„E-Vergabe“ – Praxistest zeigt diverse Schwachstellen auf
Seit dem 18.10.18 ist die elektronische Kommunikation bei EU-Vergabeverfahren Pflicht. Ab 2020 wird die so genannte E-Vergabe für viele öffentliche Auftraggeber – darunter alle Bundesbehörden und die meisten Landesbehörden – auch bei nationalen Vergaben verpflichtend. Auslöser der Umstellung auf die E-Vergabe war einmal mehr die EU, die damit Vergabeverfahren erleichtern und die nie recht in Schwung gekommene grenzüberschreitende Beteiligung an Vergabeverfahren ankurbeln wollte.
Nachdem die öffentlichen Auftraggeber nunmehr seit einem Jahr Erfahrungen mit der E-Vergabe sammeln konnten, ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz, meint Volkmar Wagner, Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS und als Fachanwalt für Vergaberecht auf die Beratung und Vertretung von öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen in Ausschreibungsverfahren spezialisiert.
„Zunächst einmal war die Einführung der E-Vergabe ein staatlich verordnetes Konjunkturprogramm für die zahlreichen Anbieter von E-Vergabe-Plattformen“, so der Vergaberechtler. Bei den öffentlichen Auftraggebern habe die Pflicht zur E-Vergabe dagegen zu erheblichem Schulungsaufwand und hohen Einarbeitungszeiten geführt. „Gleiches gilt für die Unternehmen, die sich mit den diversen von Auftraggeberseite angewendeten Plattformen vertraut machen mussten – zur Einführung eines einheitlichen Systems für alle öffentlichen Auftraggeber ist es zum Bedauern der Bieter nicht gekommen.“ Zudem hätten es viele Anbieter von E-Vergabe-Plattformen nicht geschafft, die gesetzlichen Vorgaben vollständig umzusetzen. „Auch technisch bestehen noch große Defizite, wie z. B. immer wiederkehrende Störungen der Plattformen und teilweise sehr lange interne Bearbeitungszeiten für Fragen der Nutzer“, konstatiert Wagner.
Ziel bislang verfehlt
Wagners Zwischenfazit nach gut einem Jahr E-Vergabe fällt denn auch verhalten aus. „Die Hoffnung auf mehr Bieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten hat sich nicht erfüllt. Die Durchführung von E-Vergaben lockt bislang keine Bieter an, sondern schreckt diese im Gegenteil davon ab, sich an Vergabeverfahren zu beteiligen. In Zeiten, in denen die öffentlichen Auftraggeber in manchen Branchen – insbesondere in der Bauwirtschaft – froh sind, überhaupt Angebote zu bekommen, ist dies eine niederschmetternde Feststellung.“
Dass viele öffentliche Auftraggeber ihrer Pflicht zur Durchführung von E-Vergabe-Verfahren bislang noch nicht nachkommen, sei vor diesem Hintergrund verständlich – wenn natürlich auch nicht rechtmäßig. Doch da auch viele Bieter darüber nicht traurig seien, gelte der Rechtsgrundsatz „wo kein Kläger, da kein Richter“. Wagner sieht hier die Aufsichtsbehörden in der Verantwortung, die Anwendung geltenden Rechts auch durchzusetzen.
Dessen ungeachtet stellt sich für den Vergaberechtler noch eine andere, ganz pragmatische Frage: „Warum war hier eine hoheitliche Regulierung überhaupt erforderlich? Wäre es nicht ausreichend gewesen, sich darauf zu beschränken, den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit einzuräumen, E-Vergabe-Verfahren durchzuführen und alles Weitere dem beständigen Vordringen der elektronischen Kommunikation in alle Lebensbereiche zu überlassen?“
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