Gastbeitrag

Videoüberwachung im Betrieb – Wann und wie erlaubt?

Dominik Nikol
Dominik Nikol © Nikol & Goetz

_ Videoüberwachung ist in vielen Unternehmen von großer Bedeutung. Sie bietet Schutz vor Einbruch, Diebstahl oder Vandalismus, hilft aber auch Täter zu ermitteln und entsprechende Ansprüche durchzusetzen. Spätes-tens seit deutsche Datenschutz-Aufsichtsbehörden Firmen aus unterschiedlichsten Branchen mit Fragekatalogen zur Videoüberwachung konfrontieren, stellt sich die Frage, ob und wie der Betrieb von Videoüberwachungsanlagen zulässig ist. Dominik Nikol, Partner der auf Datenschutzrecht spezialisierten Kanzlei Nikol & Goetz, gibt einen Überblick.

Wenn Menschen mit Kameras erfasst werden, werden persönliche Daten verarbeitet. Da damit die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einschlägig ist, muss die Videoüberwachung datenschutzrechtlich rechtmäßig erfolgen. Die Rechtmäßigkeit ist meist auf Grundlage einer sog. „Interessensabwägung“ zu beurteilen: Danach muss das Interesse des Unternehmens die Überwachung erfordern. Außerdem dürfen die Rechte der dabei erfassten Personen dieses Interesse nicht überwiegen. Eine solche Abwägung ist für jede Videoüberwachung im Einzelfall vorzunehmen. Gewichtige Interessen des Unternehmens liegen z. B. im Schutz des Eigentums vor Einbruch, Diebstahl oder Vandalismus. Existieren bereits einschlägige Vorkommnisse, sind die Interessen stärker zu gewichten.

Solche Interessen legitimieren eine Videoüberwachung aber oft nicht, wenn alternative Maßnahmen implementiert werden könnten, die nicht oder weniger tief in die Rechte der erfassten Personen eingreifen (z. B. Alarmanlage, ordentlichere Sicherung der Kasse). Hingegen wäre zulasten der erfassten Personen zu gewichten, wenn eine entsprechende Videoüberwachung an solchen Orten zu erwarten ist (z. B. Teile von großen unübersichtlichen Supermärkten). Insbesondere in der Sozialsphäre ist eine Videoüberwachung akzeptierter, immer unzulässig hingegen in Intimbereichen wie Toiletten oder Umkleideräumen. An Orten der Entspannung wie Cafés, Restaurants oder Wartebereichen wird man im Einzelfall streng differenzieren müssen, z. B. hinsichtlich konkret erfasster Bereiche. Zu berücksichtigen ist auch die Art der Kameras. Etwa können sog. Dome-Kameras besonders stark in die Rechte der erfassten Personen eingreifen, soweit deren Blickrichtung nicht erkennbar ist.

Vorherige Information ist Pflicht

Über jede Videoüberwachung muss vom Unternehmen ersichtlich informiert werden, bevor man von den Kameras erfasst wird. Dabei bedarf es neben den bekannten Kamera-Piktogrammen auch der Informationen gemäß Art. 13 und 14 der DSGVO (insbesondere Angaben zu verantwortlichem Unternehmen, Zweck, Rechtsgrundlage, Speicherdauer). Da diese Angaben sehr umfangreich sind, ist eine stufenweise Information denkbar (1. kürzeres Informationsblatt am Eingang, 2. längeres am Schwarzen Brett/ im Inter- oder Intranet). Videoüberwachung ohne Information ist grundsätzlich nicht datenschutzkonform.

Der Betrieb der Videoüberwachung muss datenschutzfreundlich und datensicher erfolgen. Anlagen müssen so betrieben werden, dass nicht relevante oder schützenswertere Bereiche geschwärzt oder nicht erfasst werden. Es muss geprüft werden, inwieweit zeitliche Beschränkungen der Überwachungen einzuführen sind (z. B. nur nachts). Nicht benötigte Funktionalitäten einer Anlage (z. B. Audio) sollten nicht beschafft oder deaktiviert werden. Auf Videoservern bzw. Bildschirmen dürfen nur berechtigte Personen Zugriff haben. Verschlüsselungen sind einzusetzen.

In der Praxis werden die Videosequenzen oft nicht nur auf einem Bildschirm in Echtzeit übertragen, sondern auch aufgezeichnet. Entsprechend müssen Unternehmen prüfen, ob eine Aufzeichnung für die verfolgten Zwecke überhaupt erforderlich ist oder nicht das mildere Mittel der Echtzeitüberwachung ausreicht. Soweit Aufzeichnungen gemacht werden, ist deren Speicherdauer auf das nötige Minimum zu beschränken. Die deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörden gehen hier von einer maximalen Standard-Speicherdauer von zwei Tagen aus, da innerhalb dieser Frist die Erforderlichkeit einer längeren Speicherung geprüft werden könne. Da eine solch kurze Frist oft praxisfern ist, muss eine längere Speicherung gut begründet sein.

Mitarbeiterüberwachung und Missbrauch

Wenn Mitarbeiter von der Videoüberwachung erfasst werden, ist besondere Vorsicht geboten. Insbesondere ist eine „Dauerüberwachung“ ein starker Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer und daher nur selten rechtmäßig. Rückzugsorte sind somit zwingend. Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser meist bei der Implementierung und dem Betrieb der Anlage eingebunden werden. Betriebsvereinbarungen sind dann erforderlich. Eine heimliche Videoüberwachung darf nur im absoluten Ausnahmefall als letztes Mittel eingesetzt werden. Konkrete Tatsachen zu einem Verdacht wären zu dokumentieren.

Der Betrieb der Anlage muss dokumentiert sein. Das Unternehmen muss seiner sog. Rechenschaftspflicht nachkommen können. Dazu zählt auch das Führen eines sog. Verarbeitungsverzeichnisses. Werden geltende Grundsätze zur Videoüberwachung missachtet, kann durch die zuständige Aufsichtsbehörde ein Bußgeld von bis zu 20 Mio. Euro bzw. 4% des weltweit erzielten Vorjahresumsatzes verhängt werden. Dass diese hohen Beträge nicht nur fiktiv sind, zeigt das erst kürzlich von der Hamburgischen Aufsichtsbehörde wegen unzulässiger Mitarbeiterüberwachung gegen eine Modekette verhängte Bußgeld von 35 Mio. Euro. Darüber hinaus sind Schadensersatzansprüche von erfassten Personen realistisch. Firmen sind also gut beraten, die Videoüberwachung rechtskonform umzusetzen.

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