Gastbeitrag

Trotz Sanktionen bleibt der russische Markt attraktiv

Andreas Knaul
Andreas Knaul © Rödl & Partner

Noch immer belasten die Sanktionen die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Dennoch ist der russische Markt für viele deutsche Unternehmen nicht nur ein lukrativer Absatzmarkt, sondern auch ein attraktiver Produktionsstandort – wie nicht zuletzt die Investi-tionen der großen Autobauer zeigen. Doch auch kleine und mittlere Unternehmen schätzen die Möglichkeiten, die der russische Markt ihnen bietet, weiß Andreas Knaul, Managing Partner Russland und Zentralasien bei Rödl & Partner.

Während US-Autobauer Ford seinen Rückzug vom russischen Markt verkündet hat und Produktionsstandorte schließen möchte, fahren die deutschen Mitbewerber eine gegenteilige Strategie. So hat Daimler im April 2019 sein erstes Werk in Russland eröffnet und auch Opel beabsichtigt seine Rückkehr auf den russischen Markt. Mit weitaus weniger medialer Aufmerksamkeit sind aber vor allem kleine und mittlere deutsche Unternehmen in Russland aktiv. Gemessen an der Zahl stellen die deutschen Unternehmen die größte ausländische Kaufmannschaft in Russland. Deutsche Unternehmen sind also durchaus bereit, in den russischen Markt zu investieren.

Ein Hindernis für viele ist dabei die russische Gesetzgebung, mit der viele deutsche Unternehmen nicht vertraut sind. Dabei geht es nicht nur darum, bürokratische Auflagen zu erfüllen, sondern auch, die staatlichen Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. Der russische Staat hat verschiedene Möglichkeiten geschaffen, um ausländische Investitionen zu unterstützen (sog. „Lokalisierung“) und ist bestrebt, die Investitionsbedingungen weiter zu verbessern.

Sanktionen schrecken langfristig nicht ab
Ein anderes wichtiges Thema sind nach wie vor die anhaltenden Sanktionen. Es wird immer wieder gemeinhin angenommen, dass infolge der Sanktionen viele Unternehmen ihr Russlandgeschäft aufgegeben hätten. Vereinzelt mag das auch stimmen. Tatsache ist aber, dass die allermeisten Unternehmen, insbesondere diejenigen, die schon seit vielen Jahren in Russland tätig sind, gar nicht daran denken, Russland zu verlassen. Ein erfolgreicher Unternehmer weiß schließlich, dass Krisen und Schwankungen in der Wirtschaftslage Teil des Geschäfts sind. Da wäre es falsch, sich von kurzfristigen Problemen ablenken zu lassen.

Anstelle von voreiligen Aktionen überlegen sich viele Unternehmen sogar, ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, das Russlandgeschäft noch auszuweiten. Statt Import und reinem Vertrieb bietet es sich oft an, auch in Russland zu produzieren. Das ist zwar ein großer Schritt, aber mit der richtigen Unterstützung durchaus zu bewältigen und am Ende profitieren sowohl die Unternehmen als auch deren Kunden.

So ist die Produktion in Russland häufig wesentlich güns-tiger als in Deutschland. Die Vertriebswege sind kürzer und viele bürokratische Angelegenheiten wie etwa die Zollabfertigung entfallen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil besteht vor allem darin, dass die räumliche Nähe zum Kunden einen direkten Dialog ermöglicht und somit langfristig einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung der Kundenbeziehung leistet.

Das sehen offensichtlich viele deutsche Unternehmen so. Zwar ist die russische Wirtschaft 2018 insgesamt nur leicht gewachsen, mit ähnlicher Prognose für das laufende Jahr. Dennoch stiegen nach den Statistiken der Deutschen Bundesbank die Netto-Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Russland im vergangenen Jahr um 26,4% auf 2 Mrd. Euro – einer der höchsten Werte seit dem Zerfall der Sowjetunion. Und wie es aussieht, setzt sich dieser Trend fort. Die jüngste Geschäftsklima-Umfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) und des Ost-Ausschuss-Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft (OAOEV) ergab, dass 56% der in Russland tätigen deutschen Unternehmen ihren Umsatz 2018 steigern konnten. Jedes dritte Unternehmen plant für 2019 weitere Investitionen.

Der russische Markt als eine der größten Volkswirtschaften der Welt bietet nach wie vor ein erhebliches Wachstumspotenzial. Es ist zu erwarten, dass sich dieses Potenzial spätestens nach dem Wegfall der Sanktionen, wozu es früher oder später kommen wird, frei entfalten kann. Unternehmen, die dann bereits ihren festen Platz auf dem russischen Markt etabliert haben, werden gegenüber ihren Mitbewerbern einen entscheidenden Vorteil haben. Durch die Mitgliedschaft Russlands in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU bzw. EAEU) und deren Handelsabkommen bietet sich Russland deutschen Unternehmen auch als Standort an, um von dort aus eine noch weitaus größere Region als Absatzmarkt zu erschließen.

Risiken sind vorhanden, aber überschaubar
Auch wenn Investitionen in Russland durchaus lukrative Möglichkeiten eröffnen, lassen sich Risiken nicht leugnen. Die Sanktionen können Unternehmen durchaus belasten, die für ihre Produktion auf Zulieferteile aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern angewiesen sind. Die Infrastruktur in Russland wird zwar zunehmend besser, entspricht allerdings nach wie vor nicht flächendeckend dem in Mitteleuropa üblichen Standard. Der Umgang mit der russischen Bürokratie ist zudem oft nicht einfach. Kurz: Jedes Unternehmen wird bei seinen Geschäftsbeziehungen zu Russland zwangsläufig auf bestimmte Herausforderungen stoßen. Haben Unternehmen die Einstiegshürden für Investitionen in den russischen Markt aber erst einmal gemeistert, bieten sich Chancen, die ein echter Unternehmer nicht links liegen lässt.

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