Kodex-Reform – Gut gemeint, doch nicht gut gemacht
Seit die Regierungskommission Corporate Governance ihren auch in der Struktur komplett neu gefassten Entwurf zur Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) veröffentlicht hat, regt sich massiver Widerstand aus Wirtschaft und Wissenschaft. Die Hauptkritikpunkte: Der Entwurf verstoße teilweise gegen das Gesetz, er sei ein Bürokratiemonster und führe u. a. wegen seiner einseitigen Ausrichtung an Investoreninteressen zur „Amerikanisierung“ des DCGK. Bei näherer Betrachtung erscheint diese Kritik nicht unberechtigt, meinen Tatjana Schroeder und Joana Christin Seidel, Partnerin bzw. Counsel von SKW Schwarz Rechtsanwälte.
Die in dem am 6.11.18 präsentierten Entwurf aufgestellten Grundsätze enthalten zum Teil Aussagen, die nicht im Einklang mit geltendem Recht stehen. Dies gilt beispielsweise für die Grundsätze 8, 20 und 22, nach denen Unternehmen bei der Besetzung von Führungspositionen auf Diversität zu achten haben. § 289 f Absatz 5 Handelsgesetzbuch (HGB) stellt es Unternehmen allerdings ausdrücklich frei, ein Diversitätskonzept zu verfolgen – oder eben auch nicht.
Umstrittene Erklärungspflicht
Problematisch erscheint auch das im Konsultationsentwurf vorgesehene Konzept des „apply and explain“. Hiernach sollen Unternehmen zukünftig erläutern, auf welche Weise sie die Grundsätze des Kodex anwenden. Ungeachtet der grundsätzlichen Frage, ob sich diese Erklärungspflicht nur auf die Grundsätze des Kodex oder darüber hinaus auf dessen Empfehlungen und Anregungen bezieht, dürfte der Mehrwert dieser zusätzlichen Berichtspflicht auch wegen des damit verbundenen administrativen Aufwands durchaus zweifelhaft sein.
Verkürzte Amtszeit
Zukünftig soll die Amtszeit der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat auf höchstens drei Jahre begrenzt werden. Auch wenn eine Wiederwahl weiterhin zulässig sein soll, dürfte offenkundig sein, dass sich eine solche Verkürzung der Amtszeit negativ auf die Kontinuität der Arbeit des Aufsichtsrats auswirkt. Hinzu kommt, dass eine kürzere Amtszeit die Einflussmöglichkeiten von institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern erweitert und die Bereitschaft zu konstruktiv-kritischen Diskussionen im Aufsichtsrat mindern könnte.
Deutliche Kritik an geplanten Vergütungsregeln
Der Konsultationsentwurf räumt der Vorstandsvergütung den größten Raum ein. Dabei handelt es sich vielfach um völlig neue Kodex-Bestimmungen, die teilweise die Inhalte der zweiten Aktionärsrechterichtlinie und des diese Richtlinie umsetzenden Referentenentwurfs aufgreifen.
So regelt der Kodex-Entwurf ebenso wie der § 87a AktG-E zwar auch, dass zukünftig der Aufsichtsrat einer börsennotierten AG ein „allgemein verständliches System“ zur Vergütung der Vorstandsmitglieder festlegen muss. Auffällig sind aber die teilweise unterschiedlichen Formulierungen im geplanten Kodex sowie dem AktG-E, die zu Auslegungsschwierigkeiten bzw. nicht intendierten Auslegungsspielräumen führen werden. Dies könnte durch eine saubere sprachliche Angleichung leicht verhindert werden.
Die zu Recht umstrittensten Regelungen finden sich aber in der Empfehlung D.7 des Kodex-Entwurfes. Diese sieht zunächst die Festsetzung einer maximal erreichbaren Ziel-Gesamtvergütung vor, die in eine Festvergütung sowie in eine lang- und kurzfristige variable Vergütung unterteilt wird. Die kurzfristige variable Vergütung ist an die Erreichung operativer Ziele geknüpft und soll nach Abschluss der Bemessungsperiode in bar ausgezahlt werden. Die langfristige variable Vergütung soll dagegen ausschließlich an das Erreichen strategischer Unternehmensziele geknüpft sein und die kurzfristige variable Vergütung übersteigen. Die langfristige variable Vergütung soll ausschließlich in Aktien der Gesellschaft ausgegeben werden, die mindestens vier Jahre lang nicht veräußert werden können.
Vor allem diese Empfehlung gibt Anlass zu Kritik. Die Gestaltung der Vergütung ist eine unternehmensindividuelle Aufgabe, bei der die jeweiligen Vor- und Nachteile der in der Praxis durchaus unterschiedlich ausgestalteten Vergütungsmodelle vom Aufsichtsrat entsprechend den Bedürfnissen des Unternehmens einzelfallspezifisch abgewogen werden müssen, und dies soll nach dem AktG-E auch so bleiben. Es erschließt sich daher nicht, weshalb sich der überwiegende Teil der variablen Vergütung nicht an operativen Zielen ausrichten soll. Die Erreichung finanzieller Kennzahlen hat sich in der Praxis bewährt, und die Festlegung auf Unternehmensaktien als einzig mögliche Gewährungsform erscheint nicht zu Ende gedacht. Denn der Aktienkurs wird neben der Unternehmensleistung des Vorstands gleichermaßen von externen makroökonomischen Veränderungen beeinflusst.
Ausblick
Die Kommission Corporate Governance hat angekündigt, dem Bundesjustizministerium noch im Mai 2019 ihren abschließenden Reformvorschlag zu präsentieren. Es bleibt zu hoffen, dass sie die kritischen Anmerkungen aus der Konsultationsphase aufgreift und den Kodex noch einmal grundlegend überarbeitet. Die Anpassungsnotwendigkeit der Entsprechenserklärung an die neue Kodexstruktur wird wohl bleiben.
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