Insolvenzen - Erhöhte Anforderungen in der Krise

Wissenswertes für Geschäftsführer und Vorstände

Bettina Breitenbücher
Bettina Breitenbücher © Breitenbücher

_ Unabhängig von der Frage, ob ein Unternehmen tatsächlich insolvenzreif ist, gelten in der Krise erhöhte Kontroll- und Überwachungspflichten der Geschäftsleiter. Dies hatte der Bundesgerichtshof (BGH) erst jüngst nochmal ausdrücklich bestätigt. Diese Pflichten sind ressortübergreifend, was diese Angelegenheit für alle Geschäftsleiter brisant macht.

Umfang der D & O-Versicherung prüfen

Die meisten Geschäftsleiter in größeren Unternehmen werden zum Schutz vor einer persönlichen Inanspruchnahme eine D & O-Versicherung abgeschlossen haben. Allerdings hat die Rechtsprechung im Jahr 2017 entschieden, dass eine D & O-Versicherung im Regelfall nicht das Haftungsrisiko aus § 64 GmbHG für verbotene Auszahlungen nach Insolvenzreife abdeckt. Man kann daher allen Geschäftsführern und Vorständen nur raten, die Versicherungsbedingungen ihrer D & O-Versicherung zu prüfen und dieses Risiko gegebenenfalls nachzuverhandeln, denn § 64 GmbHG ist der Hauptanwendungsfall einer persönlichen Inanspruchnahme.

Unabhängig von einer Ressortaufteilung treffen beim Vorliegen von Krisenanzeichen jeden Geschäftsleiter in Organstellung die erhöhten Kontroll- und Überwachungspflichten, die sich auf die Vermögenslage des Unternehmens beziehen. Dies ist auch wichtig für Geschäftsführer, die auf Grund ihrer Ressortzuständigkeit nicht mit den Aufgaben eines CEO oder CFO befasst sind. Nach der Rechtsprechung darf sich ein Geschäftsleiter, der sich von einem unabhängigen fachlich qualifizierten Berufsträger – mithin einem Restrukturierungsexperten – beraten lässt, auf den ihm erteilten Rat verlassen, wenn der Rat zeitnah vorgelegt und auf Plausibilität überprüft wird.

Überschuldungsprüfung und Jahresabschluss

Viele Unternehmen, die trotz der Corona-Krise noch liquide sind, haben gleichwohl mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen oder müssen ihr Geschäftsmodell umstellen, sie sehen sich daher mittelfristig mit Liquiditätsengpässen konfrontiert. Diese zukünftigen Liquiditätsengpässe können schon jetzt Effekte auf die Aufstellung eines noch nicht festgestellten Jahresabschlusses haben. Gleichzeitig liegt darin ein Krisenanzeichen, das einen Geschäftsleiter zur Aufstellung der Vermögensgegenüberstellung im Sinne eines Überschuldungsstatus verpflichtet. Nimmt ein Geschäftsleiter diese Vermögensgegenüberstellung pflichtwidrig nicht vor, kann dies seine Haftung auslösen. Weist die Vermögensgegenüberstellung eine Unterdeckung, mithin eine Überschuldung auf, ist eine Fortbestehensprognose zu erstellen, die in der Regel das laufende und das kommende Geschäftsjahr umfassen soll. Auch für viele Unternehmen, die erst im kommenden Jahr mit einer Liquiditätsunterdeckung konfrontiert werden, wird es nicht einfach sein, diese Fortbestehensprognose, die die Durchfinanzierung des Unternehmens bis Ende 2021 abbilden soll, darzustellen. Und dann stellt sich die Frage, ob im Jahresabschluss Fortführungswerte angesetzt werden dürfen. Will sich das Unternehmen gleichzeitig um eine Bankfinanzierung bemühen, wird es aber den festgestellten Jahresabschluss vorlegen müssen – eine Katze, die sich in den Schwanz beißt.

Liquiditätsmanagement und Cash-Pool-Systeme

Insbesondere bei Konzernunternehmen ist regelmäßig ein gemeinsames Liquiditätsmanagement installiert. Auch dies hat bei der Vermögensgegenüberstellung Auswirkungen auf die Passivseite, deren Beurteilung sehr komplex und juristisch anspruchsvoll sein kann. Soweit eine Konzerngesellschaft in Schwierigkeiten gerät, kann es sein, dass das Cash-Management den gesamten Konzern ins Wanken bringt. Für Geschäftsleiter ist es daher sehr wichtig, das Cash-Management so aufzustellen, dass es den Regeln der Rechtsprechung entspricht.

Wege zu einem Schuldenschnitt

Durch die europäische Restrukturierungsrichtlinie aus dem Jahr 2019 wurde auch der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, bis Sommer 2021 ein neues Restrukturierungsverfahren zu installieren. Dabei soll es sich um ein vorinsolvenzliches und außergerichtliches, stilles Verfahren handeln, das auf die Finanzgläubiger beschränkt werden kann. Damit soll verhindert werden, dass das operative Geschäft negativ beeinflusst wird. Nur bei zwangsweisen Eingriffen in Gläubigerrechte wird eine gerichtliche Beteiligung zu erwarten sein. Das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung in nationales Recht ist noch nicht abgeschlossen, allerdings sind Geschäftsführer gut beraten, sich heute schon über die Wege zum außergerichtlichen Schuldenschnitt zu informieren.

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