Interview

Corona-Krise – Wirtschaftliche Hilfe für existenzbedrohte Firmen

Das Coronavirus droht weltweit der Wirtschaft massiven Schaden zuzufügen, auch in Deutschland. Die Aktienmärkte haben mit kräftigen Verlusten zu kämpfen, Wachstumserwartungen werden erheblich nach unten korrigiert. Für manche Unternehmen könnte die Krise existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Entsprechend alarmiert kündigte die Bundesregierung bereits an, den betroffenen Unternehmen z. B. mit Steuererleichterungen und vereinfachtem Zugang zum Kurzarbeitergeld unter die Arme zu greifen. Was Unternehmen darüber hinaus noch tun können, um die derzeitige Krise zu meistern, erläutern Heiko Tschauner und Christian Herweg, Partner bei Hogan Lovells.

Welche Branchen sind durch die Ausbreitung des Coronavirus besonders gefährdet?
Herweg: Alle Bereiche, die auf Lieferketten angewiesen sind, spüren die wirtschaftlichen Folgen durch den Virus besonders. Vor allem die Automobilindustrie und Life Sciences/Healthcare-Unternehmen, die fast ausschließlich in Asien produzieren, sind gefährdet und warnen schon jetzt vor massiven Gewinneinbrüchen. Auch der Tourismus und Luftverkehr, die Hotel- und Veranstaltungsbranche und – bei weiterer Ausbreitung des Virus – wohl auch der Einzelhandel müssen mit drastischen Einbußen rechnen. Aber auch Branchen, die zunächst nicht betroffen scheinen, wie z. B. die Immobilienbranche oder die Finanzindustrie, sollten sich auf Konsequenzen einstellen. Es wächst nämlich die Gefahr einer Abwärtsspirale, die weite Kreise unserer Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen kann. So kann es sein, dass Mieter und Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten und fällige Leistungen nicht mehr oder nicht mehr vollständig erbringen können.

Sehen Sie bereits erste Insolvenzen am Markt?
Tschauner: Die wirtschaftlichen Gefahren für Unternehmen sind greifbar, die ersten Unternehmen in Deutschland melden bereits Finanzierungs- und Liquiditätsschwierigkeiten. Vor allem die Tourismus- und Luftfahrtbranche ist stark getroffen. Weil Kunden Reisen zunehmend meiden, mussten z. B. die britische Airline Flybe und der japanische Kreuzfahrtanbieter Luminous Cruise bereits Insolvenz anmelden, weitere Tourismus-, Reise- und Veranstaltungsunternehmen könnten folgen. Gerade Firmen, deren Produktions- und Transportwege beeinträchtigt sind, drohen hohe Verluste, die kurz- bis mittelfristig zur Insolvenz führen können.

Welche Maßnahmen können Unternehmen jetzt treffen, um sich abzusichern?
Herweg: Unternehmen sollten ihre Geschäfte einer leistungs- und finanzwirtschaftlichen Prüfung unterziehen, um potenzielle Risiken frühzeitig ausfindig zu machen und wirtschaftliche Schwierigkeiten zu beheben, bevor es zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung kommt. Ganz konkret heißt das, dass sie Verträge mit wichtigen Partnern, Abnehmern und Kunden genau analysieren und so genannte Business Continuity Agreements aufsetzen sollten, also Strategien entwickeln, die im Krisenfall den Fortbestand des Unternehmens sicherstellen. Sofern möglich, ist es außerdem ratsam, Second Sources aufzubauen, also alternative Lieferquellen. Auch Absicherungen, wie z. B. verlängerte Eigentumsvorbehalte oder Kreditausfallversicherung, sollten geprüft und mit Finanzierungspartnern frühzeitig besprochen werden.

Woran sollten Unternehmen jetzt unbedingt denken?
Tschauner: Nicht nur das Coronavirus, sondern auch die Disruption durch den technologischen Wandel können Unternehmen schwer zusetzen. Hier gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, die wirtschaftliche Entwicklung genau im Auge zu behalten und frühzeitig zu handeln. Es empfiehlt sich, im Rahmen einer „Insolvenz Compliance“ Lieferketten und Absicherungsmöglichkeiten gründlich zu prüfen, das Gespräch mit Kunden und Lieferanten zu suchen, einen Krisenplan aufzustellen und falls nötig Restrukturierungsmaßnahmen zu prüfen und einzuleiten. Auch Informationspflichten und sonstige Verpflichtungen unter Finanzierungsdokumenten sollten geprüft und wenn nötig, frühzeitig mit den Banken das Gespräch gesucht werden.

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