„Sorgfältige Dokumentation bleibt das A und O“
Zur Rettung von Unternehmen und Arbeitsplätzen hat der Gesetzgeber auch Erleichterungen im Insolvenzrecht beschlossen (s. a. PLATOW Recht vom 1.4.). Das entlastet die Unternehmen, aber nicht unbedingt die dafür verantwortlichen Geschäftsleiter: „Leider wurde die Haftung der Geschäftsleitung nicht umfassend angepasst“, warnt Thomas Oberle, Insolvenzverwalter bei der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz in Mannheim. Diese müssen nun besonders umsichtig vorgehen.
Die Geschäftsleitung von Kapitalgesellschaften musste bisher unverzüglich – spätestens aber nach drei Wochen – einen Insolvenzantrag stellen, sobald sie feststellte, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Für Unternehmen, die auf Grund der Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, hat die Bundesregierung diese Verpflichtung bis zum 30.9.20 ausgesetzt. Damit bleiben die Insolvenzgründe allerdings bestehen. Wenn es doch noch zu einem Insolvenzverfahren kommt, kann ein Insolvenzverwalter behaupten, dass die Insolvenz nicht auf den Auswirkungen der Pandemie beruht. Gelingt ihm dieser Nachweis, haben Geschäftsführer ein Problem: Sie haften weiterhin mit ihrem Vermögen – u. a., wenn sie bei Insolvenzreife das Zahlungsverbot missachten.
Diese Vorkehrungen sollten Unternehmen treffen
Vor diesem Hintergrund sollte die Geschäftsleitung in jedem Fall die Liquiditätssituation am 31.12.19 dokumentieren, um später belegen zu können, dass zu diesem Zeitpunkt Zahlungsfähigkeit gegeben war. Gelingt das, gilt die gesetzliche Vermutung zugunsten der Geschäftsleitung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und dass Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Ergibt sich daraus hingegen nicht zweifelsfrei, dass der Schuldner zahlungsfähig war, oder besteht die Gefahr, dass beispielsweise ein Insolvenzverwalter diese gesetzliche Vermutung später widerlegen könnte, sollten Geschäftsleiter weitere Vorkehrungen treffen: Sie sollten zum einen eine Liquiditätsplanung aufstellen, wie sie ohne die Auswirkungen der Pandemie realistisch wäre. Dies dient zur Dokumenta-tion, dass in diesem Szenario weder Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung besteht. Zweitens sollten sie diese Liquiditätsplanung mit den Auswirkungen der Pandemie aktualisieren. Aus dem Vergleich beider Planungen sollte sich ergeben, dass der Eintritt der Insolvenzgründe tatsächlich auf den Auswirkungen der Pandemie beruht. Zur weiteren Haftungsvermeidung kann auch die Dokumentation der beantragten öffentlichen Hilfen sowie ernsthafter Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen dienen. Hilfreich ist darüber hinaus eine Dokumentation, auf welchen Prämissen die Planungen und die angenommene Sanierungsaussicht beruhen. Dies ist ohnehin erforderlich, damit Geschäftsleiter öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen können.
Die genannten Dokumentationen können auch dazu dienen, Insolvenzanträge von Gläubigern abzuwehren. Diese sind vorerst für einen Übergangszeitraum von drei Monaten nur zulässig, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bereits am 1.3.20 vorlag.
Absichern können sich so Geschäftsleiter von Kapital- und Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist. Denn nur bei diesen Gesellschaften besteht überhaupt eine Insolvenzantragspflicht, die nun gerade ausgesetzt ist. In aller Regel dürfte dementsprechend ein Handwerksbetrieb nicht betroffen sein. Sind hingegen kleine Betriebe als Kapitalgesellschaft im Markt, treffen die Dokumentationsempfehlungen auch für diese Unternehmen zu. In der Regel müssen diese entsprechend der geringeren Größe auch nur einen geringeren Umfang haben.
Drohende Haftung bei späterer Insolvenz
Geschäftsführer, die sich auf Corona-Ausnahmeregelungen berufen und daher trotz Vorliegens der Insolvenzgründe keinen Insolvenzantrag stellen, müssen bei einer späteren Insolvenz damit rechnen, dass der Insolvenzverwalter die Ursächlichkeit der Corona-Pandemie bestreitet. Gelingt es ihm, dies nachzuweisen, besteht das hohe Risiko, dass er die Geschäftsführer auch persönlich in Haftung nimmt.
Eine besonders gravierende Haftungsgefahr besteht darin, dass die Geschäftsführer persönlich für die Zahlungen haften, die die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife noch geleistet hat. Eine Ausnahme besteht nur für solche Zahlungen, die mit der Sorgfalt „eines ordentlichen Geschäftsmannes“ vereinbar waren. Zu den privilegierten und somit zulässigen Zahlungen gehören solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen.
Der Gesetzgeber hat zudem die Gewährung neuer Kredite erleichtert. Bei einer Kreditgewährung an Unternehmen, deren wirtschaftliche Schwierigkeiten auf der Corona-Pandemie beruhen, wurden die für Fremd- und Eigenkapitalgeber damit verbundenen Haftungs- und Anfechtungsgefahren erheblich eingeschränkt. Insgesamt enthält der Gesetzentwurf damit ein ganzes Bündel von zeitlich begrenzten Änderungen der bislang geltenden Rechtslage. Durch das Verringern der insolvenzrechtlichen Risiken dürften sie die Unternehmensfortführung spürbar erleichtern. Das sollte Geschäftsführer aber nicht zur Sorglosigkeit bei ihrer Dokumentation verführen.
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