Gastbeitrag

Präsenzlose Beschlussfassung in der GmbH erleichtert

Ulrich Thölke
Ulrich Thölke © KPMG Law

Nicht nur für die AG (s. a. PLATOW Recht v. 1.4.), auch für die GmbH hat der Gesetzgeber im Zuge der COVID-19-Pandemie Regelungen geschaffen, die die Beschlussfassung der Gesellschafter ohne physische Versammlung erleichtern. Mittel der Wahl ist hier das schriftliche Verfahren. Ulrich Thölke, Experte für Gesellschaftsrecht bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, erklärt die praktische Umsetzung.

Gesellschafterbeschlüsse in einer GmbH müssen auch in Zeiten erhöhter Ansteckungsgefahr, fehlender Reisemöglichkeiten und Kontaktsperren gefasst werden. Denn die Feststellung des Jahresabschlusses und darauf aufbauende Ausschüttungen setzen ebenso wie Kapitalerhöhungen und Satzungsänderungen schon nach dem Gesetz einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraus. Viele Satzungen sehen darüber hinaus einen Katalog von Geschäften vor, die die Geschäftsführung nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung vornehmen darf. Für die präsenzlose Beschlussfassung setzt der Gesetzgeber auf die Erleichterung des schriftlichen Verfahrens. Anders als im Aktienrecht gibt es keine allgemeine Zulassung von Online-Versammlungen. Die neuen Regelungen gelten zunächst für Beschlüsse, die im Jahr 2020 gefasst werden.

Erleichterungen für das schriftliche Verfahren

Bei der Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren, das häufig auch als „Umlaufverfahren“ bezeichnet wird, geben die Gesellschafter ihre Stimme schriftlich oder in Textform ab, d. h. etwa per E-Mail ohne Unterschriftserfordernis. Auf der Grundlage der bisherigen gesetzlichen Regelung müssen aber stets alle Gesellschafter bei dem Verfahren mitwirken. Dies ist in diesem Jahr nun anders! Der Text der neuen Regelung fällt dabei knapp aus: Er besagt lediglich, dass Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Während bisher jeder Gesellschafter die Durchführung einer Präsenzversammlung erzwingen konnte, schlicht indem er sich dem schriftlichen Verfahren verweigerte, geht dies nun nicht mehr. Denn wer sich nicht beteiligt, wird nicht berücksichtigt und damit genauso behandelt, als wenn er auf einer Gesellschafterversammlung nicht erscheint. Auch eine Mindestbeteiligung ist nicht vorgegeben. Es reicht also, dass ein einziger Gesellschafter seine Stimme abgibt, um zu einer wirksamen Beschlussfassung zu gelangen. Gezählt werden wie in einer Gesellschafterversammlung nur die abgegebenen Stimmen.

Aus dem Teilnahmerecht der Gesellschafter folgt, dass jedem Gesellschafter eine angemessene Möglichkeit zur Teilnahme an der Beschlussfassung zu geben ist. Im Gesetz ist zu den diesbezüglichen Formalien nichts geregelt. Jedenfalls ausreichen sollte die Einhaltung der Ladungsformalien und Fristen wie sie für Präsenzversammlungen gelten. Die Stimmabgabe selbst muss nicht zwingend schriftlich, d. h. auf Papier mit Unterschrift, sondern kann auch in Textform erfolgen. Den Möglichkeiten sind hier letztlich keine Grenzen gesetzt, solange der Text in gespeicherter Form dauerhaft zur Verfügung steht. Neben Fax und E-Mail ist z. B. auch eine Stimmabgabe auf Social-Media-Plattformen möglich. Es spricht auch nichts dagegen, parallel zum schriftlichen Verfahren zu einer Video- oder Telefonkonferenz einzuladen, in der Dinge unmittelbar besprochen werden können. Es handelt sich dann rechtlich aber nach wie vor um eine Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren. Auch nach einem einvernehmlichen Telefonat muss also noch in Textform abgestimmt werden.

Ebenso wie das bisherige Recht enthält das neue Gesetz keine Regelungen zum Schutz des Teilnahmerechts der Gesellschafter. Bisher war das auch nicht nötig, weil ein Beschluss im schriftlichen Verfahren ohnehin die aktive Mitwirkung aller Gesellschafter erforderte. Schutzlücken, die durch die Erleichterungen jetzt entstehen könnten, wird man daher unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze und die Bestimmungen über die Beschlussfassung in Versammlungen lösen müssen.

Über entsprechende Satzungsregelungen waren Erleichterungen für die präsenzlose Beschlussfassung auch bisher schon möglich. Ein Sonderthema tut sich auf, wenn die Satzung bereits Regelungen zum schriftlichen Verfahren enthält und diese strenger sind als das neue Recht, weil sie beispielsweise die aktive Zustimmung aller Gesellschafter fordern. In der Praxis ist dieser Fall nicht selten. Hier muss dann im Einzelfall entschieden werden, ob die Satzung die Anwendung der Neuregelung ausnahmsweise sperrt.

Beurkundungspflichtige Beschlüsse

Ein praktisch wichtiges Thema ist schließlich die Beurkundung von Beschlüssen, z. B. bei Satzungsänderungen. Auch hier wird man die vom Gesetz vorgesehenen Erleichterungen anwenden können, d. h. auch bei beurkundungspflichtigen Beschlüssen ist im schriftlichen Verfahren aktuell nicht mehr die Mitwirkung aller Gesellschafter nötig. Gezählt werden können aber nur die Stimmen, die notariell beurkundet sind. Soweit sich die Gesellschafter einig sind, finden sich hier pragmatische Lösungen, z. B. durch vollmachtlose Vertretung in einer Präsenzversammlung beim Notar. Kann man sich aber nicht einmal auf ein gemeinsames Prozedere verständigen, wird es schwieriger. Im Extremfall muss jeder Gesellschafter, der mitstimmen will, selbst beim Notar erscheinen.

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