Gastbeitrag

Neuer Anlauf für geplantes Verbandssanktionengesetz

Ulrike Grube und Florian Donath
Ulrike Grube und Florian Donath © Rödl & Partner

_ Am 21.4.20 hat das Bundesjustizministerium (BMJV) einen offiziellen Referentenentwurf zur Einführung eines sog. Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) veröffentlicht. Damit verfolgt der Gesetzgeber seinen bereits im Vorjahr eingeschlagenen Weg zur Einführung eines „Unternehmensstrafrechts“ und entwickelt einen ersten, im August 2019 zwar nicht veröffentlichten, aber dennoch in die Fachöffentlichkeit gelangten, Entwurf weiter. Ein Überblick von Ulrike Grube und Florian Donath von Rödl & Partner.

Der frühere „inoffizielle“ sowie der jetzige „offizielle“ Entwurf sind im Wesentlichen inhaltsgleich. Einige wenige, aber erhebliche Unterschiede enthält der jüngste Entwurf jedoch. Die wesentlichste Änderung ergibt sich bei einem Vergleich der möglichen Rechtsfolgen, die bei Verstößen durch Unternehmensangehörige, insbesondere Unternehmenslenker, drohen. Während der im August 2019 erstellte Entwurf bei schweren Verstößen sogar noch die Verbandsauflösung, also die Liquidation des betroffenen Unternehmens, vorsah, ist man im aktuellen Entwurf von dieser Rechtsfolge vollständig abgerückt. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, wäre sie bei einer Beibehaltung doch einer „Todesstrafe“ für das Unternehmen gleichgekommen. Darüber hinaus hat man den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Unternehmen limitiert, deren Zweck auf einen „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ gerichtet ist.

Mögliche Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben

Nach Aussage des BMJV soll mit dem VerSanG der Zweck verfolgt werden, eine gesetzliche Grundlage für eine weitreichende Sanktionierung von Unternehmen zu schaffen. Während bislang eine Bestrafung von Unternehmen ausgeschlossen und nur eine Geldbuße möglich war, soll das VerSanG dies nun ändern. Der Referentenentwurf sieht u. a. vor, umsatzstarke Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 100 Mio. Euro mit einer Geldsanktion von bis zu 10% des Konzernjahresumsatzes zu belegen. Für Unternehmen mit geringerem Jahresumsatz verbleibt es im Höchstmaß bei den bereits aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Sanktionshöhen (bis zu 5 Mio. Euro bei fahrlässigen, bis zu 10 Mio. Euro bei vorsätzlichen Verstößen).

Doch damit noch nicht genug: Ein Inkrafttreten des VerSanG in der aktuellen Fassung hätte auch weitreichende Auswirkungen auf die unternehmensinternen Abläufe. Sofern Unternehmen noch keine oder nur geringfügige Compliance-Anstrengungen unternommen haben, gilt es bereits zum jetzigen Zeitpunkt, die internen Abläufe und Prozesse auf den Prüfstand zu stellen, diese zu optimieren oder gegebenenfalls Änderungen oder neue Compliance-Maßnahmen zu etablieren. Andernfalls könnte man als Unternehmen bei Beschluss des aktuellen Referentenentwurfs ins zeitliche Hintertreffen geraten und wäre nicht gut genug gewappnet. Effiziente Compliance-Maßnahmen, insbesondere unternehmensinterne Untersuchungen, sollen künftig eine noch deutlich bedeutendere Rolle spielen als bisher.

Sobald dem Unternehmen belastbare Hinweise auf eine mögliche unternehmensbezogene Straftat zur Kenntnis gelangen, wäre eine unternehmensinterne Untersuchung beinahe unumgänglich, um größeren Schaden abzuwenden.

Die Einleitung derartiger Compliance-Maßnahmen wäre nach Maßgabe des aktuellen Referentenentwurfs sogar von Gesetzes wegen bei der Bemessung einer Sanktion strafmildernd, wenn nicht sogar strafausschließend zu berücksichtigen. Die Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung könnte sogar eine Einstellung des Verfahrens gegen das Unternehmen ermöglichen.

Insgesamt ist seitens der Unternehmen noch penibler als bisher bereits darauf zu achten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Mitarbeiter zumindest deutlich zu erschweren, wenn nicht gar zu verhindern.

Fazit

Der aktuelle Referentenentwurf findet bei Beratern wie auch Unternehmen eine steigende Beachtung. Auf Grund der Anwendung der Strafprozessordnung (StPO), § 24 Abs. 1 VerSanG-E, gilt das sog. Legalitätsprinzip, wonach bei Vorliegen von Anhaltspunkten einer Straftat ermittelt werden muss. Die Argumentation, das VerSanG komme der „ganz großen Mehrheit der Unternehmen in Deutschland zugute, die sich rechtstreu und lauter verhält“, zeigt einmal mehr, dass Theorie und Praxis weit auseinander klaffen. Das VerSanG sieht nämlich gerade nicht vor, dass lediglich bei einer festgestellten Straftat eines Mitarbeiters auch ein sog. Sanktionsverfahren gegen das Unternehmen eingeleitet wird. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass beide Verfahren parallel laufen werden. Darüber hinaus muss schlicht auch berücksichtigt werden, dass nicht jedes Unternehmen, aus dessen Reihen eine Straftat mit Unternehmensbezug begangen wird, Strukturen unterhält, die Straftaten fördern oder erleichtern. Vielmehr handelt es sich häufig um „Ausreißer“.

Neben den genannten Rechtsfolgen dürfen auch die Folgen möglicher Vermögensabschöpfungen nicht außer Acht gelassen werden, so dass insgesamt existenzbedrohende Folgen aus unternehmensbezogenen Straftaten auf die Unternehmen zukommen. Es ist also an der Zeit, die notwendigen Schritte zu ergreifen und das Unternehmen auf den aktuellsten Compliance-Stand zu bringen.

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