nach zulässigen, haftungserleichternden Gestaltungsmöglichkeiten suchen, erwarten Thomas Nägele und Alexander Stolz, Anwälte bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.
Der Verkäufer ist fortan bei allen Kaufverträgen – auch bei reinen B2B-Geschäften – verschuldensunabhängig dafür verantwortlich, die „erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache“ zu tragen. Das gilt zumindest dann, wenn die Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder sonst angebracht, angeschlossen, aufgehängt oder montiert wird (§ 439 Abs. 3 BGB). Einen gewissen Schutz vor übermäßiger Belastung des Verkäufers bietet das Kriterium der „Erforderlichkeit“: Es werden nur Aufwendungen ersetzt, die aus sachkundiger Sicht vernünftig und wirtschaftlich sind. Keinen Aufwendungsersatz gibt es zudem, wenn der Käufer im Einbauzeitpunkt die Mangelhaftigkeit kannte.
Vereinheitlichung der Rechtslage
Hintergrund dieser Rechtsänderung ist die angestrebte Vereinheitlichung der Rechtslage bei B2B- und B2C-Kaufverträgen. Lange Zeit galt, dass der wegen eines Mangels zur Nacherfüllung verpflichtete Verkäufer dabei nicht mehr schulde als ursprünglich vertraglich versprochen, also nur die Bereitstellung einer mangelfreien Sache. Der Ausbau einer mangelhaften und der Einbau einer mangelfreien Sache sowie die Übernahme dafür anfallender Kosten gehörten folglich nicht zur Nacherfüllung. Sie konnten vom Käufer allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs geltend gemacht werden. Dieser setzt aber ein Verschulden voraus.
Konträr dazu urteilte jedoch der Europäische Gerichtshof 2011. Danach habe ein Verkäufer die Pflicht, den Aus- und Einbau zu besorgen oder jedenfalls die Aufwendungen hierfür zu tragen, wenn der mangelhafte Kaufgegenstand bestimmungsgemäß von einem gutgläubigen Verbraucher eingebaut wurde. Der an diese Vorgaben gebundene Bundesgerichtshof legte daraufhin die Nacherfüllungsvorschrift (§ 439 BGB) bei Verbrauchsgüterkaufverträgen richtlinienkonform in dieser Weise aus. Außerhalb des europarechtlich harmonisierten B2C-Bereichs galt jedoch weiterhin: Ein- und Ausbaukosten können nur im Wege des Schadensersatzes verlangt werden. Das war mangels Verschuldens des Lieferanten häufig nicht durchsetzbar. Diese gespaltene Rechtslage wird durch die Novelle beseitigt. Nunmehr gilt in allen Bereichen die verschuldensunabhängige Ersatzfähigkeit der Ein- und Ausbaukosten.
Gewissermaßen als Ausgleich für diese Ausweitung der Mängelhaftung kann der Verkäufer die bei der Nacherfüllung anfallenden Aufwendungen fortan entlang der gesamten Lieferkette weiterreichen – bis zum Verursacher des Mangels. Wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits bei der Übergabe vom Lieferanten an den Verkäufer vorhanden war, kann der Verkäufer von seinem Lieferanten verschuldensunabhängig den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zu tragen hatte. Dadurch haftet der Lieferant gegebenenfalls auch für Ein- und Ausbaukosten.
Dies gilt nunmehr ungeachtet dessen, ob der letzte Kauf ein Verbrauchsgüterkauf ist oder nicht. Bisher ließ das Gesetz einen verschuldensunabhängigen Regress eines unternehmerischen Zwischenhändlers gegen seinen Lieferanten mangels Verbraucherkaufgeschäft nicht zu, wenn die Sache zuletzt an einen Unternehmer verkauft oder im Rahmen einer Werk-leistung verarbeitet wurde. Der Rückgriffsanspruch gegen den Lieferanten verjährt grundsätzlich erst zwei Monate nachdem der Verkäufer die Mängelansprüche des Käufers erfüllt hat. Längstens läuft die Frist bis zu fünf Jahre nach der Ablieferung der Sache beim Verkäufer.
Preise dürften steigen
Obwohl die Hintergründe der Reform einleuchten, wird sich zeigen müssen, ob diese aus Kosten-Nutzen-Sicht auch im Wirtschaftsleben sinnvoll ist. Die Risikoverteilung geht nun deutlich zu Lasten der Hersteller. Sie werden die möglichen Kosten in ihren Angebotspreisen einkalkulieren, nicht zuletzt, um für einen ausreichenden Versicherungsschutz sorgen zu können. Zudem werden sie in Lieferverträgen andere Zugeständnisse verlangen. Individualvertraglich sind Haftungserleichterungen ohne weiteres möglich. Noch nicht geklärt ist indes, ob die Möglichkeit eines vollständigen Ausschlusses oder wenigstens einer Modifizierung der neuen Regelungen durch allgemeine Geschäftsbedingungen besteht. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat sich gegen solche Haftungserleichterungen in den AGB ausgesprochen. Ob die Rechtsprechung dieser – keineswegs unbestrittenen und wenig überzeugenden – Meinung folgen wird, bleibt abzuwarten.
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