Gastbeitrag

HV-Saison 2021 startet mit erweiterten Fragerechten

Christian Löhr und Maximilian Schauf
Christian Löhr und Maximilian Schauf © Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare

_ Auch 2021 werden größere Hauptversammlungen (HV) mehrheitlich virtuell stattfinden. Nachdem das Hauptaugenmerk im vergangenen Jahr auf einer raschen und rechtssicheren Umsetzbarkeit von virtuellen HVs lag, hat der Gesetzgeber nun das zentrale Fragerecht der Aktionäre im Falle von Online-HVs behutsam erweitert. Die Gesellschaftsrechtler Christian Löhr und Maximilian Schauf erklären, was es damit praktisch auf sich hat.

2020 fanden 28 von 30 ordentlichen HVs von DAX-Gesellschaften online statt. Basis hierfür war das Anfang 2020 geschaffene „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“, kurz: COVMG. Demnach sind virtuelle HVs auch ohne entsprechende Satzungsregelungen zulässig. Voraussetzung ist neben der Zustimmung des Aufsichtsrats insbesondere eine Bild- und Tonübertragung der HV, die Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung und zum Widerspruch. Daneben musste es ursprünglich eine Fragemöglichkeit für die Aktionäre im Vorfeld der HV geben, ohne dass die Gesellschaft die eingereichten Fragen auch alle beantworten musste. Insoweit bestand Ermessen. Hingegen sind weder eine Generaldebatte noch Rede- und Fragerechte der Aktionäre während der HV zwingende Voraussetzungen. Das Augenmerk des Gesetzgebers lag mit der anfänglichen Fassung des COVMG – zu Recht – auf der schnellen Bereitstellung einer rechtssicheren Alternative zur Präsensversammlung. Hinzukam die Sorge vor nicht zu bewältigenden Frageexzessen bei virtuellen Versammlungen. Tatsächlich blieben die Teilnahmequoten der virtuellen HVs insgesamt stabil und das Instrument der virtuellen HV hat sich in der Krise bewährt – sicherlich auch schlicht aus Mangel an Alternativen.

Kein Ermessen mehr beim Ob der Beantwortung

Insbesondere Aktionärsschützer schossen sich allerdings schnell auf die als schwach erachtete Fragemöglichkeit ohne allgemeine Antwortpflicht ein: Dies stelle eine Gefährdung des Dialogs zwischen Aktionären und Management oder auch eine vertane Möglichkeit zu unmittelbaren Investor Relations in Zeiten der Pandemie dar. Auch die Konformität mit der europäischen Aktionärsrechte-Richtlinie wurde angezweifelt.

Nach der Verlängerung der Geltung des COVMG im Oktober 2020 bis zum Ende 2021 nahm der Gesetzgeber noch im vergangenen Dezember überraschend vor allem die Kritik an der Fragemöglichkeit auf. An eher unerwarteter Stelle im Restschuldbefreiungsgesetz ersetzte er die Fragemöglichkeit durch ein Fragerecht der Aktionäre unter dem COVMG – vorher eingereichte Fragen der Aktionäre müssen nun auf allen virtuellen HVs ab dem 28.2.21 stets beantwortet werden. Dies gilt weiterhin nicht bei Vorliegen anerkannter Auskunftsverweigerungsgründe – z. B. wenn die Antwort nicht zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnung erforderlich ist oder das Fragerecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird.

Daneben hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des Vorstands, die Einreichung von Fragen auf einen Zeitraum vor der HV zu begrenzen, von zwei auf einen Tag vorher verringert. Die Berechnung dieser Frist ist weiterhin unklar, sollte aber zur Vermeidung von Fragen bis kurz vor der HV als echte Zwischenfrist verstanden werden.

Insgesamt wird der Aufwand für die Vorbereitung der Online-HV daher steigen. Bis zur HV ist eine Art stehendes Back Office zumindest bei großen Gesellschaften kaum zu vermeiden. Die Annäherung des Fragerechts der Aktionäre an § 131 AktG und die Aktionärsrechte-RL bergen ein erhöhtes Risiko von Frageexzessen. Dieses Risiko war in der vorherigen Form des COVMG aufgrund des Verzichts auf eine allgemeine Antwortpflicht nicht derart angelegt. Im Extremfall könnte bis kurz vor der HV eine Flut an Fragen auf die Gesellschaft einprasseln, die – von Ausnahmefällen abgesehen – allesamt während der HV beantwortet werden müssen. Der Ausschluss von Anfechtungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Fragerecht federt dieses Risiko allerdings gehörig ab; nur ein vorsätzlicher Verstoß berechtigt zur Anfechtung der in der HV gefassten Beschlüsse, wofür allerdings der anfechtende Aktionär die Beweislast trägt. Diese Sicherungslinie des COVMG zugunsten der Gesellschaften hat der Gesetzgeber nicht aufgegeben.

Freiwillige Fragerechte während der HV

Gerade Gesellschaften mit überschaubarem Aktionärskreis verbaut das COVMG keine freiwillig eröffneten Fragerechte während einer virtuellen HV. Die nötigen technischen Mittel vorausgesetzt, bietet sich auf diesem Wege die Möglichkeit einer intensiven Pflege der Investor Relations – gerade im Vergleich zur ausschließlich „passiven“ virtuellen HV. Damit einher geht allerdings weiterer Aufwand für ein Back Office auch während der virtuellen HV. Einem erhöhten Risiko von Frageexzessen könnte die Gesellschaft hingegen mit einer Beschränkung auf eine Fragemöglichkeit (ohne allgemeine Antwortpflicht) während der HV begegnen, worauf sie in der Einladung eindeutig hinweisen sollte. Sich zu verpflichten, auch während einer virtuellen HV gestellte Fragen wie im Vorfeld stets zu beantworten, dürfte insbesondere bei einem größeren Aktionärskreis das Risiko von Frageexzessen schwer kalkulierbar erhöhen. Allgemein werden freiwillige Fragerechte während einer virtuellen HV auch in 2021 zumindest bei größeren Gesellschaften Seltenheitswert haben.

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