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Homeoffice – Von der Überbrückungslösung zum neuen Normalfall

_ Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ermöglichen viele Unternehmen ihren Mitarbeitern notgedrungen, von zu Hause zu arbei­ten – eine Maßnahme zur Verringerung des Infek-tionsrisikos, um die auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Blick auf den zweiten „harten“ Lockdown noch einmal eindringlich gebeten hatte. Zugleich wird auch ein viel diskutierter Wunsch der Arbeitnehmer erfüllt, vor allem, um Beruf und Kinderbetreuung besser vereinbaren zu können.

Dabei zeigt sich: Was zunächst als kurzfristige Überbrückungsmaßnahme erschien, entwickelt sich zum neuen Normalfall und wird voraussichtlich auch das Arbeitsleben „nach Corona“ prägen. Doch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist Homeoffice nicht gleich Homeoffice, weiß Klaus Thönißen, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Essen. „Zunächst einmal liegen solchen arbeitgeberseitigen Anordnungen zum Homeoffice – wenn (kollektiv-)vertragliche Grundlagen nicht existieren – in der Regel ein Abwägungsvorgang zugrunde, denn grundsätzlich gilt, die Interessen der Arbeitnehmer in angemessener Weise zu berücksichtigen“, so der Arbeitsrechtler.

Im Kontext der Pandemie sei diese Abwägung relativ einfach, denn die Arbeit mehrerer Arbeitnehmer an einem Ort gilt potenziell als gesundheitsgefährdend. „Damit treten solche Interessen der Arbeitnehmer in den Hintergrund, die der Arbeit außerhalb des Betriebes entgegenstehen könnten“, erläutert Thönißen. Vor dem Hintergrund der Gefahr für den betroffenen Mitarbeiter selbst sowie der Kollegen werden diese Einschränkungen für zulässig erachtet. Darüber hinaus liegt in der Tätigkeit von zu Hause aus im Sinne des § 615 BGB eine zumutbare andere Tätigkeit vor, sodass dem Arbeitnehmer – im Falle des Widersetzens – der Verlust des Entgeltanspruchs droht. Voraussetzung ist natürlich, dass die Arbeit von zu Hause auch tatsächlich möglich ist.

Dezentrales Arbeiten, Homeoffice oder Mobile Working galten vor der Pandemie in vielen Unternehmen als Reizwörter und lösten Bedenken aus – insbesondere aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen. Die gesetzliche Situation hat sich durch die Pandemie nicht verändert. Grundsätzlich gilt, zwischen Homeoffice (Telearbeit) und Mobile Working (Mobiles Arbeiten) zu unterscheiden.

Mobile Arbeit – Mehr Freiheit, weniger Schutz

Beim dauerhaft eingerichteten Homeoffice, dem sogenannten Telearbeitsplatz, erfolgt die Tätigkeit beim Arbeitnehmer daheim und bezeichnet somit eine Verlagerung des Arbeitsortes an den Wohnort des Arbeitnehmers. Im Unterschied dazu ist es dem Arbeitnehmer beim Mobile Working freigestellt, von wo aus er arbeitet. Das coronabedingte Homeoffice wird nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel regelmäßig ebenfalls als Mobile Working betrachtet. „Daraus ergeben sich für den Arbeitgeber geringere Schutzpflichten im Falle des Mobile Workings“, erklärt Arbeitsrechtler Thönißen. Denn eine konkrete Gefährdungsbeurteilung des tatsächlichen Arbeitsplatzes sei durch vom Arbeitnehmer selbst gewählte Arbeitsplätze regelmäßig nicht möglich (Fürsorgepflicht und übrige Arbeitsschutzvorschriften bleiben jedoch voll anwendbar). Das Homeoffice setzt dagegen einen festen, vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsplatz voraus, sodass insbesondere eine Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) und eine Unterweisung (§ 12 ArbSchG) vorgenommen werden müssen.

Fazit

Dezentrales Arbeiten zuzulassen, ist durch die positiven Erfahrungen in der Pandemie gestiegen. Die dabei implementierten technischen Voraussetzungen verleiten dazu, die geübte Praxis fortzusetzen. „Doch bleibt festzuhalten, dass nicht nur strukturelle Lösungen entwickelt werden müssen, sondern auch abzuwägen ist, welche arbeits(schutz)rechtlichen Konsequenzen oder begleitende Maßnahmen bspw. mit Blick auf Datenschutz oder Geschäftsgeheimnisschutz sich daraus ergeben – diese müssen gegebenenfalls auch rückwirkend überprüft werden“, unterstreicht Thönißen.

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