Gastbeitrag

Verbraucherschutz hält Einzug in die Compliance

Bernd Federmann und Philipp Asbach
Bernd Federmann und Philipp Asbach © KPMG Law

Am 7.1.20 ist die Änderungsrichtlinie EU 2019/2161 („Verbraucherschutz-Compliance-Richtlinie“) in Kraft getreten, die bis zum 28.11.21 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Sie zielt darauf ab, nationale Verbraucherrechte zu modernisieren, im E-Commerce zu stärken und mittels Bußgeldern auch durchzusetzen. Welche Vorschriften sie erfasst, was Unternehmen bei Verstößen droht und wie sich dies auf die unternehmerische Praxis und Compliance auswirkt, wissen Bernd Federmann und Philipp Asbach von KPMG Law.

Die „Verbraucherschutz-Compliance-Richtlinie“ (VC-RL) ändert und ergänzt mehrere bestehende EU-Richtlinien: Zum Schutz des Verbrauchers vor missbräuchlichen Klauseln (RL93/13/EWG), bei Angabe von Preisen (RL98/6/EG), gegen unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) sowie bei Darlehen-, Fernabsatz-, und Haustürgeschäften (RL 2011/83/EU). Die nationale Umsetzung dieser früheren Richtlinien zieht sich durch einen Großteil des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), u. a. zählen hierzu die AGB-Vorschriften, Widerrufsrechte und Informationspflichten bei Haustür- oder Fernabsatzgeschäften, kaufrechtliche Regelungen und Vorschriften zu Verbraucherdarlehen. Daneben haben sie auch Niederschlag im Gesetz gegen unerlaubten Wettbewerb (UWG) und in der Preisangabenverordnung (PangV) gefunden.

Sachlicher und territorialer Anwendungsbereich

Die VC-RL ist ausschließlich auf dem Bereich B2C gerichtet und erfasst keine B2B-Konstellationen. Territorial beschränkt sie sich aber nicht nur auf Anbieter von Waren oder Dienstleistungen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben. Von ihrer Zielrichtung und Logik erfasst sie auch ausländische Marktakteure, die ihr Angebot auf Verbraucher in einem Mitgliedstaat ausrichten. Die VC-RL sieht eine Vielzahl von neuen Verbraucherschutzregelungen vor, z. B. 1. Verbot der Vermarktung unterschiedlicher Produkte als identische Produkte,
2. Verbot aggressiver oder irreführender Vermarktungs- und Verkaufspraktiken bei Haustürgeschäften und „Kaffeefahrten“, 3. Informationspflichten bei atypischen Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, 4. Weitreichende Informationspflichten für Onlinemärkte, 5. Regelungen zur Angabe von Preisermäßigungen und personalisierten Preisen sowie 6. Rechtsbehelfe wie Reparatur oder Ersatzlieferung bei unlauteren Geschäftspraktiken. Zudem sind für das Ranking von Suchmaschinen sowie Verbraucherbewertungen auf Angebotsseiten weitreichende Offenlegungs- und Nachprüfungspflichten seitens des Anbieters vorgesehen.

Geldbußen bei Verstößen gegen Vorschriften

Bedeutender als die inhaltlichen Änderungen der einzelnen Richtlinien ist der mit der VC-RL eingeführte Paradigmenwechsel für das deutsche Recht. Bislang ziehen nach deutscher Gesetzeslage Verstöße gegen Verbraucherschutznormen grundsätzlich nur zivilrechtliche Unterlassungsverfahren oder Abmahnungen nach sich. So sind etwa AGB unwirksam, wenn sie gegen Verbraucherschutzrechte verstoßen (§ 305 f. BGB). Nach dem Vorbild der Datenschutzgrundverordnung gibt die VC-RL den Mitgliedstaaten nun auf, für Verstöße gegen die nach den Richtlinien in nationales Recht umgesetzten sowie noch umzusetzenden Verbraucherschutznormen angemessene und abschreckende Sanktionen einzuführen.

Die VC-RL schreibt dem nationalen Gesetzgeber vor, dass weitreichende Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften mit einem Höchstbetrag von mindestens 4% des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden bebußt werden können müssen („Mindestharmonisierung“). Kann der Jahresumsatz mangels Informationen nicht bestimmt werden, muss die Verhängung eines Maximalbußgeldes von mindestens
2 Mio. Euro gewährleistet sein. Die VC-RL listet einen nicht abschließenden Mindestkatalog an Umständen auf, die bei der Festlegung des Bußgelds zu berücksichtigen sind, etwa Art, Schwere und Dauer des Verstoßes, Wiederholungstäterschaft, Wiedergutmachung und erlangte finanzielle Vorteile.

Handlungsbedarf für Unternehmen

Die VC-RL rückt den Verbraucherschutz in das deutsche Ordnungswidrigkeitsrecht (OWiG) und damit in den Kernbereich der unternehmerischen Compliance. Damit muss der Verbraucherschutz künftig im CMS des Unternehmens verankert werden. Auswirkungen wird die VC-RL insbesondere auf die Schulung und Überwachung von Vertrieb und Marketing im E-Commerce haben. Sie erfordert die Anpassung bisher typischer Prozesse und Kompetenzzuteilungen. Fiel etwa die Einhaltung des Verbraucherschutzes lange Zeit in die ausschließliche Zuständigkeit von Vertragsjuristen der Rechtsabteilung, muss diese nun in die Kontrollmechanismen aller operativ relevanter Geschäftsprozesse integriert werden, um eine bußgeldpflichtige Aufsichtsrechtsverpflichtung (§ 130 OWiG) zu verhindern.

Fazit

Die VC-RL justiert an vielen Stellen den bisherigen EU-Verbraucherschutz nach und unterwirft ihn der behördlichen Kontrolle. Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland über die geforderte Mindestharmonisierung hinausgehen wird. Unternehmen sollten frühzeitig ihr CMS anpassen sowie ihre Angebotspraktiken und ihre AGB im B2C-Bereich auf nationale Konformität prüfen.

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